Am 12. April fand eine Mitgliederversammlung des Allge­meinen Arbeiterinnen- Vereins sämmtlicher Berufszweige Berlins   und Umgegend statt. Herr Zahnarzt Wolff hielt daselbst einen sehr in­teressanten, mit Beifall gelohnten Vortrag über Die Hygiene des Mundes." Nachdem Abrechnung über das letzte Vereinsvergnügen erfolgt war, machte Frau Fahrenwaldt bekannt, daß die nächste Generalversammlung der Organisation am 10. Mai stattfindet.

In Bremen   tagte am 17. April der Zentralverein deutscher Gärtner und änderte u. A. seine Statuten dahin ab, daß künftighin auch die in der Gärtnerei thätigen Hilfsarbeiter und Frauen 2c. in die Organisation aufgenommen werden. Sitz des Ausschusses Berlin  , des Vorstandes Hamburg  .

Die im Vergoldergewerbe beschäftigten Arbeiter und Ar­beiterinnen von Berlin beriethen am 19. April über Die Stellung­nahme zum 1. Mai" und beschlossen, sich in den einzelnen Wahlkreisen der von der sozialdemokratischen Partei veranstalteten Feier anzu­schließen.

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Der Fabrikarbeiterinnen- Verein zu Grabow   bei Stettin   hielt am 20. April eine Mitgliederversammlung ab, in welcher Frau Panz­ram einen Vortrag über Die Frauenfrage" hielt, der mit reichem Beifall gelohnt ward. An der lebhaften Diskussion betheiligten sich Frau Gampert und Frau Brust.

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In Weißenfels   tagte am 20. April der Verbandstag der deutschen   Kürschner. Nach sehr lebhaften Debatten für und wider beschloß derselbe u. A. die Statuten dahin abzuändern, daß auch den Arbeiterinnen, Hilfsarbeitern c. der Zutritt zu der Organisation möglich sei.

Der Verein zur Vertretung der gewerblichen Interessen der Frauen und Mädchen Hamburgs   hielt am 20. April eine Mit­gliederversammlung ab, in welcher Herr Hagge Bericht erstattete über den Halberstadter Gewerkschaftskongreß." Frau Laier berich­tete vom Gewerkschaftskartell und Frau Grunewaldt forderte zu reger Betheiligung an der Maimanifestation auf.

Am 20. April fand in Berlin   eine Mitgliederversammlung der Freien Vereinigung der in der Blumen- und Puzzfeder- Branche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen statt. Nach Erledigung der laufenden geschäftlichen Angelegenheiten sprach Herr Jahn über den ,, Werth des Lebens" und erntete für seine Ausführungen warmen Beifall.

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Das Veilchen  .

Von B. Dulet.

Das Veilchen erscheint mir im Frühlingstraum" heißt es im Mendelssohn'schen Liede und klingt so wehmüthig, wie ungestilltes Sehnen... Nicht Jedem dünkt der Lenz eine lachende Freuden­zeit, die nur Blüthen und Wonnen aus ihrem Füllhorne schüttet; gar Bielen   erscheint der warme Hauch, der die schwellenden Knospen sprengt, als eine Mahnung an ungenossenes Glück, an die früh­geknickten Triebe des eigenen Lebens.

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Und wenn es eine Blume giebt, rührender als die anderen, so ist es wahrscheinlich das Veilchen. Da blüht es so verborgen, so zeitig, daß noch kein Schmetterling geboren ist, der es küssen fäme... dabei ist es so reich an berauschendem Duft, daß es doch wahrhaft würdig wäre, bewundert und umflattert auf hohem Stiel zu prangen, und die glühenden Strahlen der Junisonne ein­zusaugen, statt unter märzlichen Schneeflocken begraben zu sein. Ein Bild so mancher liebreichen, empfindungstiefen Herzen, welche glücksbedürftig schlagen, und zu welchen nie ein Strahl der Lebens­sonne bringt.

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Violette war die Tochter einer Pariser Kunstreiterin, welche starb, als das Kind zehn Jahre alt war. Wie das schon mit Zirkuskindern so geht, hatte Violette seit ihrem sechsten Jahre Reit- und Trapezübungen machen müssen, aber durch ihre auf­fallende Talentlosigkeit und Unluſt beim Unterricht hatte sie sich manche harte Strafe zugezogen. Als sie einmal in ciner Pantomime erscheinen sollte und man ihr eben ein flitterbefäetes Kleidchen an­zog, setzte sie sich so heftig zur Wehr und verfiel in solche Wein­främpfe, daß man auf ihr Auftreten verzichten mußte.

Und doch war sie sonst ein folgsames, fleißiges Kind, wiß­und lernbegierig. Ihre besten Freunde im Zirkus waren ein schon alternder Clown, Namens Bernard, und dessen gelehrter Pudel Marco auch der Marcuslöwe genannt, weil er die Gewohnheit hatte, sich auf eine kleine Säule zu setzen, welche in den hinteren

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Im Fachverein aller in Buchbindereien und verwandten Be­trieben beschäftigten Arbeiterinnen von Berlin   hielt Herr Deter einen beifällig aufgenommenen Vortrag über Körperliche und geistige Prostitution." Frau Busse gab darauf den Geschäfts, Frl. Oldag den Kassenbericht, von denen der eine wie der andere das Gedeihen der Organisation bewies.

