Für unsere Kinder
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es nochmals sagen, bis er es hörte. Da nickte er nur und sagte:„Ich werde noch heute nacht fortgehen und mir ein anderes Land suchen, wo die Menschen klüger sind." Gegen Mitternacht war er bereit zum Auf bruch. Er hatte nichts anderes bei sich als seinen Schwefel und einige andere Gegen stände, die er für seine Arbeiten nötig hatte. Er verbarg sie unter seinem Mantel, löschte das Licht in seinem Hause und wollte gehen. Plötzlich hörte er Lärm im Tale, wo die anderen wohnten. Er setzte sich hin und wartete, nicht weil er sich vor ihnen fürchtete, sondern weil er nicht mehr mit den Toren reden mochte. Und während er wartete, nahm er seine Schwefelkugel unterm Mantel hervor und be gann, sie mit der Hand zu reiben, wie er es früher schon tausendmal getan hatte. Er starrte sie an, obwohl er nicht sehen konnte, da'es stockfinster war. Plötzlich fuhr er mit einem Schrei in die Höhe. Er ließ die Kugel los, fand sie auf dem Boden mit Mühe wieder und begann von neuem wie besessen zu reiben. Jetzt sah er es ganz deutlich... an seiner Hand entwickelte sich ein Licht, während er rieb. Und er rieb immer wieder, und jedes mal sah er das Licht. Er war so bewegt, daß er kaum atmen konnte. Er schloß seine Augen und öffnete sie wieder.... Gewiß, es war keine Einbildung ... das Licht erschien, sobald er die Schwefel kugel rieb. Während des Reibens hielt er die Kugel an das Ohr und hörte deutlich ein schwaches Knistern. Da sprang er auf und sang und lachte, weinte und tanzte in der Stube um her wie ein junger Mann, der vor Glück außer sich gerät. „Das ist der Blitz... das ist der Donner," rief er jubelnd.„Ich habe sie gerufen, und sie sind meinem Rufe gefolgt." Die Tür wurde geöffnet, und der kleine Junge, den er elektrisch gemacht hatte, stand auf der Schwelle. „Vater Zweifüßler... willst du mich mit dorthin nehmen, wohin du gehst?" sagte er. „Willst du mit?" fragte der Zweifüßler. „Ja," antwortete der kleine Junge,„ich will bei dir bleiben und mit dir gehen. Ich habe keine Furcht vor dir. Du sollst mich deinen Zauber lehren, und ich will einmal ein ebenso weiser Mann werden." „Du weiht nicht, was du tust," sagte der Zweifüßler.„Ich bin kein Zauberer, aber ich
habe gesehen, was sonst niemand gesehen hat. Du weißt nicht, was ich diese Nacht erlebt habe.... Ich habe meine Kugel gerieben und den Blitz aus ihr hervorgerufen und den Donner.... Sie liegen in meiner Hand... ich kann sie rufen, sobald ich will.... Noch sind sie ganz winzig und schwach, aber ich weiß, daß sie einmal so stark werden wie die da oben in der Wolke. Hast du Mut?" �„Ja," erwiderte der Junge. „Dann komm," sagte der Zweifüßler. Und er nahm den Jungen bei der Hand und wanderte mit ihm in die dunkle Nacht hinaus, um ein Land zu finden, wo es weniger Toren gab. Er fand auch ein neues Land, wo er sich mit dem Jungen niederließ. Die Leute ehrte» ihn ob seines Alters und seiner Weisheit und wußten nichts von seinen Zauberkünsten. Aber er beschäftigte sich nach und vor damit und spähte und lauschte und sann... ob er nicht des seltsamen Geistes habhaft werden könnte, der sich im Bernstein und Glas und Schwefel so schwach und im Gewitter so mächtig offen barte. Jeden Abend, wenn die Tagesarbeit be endet war, unterhielt er sich mit dem Jungen, dessen Verstand mit den Jahren wuchs. Am meisten freuten sie sich, wenn der Donner rollte. Dann meinten sie, der mächtige Geist sei ihnen näher... er sei nicht mehr nur dort oben, wo die Blitze zuckten, sondern in der Luft und in allen den Dingen rings um sie her. „Da oben ist viel Elektrizität, und hier unten bei uns ist wenig," sagte er.„Darum schlagen die Blitze auf der Erde ein.... Sieh da... dort fuhr ein Blitz aus einer Wolke, die zu viel Elektrizität hat, in eine, die zu wenig hat... es ist wie beim Wasser, wenn es in zwei Teichen ungleich hoch steht. Grabe ich einen Kanal dazwischen, so läuft es aus dem Teich, der am meisten Wasser hat, in den, der am wenigsten hat. Mein Junge, ich will so viel Elektrizität sammeln, bis ich sie zu den größten Dingen brauchen kann." „Das willst du, Vater, da du es sagst," sagte der Junge.„Aber willst du mir nicht erklären, wie es kommt, daß der mächtige Geist in so einem elenden Glasrohr wohnt und nicht in der dicken Eisenstange, die dort liegt? Ich habe das Eisen gerieben, bis meine Arme mir weh taten, aber ich habe nichts von dem Geist gemerkt." „Verlaß dich darauf, er ist da," sagte der Zweifüßler.„Wir müssen nur das rechte Mittel