Für unsere Kinder

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Aber eines Tags erwachte Rübezahl  . Er| Den Berggeist erfaßte Zorn. Wer hatte sein streckte seine erstarrten Glieder und sagte trau- Reich so zerstört? Wo waren seine Holzbauer, rig: Es scheint, daß ich ein wenig Zeit ver- seine Weber und Köhler? Und er stürmte zu schlafen habe. Ich muß nachsehen, was der dem Orte, wo die Mühle des geizigen Müllers geizige Müller und die Enkel des Holzhauers gestanden. Die Mühle war nicht mehr da. An ihrer Stelle erhob sich ein großes rußiges Ge­machen." bäude mit einem himmelhohen Schornstein. Die Fenster dieses traurigen Baues waren verstaubt und blind, und aus dem Innern drang Surren, Stampfen, Pochen und Rauch und Dampf hervor.

Und schon sann der gute Berggeist wieder über ein Schelmenstückchen nach. Auf der Straße wollte er einen Strohwisch aufheben, ihn in einen schönen Esel verwandeln und dem Müller verkaufen. Wie wird der alte Geizkragen fluchen, wenn er am anderen Morgen statt des teuer bezahlten Esels im Stalle einen Strohwisch findet! Und Rübezahl   freute sich im voraus darauf, wie er dem armen Weber einen Beutel bringen wird, mit den Talern des Müllers gefüllt. Er erinnerte sich daran, wie er einst ein Mädchen gerettet und beschenkt hatte, das der franken Mutter Arzenei   holen ging und den angeschwollenen Bach nicht überschreiten fonnte. Neue Wärme durchströmte seine Adern, als er sich vorstellte, wie die Kinder des Webers vor Freude springen werden, wenn der Vater gutes Weißbrot auf den Tisch legt und sagt: ,, Kinder, Kinderchen, bedankt euch dafür bei Rübezahl!  " Schon sah Rübezahl  , wie man Märchen über ihn erzählt, wie Kinder den guten Geist in den Bergen suchen, wo Farn­träuter ihre großen Spitzenfächer ausbreiten und der Boden mit roten Erdbeeren und schwarzen Heidelbeeren bedeckt ist. Dort war sein Reich, und er ging, es wieder zu besehen. Rasch verwandelt er sich in einen armen Wan­derer. Die Stiefel ins Bündel geschnürt, einen Knotenstock in der Hand, so schritt er fürbaß. Niemand, nicht einmal der schlaue Müller, konnte in ihm den mächtigen Berggeist er

fennen.

Als aber Rübezahl sein Reich durchwan­derte, erkannte er es nicht wieder. Sonder bare Gebäude mit ungeheuren qualmenden Türmen standen im Grunde der Täler, deren grüne Matten einst von kristallklaren Wild­bächen durchflossen waren und an deren Abhängen duntle Forste gerauscht hatten. Schwarzer Rauch verhüllte jetzt die Täler, übriggebliebene einsame Tannen verschmach­teten auf dem verdorrten und ausgetrockneten Boden und die geschwärzten Wasser der Bäche flossen träge dahin. Aus den Tälern erscholl Getöse, übertönt von grellen, langezogenen Pfiffen, und Rübezahl sah, wie in der Dämme­rung eine große Schar trauriger Gestalten in diese schrecklichen Gebäude einzog, deren Tore hinter ihnen aufielen.

" Haben denn die Teufel vom Neste des alten Knickers Besitz ergriffen?" dachte Rübezahl   und schritt weiter. Die verwüsteten Wälder erfann­ten ihren Herrn nicht. Hier wuchsen nicht mehr Pilze auf sammetweichem goldgrünen Moose; die Felsen waren zerspalten und abgetragen; das spärliche junge Gehölz, das in schnur­geraden Reihen stand, wußte nichts vom Berg­geist. Nur das Heidefraut seufzte traurig unter seinen Tritten, und hier und da erkannte eine alte Tanne den Gebieter der Berge, aber ver­einsamt und alt, rauschte sie nur wehmütig zu seiner Begrüßung.

Dwie wünschte Rübezahl   seine Köhler und Holzhauer herbei, wie sehnte er sich nach den Kindern, die zum Sammeln der Erdbeeren und Himbeeren in sein Reich gekommen waren! Und er nahm sich vor, diesmal feines von ihnen zu necken, sondern ihnen die Erdbeeren in die allerschönsten Rubinen und Granaten zu ver­wandeln. Aber nirgends waren Kinder zu sehen, nirgends war ihr Lachen zu hören. Da endlich begegnete Rübezahl   ein kleines Mäd­chen. Es sah kränklich aus, seine Augen waren rot umrändert, und es blickte traurig vor sich hin. Aber Rübezahl   jauchzte im Geiste auf. ,, Also doch jemand aus meinem Reiche!" Und er faßte das erschrockene Mädchen bei der Hand, blickte mitleidig in sein bleiches, ver­unstaltetes Gesichtchen und fragte es:

Wohin gehst du, mein Kind?"

" In die Fabrik dort im Tale. Der Vater ist krank, und ich muß verdienen. Wir haben fein Geld für Brot."

,, Und was machst du in der Fabrik?"

Ich muß dort arbeiten den ganzen Tag?" Und warum sind deine Augen so entzündet und deine Hände aufgesprungen?"

,, Ach, das ist bei uns allen in der Fabrik so." ,, Wie alt bist du!" fragte Rübezahl   weiter. " Zwölf Jahre," sagte das Kind, aber ich sage einem jeden fünfzehn. Sonst werden wir bestraft." Und das Mädchen blickte Often, gegen wo es langsam tagte und sprach: Ich muß