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In Altenburg   fand am 23. April eine Versammlung der im graphischen Gewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Herr Michel( Leipzig  ) über den Gewerkschaftskongreß, sowie über den Spezialfongreß der Delegirten des graphischen Ge­werbes zu Halberstadt  " berichtete. Die Versammlung erklärte in einer Resolution die Beschlüsse des Spezialfongresses für einen Fortschritt und beauftragte die Vorstände der in Altenburg   bestehenden Organi sationen des graphischen Gewerbes, in einer demnächst abzuhaltenden Versammlung Vorschläge zu machen behuss einer einheitlichen Organi­sation am Ort, zu der den Arbeiterinnen der Zutritt möglich ist. Die ordentliche Generalversammlung des Zentralvereins der Fabrit und Handarbeiterinnen Deutschlands  ( Siz Wandsbeck) fand am 24. April in Wandsbeck statt. Vertreten waren 15 Zahlstellen durch 10 Delegirte, welche zusammen ca. 1000 Mitglieder repräsen­tirten. Nachdem Bericht über die Geschäfts- und Kassenverhältnisse erstattet worden war, legte die Versammlung den bezüglich des Aus­schlusses der Frau Blohm und des Gegensatzes zwischen Vorstand und Ausschuß einerseits, der Zahlstelle Hamburg   andererseits herr­schenden Streit durch den Beschluß bei, Frau Blohm wieder als voll­berechtigtes Mitglied und die Zahlstelle Hamburg   I. als Filiale des Zentralvereins anzuerkennen. Frau Kähler erstattete darauf Be­richt über den Halberstadter Gewerkschaftskongreß" und beschränkte ihre Ausführungen auf die Verhandlungen des Spezialkongresses der nichtgelernten Arbeiter. Die Rednerin betonte, wie auf dem Letzteren allseitig gewünscht worden sei, die Fabrikarbeiterinnen möchten sich dem Verband der Fabrik, Hand und nichtgewerblichen Hilfsarbeiter anschließen, die übrigen Frauen und Mädchen aber eine Sektion der genannten Organisation bilden. In Folge der Begründung dieser Auffassung beschloß die Generalversammlung, daß nach Abänderung der Statuten die Leitung des Zentralvereins die nöthigen Schritte zu thun habe, um eine Verschmelzung derselben mit dem Verband der Fabrik, Hand und nichtgewerblichen Hilfsarbeiter zu bewerk­Räumen des Zirkus stand, und in dieser Stellung eine auffällige Aehnlichkeit mit seinem Namensvetter von der Piazetta zeigte.

Wenn nun Bernard seinem Pudel Unterricht in der Arith­metik, dem Dominospiel und der Buchstabirkunst gab( Marco konnte die Namen berühmter Feldherren aus dem vor ihm ausgebreiteten Alphabet hervorsuchen), so kam die kleine Violette immer still her­beigeschlichen, wohnte der Lektion bei, stellte dem Glown allerlei Fragen über die Bedeutung der Zeichen, und leinte Buchstaben und Ziffern viel schneller kennen als Marco selbst. Bernard be­merkte, daß die Kleine ungewöhnliche Lust zum Lernen hatte, und unterwies sie im Lesen und Schreiben. Wenn Marco nur einen Funken Ehrgefühl besaß, so mußte er sich gedemüthigt fühlen, daß schon nach wenigen Unterrichtsstunden seine kleine Mitschülerin die Namen Napoleon's  , Cäsar's und selbst Alexander's mit Leichtig­keit zusammenstellte, während ihm diese Aufgabe so viel durch Hunger und sanfte Prügel verschärfte Anstrengungen foftete. und

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Das Kind attachirte sich so sehr an seinen Lehrer umgekehrt daß als Violettes Mutter starb, Bernard die Ver­waiste in seine Arme nahm und zu den Umstehenden sprach: Von nun an bin ich dieses Kindes Vater." Die Kleine füßte ihn und rief unter Thränen: Ja, ja, Papa Bernard, Du bist mein Vater Vater und Marco ist mein Bruder, und ich habe Euch beide am liebsten!"

Nach einiger Zeit sagte Bernard einmal zu seiner Pflege­tochter:" Nun, Violette, jetzt wollen wir ein wenig arbeiten gehen!" " O ja, gern, Papa. Hast Du mir vielleicht ein neues Buch gebracht?"

Kein Buch, mein Kind, Du sollst eine Reitlektion nehmen und weil Monsieur Perrini so strenge ist und Dich immer weinen machte, so will ich selbst..."

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" O Papa," und das Kind lag schluchzend in seinen Armen, ich mag nicht reiten- ich kann nicht..."

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,, Willst Du denn keine Künstlerin werden wie Deine Mama?" ,, nein, nein! Die vielen Leute... mit den vielen Augen ich bin so furchtsam..."