Nr. 9 der ,, Gleichheit" gelangt am 4. Mai 1892 zur Ausgabe.

Frauenwelt auszeichneten; es erzieht die große Masse des weib­lichen Geschlechts zum Verständniß der Sache der Allgemeinheit, zur Hingabe an das Gauze, zu Muth, Charakterfestigkeit, Opfer­freudigkeit, welche vor keiner Beschwerde, keiner Entbehrung, feiner Aufgabe zurückschrecken lassen, kurz zu Eigenschaften, welche, wie Eleonore Prohaska bewiesen, sich sehr wohl mit echt weiblicher Wärme der Empfindung, treuem Festhalten an dem als wahr Er­kannten und hilfsbereiter Liebe für die Mitmenschen paaren können.

L. W.-K.

Auf das Mädchen aus Potsdam  , Prohaska.

Ich müßte mich schämen, ein Mann zu heißen, Wenn ich nicht könnte führen das Eisen,

Und wollte Weibern es gönnen,

Daß sie führen es können!

Wer ist der Gesell, so fein und jung?

Doch führt er das Eisen mit gutem Schwung. Wer steckt unter der Maske? Eine Jungfrau, heißt Prohaska.

Wie merkten wir's nur nicht lange schon Am glatten Kinn, am feineren Ton? Doch unter den männlichen Thaten Wer konnte das Weib errathen?

Aber es hat sie getroffen ein Schuß; Jetzt sagt sie's selber, weil sie muß. Wundarzt, geh' bei Leibe

Nicht unsanft um mit dem Weibe!

Zum Glück traf dich die Kugel nicht eh'r,

Als bis du dir hattest gnügliche Ehr' Erftritten in Mannesgeberden,

Jetzt kannst du ein Weib wieder werden.

Doch ich müßte mich schämen, ein Mann zu heißen, Wenn ich nicht wollte können führen das Eisen, Und wollte Weibern es gönnen, Daß sie führen es können!

Kleine Nachrichten.

Friedrich Rückert  .

Ein Wäschegeschäft in Frankfurt   a. M. zahlte in der ersten Hälfte vorigen Jahres den auswärts wohnenden Näherinnen für An­fertigen eines Dutzend Hemden 2 Mt., also pro Stück 164 Pfg. Zarte Besorgniß, die Arbeiterinnen fönnten bei derartig üppigem Verdienst der Schlemmerei und Völlerei verfallen, veranlaßte den Ge­schäftsinhaber, vergangenen Herbst den Lohn auf 1 Mt. 80 Pfg. herab­zusetzen. Doch bald erschien ihm auch dieser Verdienst noch als un­angemessen hoch, und so zahlt er gegenwärtig pro Dutzend Hemden nur noch 1 Mf. 50 Pfg., also für das Stück 12½ Pfg., sage und schreibe zwölf und einen halben Pfennig deutscher   Reichswährung! Daß die Näherinnen von dem Riesenverdienst den Nähfaden selbst kaufen müssen, versteht sich am Rande. Wer wäre auch ,, unverschämt" genug, einem nothleidenden, nicht auf seine Arbeit, blos auf den Entbehrungs­lohn" angewiesenen Kapitalisten die betreffende Ausgabe zuzumuthen? Dem Verdienste seine Krone, dem Lohnzwacker und Aushungerer sein Kommerzienrath, den Arbeiterinnen aber ihre Hungerpeitsche, bis sie zu dem Bewußtsein ihrer Klassenlage und Klassenpflicht er wacht sind.

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Zwei Stück der von den Gebrüdern Saurer in Arbon  ( Schweiz  ) in jüngster Zeit erfundenen Dampfstickmaschinen machen zusammen täglich 12000-15000 Stiche. Die Leistung zweier gewöhnlicher Stick­maschinen beträgt dagegen pro Tag höchstens 5500 Stiche. 3 wei Dampfstickstühle, für deren Bedienung wahrscheinlich ein Mädchen genügt, liefern also so viel Arbeit, wie sechs gewöhnliche Stick­maschinen, an denen sechs Sticker arbeiten. In einer vernünftig organisirten Gesellschaft würde die neue Erfindung eine Steigerung des allgemeinen Wohlstandes, eine Verminderung der allgemeinen Arbeitslast bedeuten. In der fapitalistischen Gesellschaft dagegen hat dieselbe für die Proletarier nur größere Armuth, härtere Versklavung mit Arbeit im Gefolge. Die Dampfstickmaschine macht eine große Anzahl menschlicher Arbeitskräfte überflüssig, Hunderte von Stickern und Stickerinnen fliegen aufs Pflaster, die Löhne der in der Stick­

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industrie noch beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen sinken und werden durch die Konkurrenz der brotlos gewordenen Kameraden noch tiefer gedrückt, der Ausfall am Verdienst soll durch eine Verlängerung der Arbeitszeit wett gemacht werden. Und während das Elend von Tausenden und Abertausenden von Stickern und Stickerinnen hoff­nungslos wächst, streichen die etlichen wenigen Besitzer von Dampf­stickstühlen vergnüglich schmunzelnd riesigen Gewinn ein, der ihnen ein noch schwelgerischeres, bequemeres und fauleres Leben ermöglicht als bisher. So lange die Maschine Besitzstück des Einzelnen bleibt, füllt sie auch nur dem Einzelnen Kisten und Kasten, schlägt sie der werkthätigen Masse das Stück Brot aus der Hand, verwandelt sich der industrielle Fortschritt in Arbeiterelend.

