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Für unsere Kinder

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diesem Paradiese noch etwas anderes in der| Indien   hielt sich einen jungen Tiger als Haus­Welt wäre. Alerte führte mich sogleich in den tier. Der Tiger war schon beinahe ausgewachsen Gang zurück, durch den ich hereingefommen und lag eines Abends neben seinem Herrn, war. An der Seite hatte sie zwei wohlein der im Lehnstuhl schlief. Da sah dessen Diener gerichtete Zimmer; in dem einen, wo sie mit Schrecken an der Hand seines Gebieters wohnte, setzte sie mir Orangen, Feigen, Pfir- eine kleine Blutung, und der Tiger leckte das siche und Trauben vor, und ich genoß sowohl Blut gierig ab. Der treue Diener wußte, daß die Früchte fremder Länder als auch die der die Raubtierinstinkte des Tigers erwachen, erst kommenden Monate mit großem Appetit. wenn er einmal Blut leckte, sein Herr würde Zuckerwerk war im überfluß; auch füllte sie zerrissen werden, deswegen holte er in höchster einen Pokal von geschliffenem Kristall mit Eile ein Gewehr, trat vorsichtig auf den Tiger schäumendem Wein. Doch zu trinken bedurfte zu und schoß ihn ins Herz." Zur Abwechslung ich nicht, denn ich hatte mich an den Früchten spielt diese rührende Geschichte auch manch­hinreichend gelabt. Nun wollen wir spielen," mal in Afrika  , dann leckt nicht ein Tiger, son sagte sie und führte mich in das andere Zimmer. dern ein Löwe das Blut, und das Amt des Hier sah es nun aus wie auf einem Chrift treuen Dieners wird nicht von einem Hindu, markt; aber so foftbare und feine Sachen hatte sondern von einem Neger versehen. Nicht nur man niemals in einer Weihnachtsbude gesehen. in Lesebüchern spukt diese Geschichte, sie wird Da waren alle Arten von Puppen, Puppen- auch von Leuten erzählt, die draußen" waren, leidern und Puppengerätschaften, Küchen, und zwar ist es allemal ihr bester Freund, dem Wohnstuben und Läden und einzelne Spiel sie widerfahren ist; glücklicherweise ist er aber fachen in Unzahl. Sie führte mich an allen dabei mit dem Leben davongekommen, um Glasschränken herum; denn in folchen waren dieses Märchen erzählen zu können. Mert diese künstlichen Arbeiten aufbewahrt. Die würdigerweise geraten jedoch in Europa  ersten Schränke verschloß sie aber bald wieder Raubtiere durchaus nicht in Erregung, wenn und sagte: Das ist nichts für Euch, ich weiß fie Menschenblut lecken. Mitchell hat häufig, es wohl. Hier aber," sagte sie, fönnten wir wenn er im Spiele von jungen Raubtieren an Baumaterialien finden, Mauern und Türme, der Hand gefragt worden war und heftig blutete, Häuser, Paläste, Kirchen, um eine große Stadt den Tieren die blutende Hand hingehalten, zusammenzustellen. Das unterhält mich aber ohne daß diese im mindesten erregt wurden. nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen, Gr fagt, Milch sei ihnen viel lieber gewesen. das für Euch und mich gleich vergnüglich ist." ( Schluß folgt.)

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Vom Zähmen wilder Tiere.

( Schluß.)

Häufig wird behauptet, Raubtiere verhielten sich in der Nacht ganz anders als bei Tag. Daher könnten zahme junge Raubtiere, die bei Tag sanft und harmlos wären, nachts, wenn thre wilden Triebe erwachten, ihrem Herrn fehr gefährlich werden; dieser könne nie sicher fein, daß sie ihm im Dunkeln nicht an die Kehle sprängen. Mitchell hat jedoch in langjährigem Umgang mit Raubtieren nie gefunden, daß diese bei Nacht andere Gewohnheiten hätten als bei Tag. Er hat oft nachts mit Leoparden gespielt, die fast vollständig ausgewachsen waren, und fie waren nachts ebenso sanft und zutraulich gegen ihn wie tags.

Unbewiesen ist auch der Glaube, in einem zahmen Raubtier, das zufällig Menschenblut geleckt habe, erwache unfehlbar und mit einem Schlage die wilde Natur. Ein Offizier in

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Man darf aber nicht annehmen, daß die Zahmheit junger Raubtiere von Dauer ist. Das ist bei ihnen so wenig der Fall, wie bei den meisten anderen Tieren. Es ist wohl der natürliche Instinkt der Tiereltern, ihre Jungen zu pflegen, aber von den Herden­tieren abgesehen es kommt die Zeit, wo Dieser Instinkt erlischt oder in sein Gegen­teil umschlägt: wo die Alten die Jungen ver­treiben und sie dadurch zwingen, für sich selbst zu sorgen. Ebenso schläft bei den Jungen all­mählich das natürliche Bedürfnis ein, sich schützen und pflegen zu lassen. Die Jungen lernen, daß sie selbst vor den Gefahren des Lebens auf der Hut sein und sich ihrer Haut mehren müssen. So entwickelt sich bei ihnen eine Wildheit, die die anschmiegungsbedürf tigen Gewohnheiten der Kinderzeit kaum ahnen lassen. Sogar bei den friedlichen, geselligen Herdentieren kommt eine Zeit die der Gattenwahl, wo ein wilder Kampf unter ihnen ausbricht, und wo es gefährlich ist, sich ihnen zu nähern, so sanft und zutraulich sie auch sonst sind.