Für unsere Kinder

Nr. 26 ooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo 1915

Inhaltsverzeichnis: Telegraphenstangen. Ge- und wenn der Regen das Flußbett wieder

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dicht von Martha Grosse. Das Nilpferd. Von Sven Hedin  . Eine Geschichte vom Zweifüßler. Märchen von Karl Ewald.  ( Fortseßung.)- Der dumme Wolf. Von Brüder Grimm.- Eulen­spiegel als Turmbläser beim Grafen zu Anhalt. Unterm Baum. Gedicht von Friedrich Hebbel  .

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Telegraphenstangen.

Sie stehen an Straßen grau von Staub, Sie stehen in dichtgrünem Sommerlaub, Sie wandern auf einsamen Felsenpfaden, Sie wandern entlang an der Meere Gestaden.

Sie laufen vorbei am donnernden Zug, Sie steigen und sinken wie nächtlicher Spuk, Sie wollen das ganze Land überbreiten mit ihren schwirrenden, zitternden Saiten. Und keiner, an dem es vorüberjagt, 3hr sausendes Lied, ist keiner, der fragt: Was bebt auf den Saiten, bis leise sie dröhnen, 3st's Jubel, ift's Angst oder Sterben und Stöhnen? Nur Kinder umfassen neugierig- bang Die glatten Pfähle und hören den Sang. Und hören ein Rauschen und hören ein Raunen Und stehen und lauschen, und stehen und staunen; Und sie wissen nicht, was hier vorüberglitt, Und singen und summen versonnen mit 3um Schicksalsgesange der eisernen Saiten, Auf denen der Tod und das Leben reiten. Martha Grosse.

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Das Nilpferd.*

Von Sven Hedin  .

In den Seen und Flüssen Mittelafrikas lebt das große plumpe, häßliche Nilpferd, der Behe­ moth   der Bibel. In alten Zeiten kam es auch in Unterägypten   vor und wurde hier Fluß­schwein genannt. Heute aber muß man schon eine ganze Strecke südwärts über Nubien   hin­ausgehen, um es anzutreffen. In vielen Flüssen unternimmt es Wanderungen, und es richtet sich dabei nach der Regenzeit: sinkt der Spiegel des Flusses, dann begibt es sich flußabwärts,

* Aus Sven Hedin   Von Pol zu Pol".( Neue Folge.) Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig  .

füllt, aufwärts.

Während andere Tiere seit ihrem ersten Auf­treten in früheren Zeitabschnitten der Erde große Formänderungen durchgemacht haben, hat das Nilpferd sein früheres Aussehen im wesentlichen bewahrt. Es macht darum auch heute noch einen urweltlichen Eindruck. Der rundliche plumpe Körper des Nilpferds ruht auf vier kurzen, unförmigen Beinen mit vier Hufen an jedem Fuß. Der Kopf ist beinahe viereckig, Augen und Ohren sind klein, das Maul entsetzlich breit und die Nasenlöcher groß. Die zwei Zentimeter dicke Haut ist unbehaart und schillert je nachdem sie naß oder trocken ist grau, dunkelbraun oder schmutzigrot. Den kleinen kurzen Schwanz abgerechnet wird das Tier vier Meter lang; es wiegt so viel wie dreißig ausgewachsene Männer.

Die Nilpferde verleben die meiste Zeit im Wasser; nachts gehen sie aufs Land, besonders in Gegenden, wo die Flüsse selbst nicht viel Nahrung bieten. Schleicht man an ruhigströmen­den Flüssen vorsichtig entlang, so kann man das Tier oft überraschen; wenn es auftaucht, um Luft zu schnappen, spritzt es unter starkem Busten und Schnauben Strahlen von Wasser aus seinen Nasenlöchern. Dann taucht es wieder unter und bleibt wohl drei bis vier Minuten unter Wasser. Ist es unmittelbar unter der Oberfläche, so sieht man über dem Wasser nur sechs fleine Erhöhungen; die Ohren, die Augen und die Nasenlöcher. Fühlt es sich nicht sicher, so steckt es nur die Nasenlöcher aus dem Wasser und atmet so leise, wie ihm nur möglich ist.

Oft liegen die Nilpferde in seichtem Wasser und plätschern darin herum, oder sie klettern auch auf das Ufer hinauf, um sich zu sonnen und sichs behaglich und bequem zu machen. behagen grunzende Töne ausstoßen. Gegen Dann hört man sie alle Augenblicke vor Wohl­Abend aber suchen sie die tieferen Stellen des Flusses auf, wo sie umherschwimmen, einander jagen und sich mit größter Gewandtheit und Gelenkigkeit im Wasser tummeln. Sie schwim­men außerordentlich schnell und stoßweise und erfüllen dabei die Luft mit brüllenden, gurgeln­den Tönen. Gleichwohl können sie aber auch so leise schwimmen, daß man das Wasser gar nicht rauschen hört. Ein verwundetes Nilpferd