In Genf   beträgt gegenwärtig die Zahl der Studentinnen 86, von denen 9 Philosophie, 21 Naturwissenschaften und 56 Medizin studiren. Gegenwärtig studiren in Genf   allein so viele Frauen, wie 1884/85 in der ganzen Schweiz  . Die Thatsache ist ein unzweideutiger Beweis dafür, wie unwiderstehlich die bürgerliche Frauenwelt von dem Druck ihrer wirthschaftlichen Lage gezwungen wird, sich Berufs­zweige zu erobern, die bisher nur den Männern offen standen. Von den wirthschaftlichen Verhältnissen getrieben räumt die moderne Ent­wicklung mit souveräner Gleichgiltigkeit mit allen Vorurtheilen auf, mögen dieselben noch so altersgrau und darum Vielen besonders heilig sein.

Die französische   Kammer nahm in jüngster Zeit einen Gesetz­entwurf an, welcher den Arbeiterinnen das Wahlrecht für die Ge werbeschiedsgerichte verleiht. In Gemäßheit der Beschlüsse der beiden letzten Nationalkongresse der sozialistischen   Arbeiterpartei Frank reichs hatten die sozialistischen   Abgeordneten für die Arbeiterinnen sowohl das aktive, wie das passive Wahlrecht für die betreffenden Körperschaften gefordert. Die bürgerlichen Gesetzesschmiede konnten sich jedoch nicht dazu verstehen, Proletarierinnen mit dem gleichen Maß zu messen, mit dem in Frankreich   selbst, mit dem in England und Nordamerika   bürgerliche Frauen gemessen werden. Während in Frankreich   die Lehrerinnen in die öffentlichen Unterrichtsräthe sowohl wählen, wie gewählt werden können, während in England und den Vereinigten Staaten Grundbesitzerinnen und Frauen, die selbständig ein Handelsgeschäft betreiben, im Grafschaftsrath, in Handelsgerichten 2c. Sitz und Stimme haben, erhielten die französischen   Arbeiterinnen nur das Recht, in die Gewerbeschiedsgerichte wählen zu dürfen. Die französischen   Sozialisten werden dafür sorgen, daß die halbe Maß regel zu Gunsten der Arbeiterinnen die übrigens zu ihrer Ver wirklichung noch der Bestätigung durch den Senat bedarf zu einer ganzen wird. Immerhin bedeutet der Beschluß der französischen  Kammer, verglichen mit der Haltung des deutschen   Reichstags anläß lich derselben Frage, einen Fortschritt. Die deutschen   Reichsboten ließen und lassen sich eben angelegen sein zu beweisen, daß es nicht blos in Desterreich heißt: Immer langsam voran," und daß das Reich des Zopfes nicht nur in Asien   zu suchen ist.

In Nordamerika   ist, wie Frau Wilcor in St. Louis gelegent lich eines Vortrages anführte, seit 30 Jahren die Zahl der Industrie zweige, welche dem weiblichen Geschlecht offen stehen, von 10 auf 343 gewachsen. Die Zahl der in Amerika   thätigen Aerztinnen, welche noch vor wenigen Jahren nur 5 betragen hat, ist auf 2500 gestiegen. Nach dem letzten Zensus sind in der amerikanischen   Landwirthschaft 3 000 000 weibliche Lohnarbeiter beschäftigt, von denen 650 000 auf den Baumwoll-, Mais- und Reisfeldern des Südens arbeiten. In den Fabriken von Neu- England   allein schaffen 700 000 Lohnarbeiter innen, in der Stadt New- York   200 000. Durch die wirthschaftliche Entwicklung werden auch in den Vereinigten Staaten   die Frauen und Töchter der werkthätigen Masse mehr und mehr in industrielle und ländliche Berufsarbeiterinnen verwandelt.

Zentralverein der Fabrik- und Handarbeiterinnen Deutschlands  , Siz Wandsbeck. Die alljährliche Generalversammlung findet am Sonn tag den 24. April, Mittags 11% Uhr im Lokale des Herrn Ramm, Gänsemarkt, Hamburg  , statt. Tages- Ordnung: 1) Wahl der Mandatsprüfungs- Kommission, 2) Wahl der Revisions- Kommission, 3) Berichterstattung des Hauptvorstandes und des Ausschusses über ihre Thätigkeit im verflossenen Jahre, 4) Berichterstattung vom Ge werkschaftskongreß in Halberstadt  , 5) Eventuelle Statutenänderung 6) Wahl des Ortes, wo Hauptvorstand und Ausschuß ihren Siz haben. Der Hauptvorstand.

Der Frauenverein zu Delmenhorst  ( Oldenburg  ) hält jeden Mittwoch im Lokal des Herrn Einemann seine regelmäßigen Zusammenkünfte ab und bittet um zahlreichen Besuch.

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Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  . Druck und Verlag von J. p. w. Diez in Stuttgart  .