Schulter mit den Männern in dem letzten heil'gen Krieg," wie es im Liede heißt, für die Befreiung der Arbeiterklasse zu kämpfen. Die Ein­müthigkeit und Begeisterung, mit welcher überall, wo werkthätige Arbeit unter dem Joche des Kapitals frohndet, die Proletarierinnen für den Achtstundentag eingetreten sind, ist ein guter Maßstab für die Höhe, zu der sich ihr Klassenbewußtsein und ihre Zielklarheit entwickelt haben.

In Deutschland   gaben die meisten Arbeiterinnen- Vereine durch festliches Begehen des Weltfeiertages ihren Willen kund, an der For­derung des Achtstundentages als Vorbedingung ihrer Befreiung fest zuhalten. Proletarierinnen drängten sich zu fast all den Versamm lungen und Festlichkeiten, welche seitens gewerkschaftlicher oder poli­tischer Organisationen veranstaltet worden waren. Ihre Haltung bewies allerwärts, daß sie dem Maifeiertage Verständniß und Sym pathie entgegenbrachten. Die Arbeiterinnen betheiligten sich in her­vorragender Weise an den Festzügen mehrerer Orte, deren Behörden die heutige Ordnung noch für so festgefügt erachteten, daß sie ihr gegenüber einer Straßenkundgebung des Proletariats nicht die zer­schmetternden Wirkungen der weiland Trompeten von Jericho zu­schrieben. Dies gilt vor Allem von Hamburg  , das überhaupt mit seinen 150 000 manifestirenden Arbeitern in Deutschland   an der Spitze der Maifundgebungen steht. In dem Festzuge bildeten die Organisationen der Proletarierinnen eine imposante, etwa 5000 Köpfe starte Gruppe. Auch in dem Zug der Lübecker   Arbeiter waren die organisirten Frauen in stattlicher Anzahl vertreten. In Schleswig   und Flens­ burg   sprach nacheinander Frau Steinbach( Hamburg  ) mit großer Gewandtheit und großem Erfolg vor Tausenden von Männern und Frauen über die Nothwendigkeit des Achtstundentages und der Or­ganisation der Arbeiter. Frau Farchim( Gera  ) referirte in Gößnitz  ( Altenburg  ) bei einer schönen Feier über den Achtstundentag und erntete für ihre zündenden Worte stürmischen Beifall. Frau Zetkin  sprach in Degerloch  ( Stuttgart  ) über die Bedeutung der Maifeier und des Achtstundentages und betonte den anwesenden Frauen und Mädchen gegenüber, wie ihr Klasseninteresse wie ihr eigener wohlver­standener Vortheil sie veranlassen müsse, in die Arbeiterbewegung ein­zutreten. In München   sollte Frau Ihrer in der Maifestversamm­lung zusammen mit dem Reichstagsabgeordneten v. Vollmar referiren. Die Polizei hielt es jedoch für gerathen Vorsicht ist der bessere Theil der Tapferkeit der rührigen Agitatorin für diesmal ihr Hetz handwerk" zu legen.( Siehe Kapitel über die Maßregelungen.)

-

"

Wie zu erwarten, haben sich Desterreichs klassenbewußte Prole­tarierinnen in hervorragender Weise an der Maifeier betheiligt. In Wien   war der Andrang zu der Arbeiterinnenversammlung so groß, daß das gewählte sehr geräumige Lokal die Menschenmenge faum fassen konnte. Frau Grubinger sprach in ebenso klarer wie hin reißender Weise über den Achtstundentag; Frau Dworczak begründete in energischer, trefflicher Rede die Nothwendigkeit, den Frauen poli­tische Rechte zu verleihen, damit die Arbeiterinnen das Koalitionsrecht frei ausüben und an dem Klassenkampf auf politischem Gebiete theil­nehmen können. In hellen Schaaren zogen später die Arbeiterinnen dem Prater zu, um an der allgemeinen Kundgebung des Wiener   Pro­letariats theilzunehmen. In Prag   fand gleichfalls eine besondere Arbeiterinnenversammlung statt, welche sehr zahlreich besucht war; die Betheiligung der Frauen an den Nachmittagsfeiern war eine rege und begeisterte.

In England haben die Arbeiterinnen in größerem Umfange als je zuvor an der Maifeier theilgenommen. Sehr beträchtlich war die Zahl der Frauen bei der Riesendemonstration der Londoner   Arbeiter im Hyde Park, welche das unmöglich Scheinende möglich gemacht und die vorjährige Kundgebung an Großartigkeit bedeutend übertroffen hat. Sogar bürgerliche Blätter schätzen die manifestirende Menge auf rund eine halbe Million ab und verhehlen keineswegs den tiefen Ein­druck, den die Rundgebung mit ihrem ruhigen, geordneten, imposanten Charakter hervorgebracht hat. In dem schier endlos scheinenden Zuge, welcher sich Hyde Park zuwälzte, waren viele Gewerkvereine von Ar­beiterinnen, sowie gemischte Organisationen vertreten. Durch die Statt­lichkeit der betreffenden Gruppen fielen besonders auf die der Zündholz­macher Union angehörenden Arbeiterinnen, die Union   der Wäscherinnen, die der Tau- und Segelmacher- Union angehörenden Arbeiterinnen 2c. 2c. Den Gewerkvereinen der Arbeiterinnen war eine besondere Plattform ( Rednertribüne) eingeräumt worden, von der herab mehrere Rednerinnen in kräftigen Ansprachen den Achtstundentag forderten und nachwiesen, daß die Sache der Arbeiter und Arbeiterinnen die gleiche sei. Die um diese Plattform Versammelten nahmen folgende Resolution an: ,, Die in manchen Gewerben üblichen langen Arbeitsstunden führen sowohl moralisch wie förperlich zu argen Mißständen; es ist Pflicht aller Frauen, Mitglieder der Gewerkvereine ihrer resp. Industriezweige zu werden, und es ist nothwendig, daß alle Gewerkvereine der Arbeiterinnen von nun an zufammenwirken, damit die Zahl der Arbeitsstunden vermindert wird."

86

"

Eine der beiden Plattformen, welche der Liga für den gesetzlichen Achtstundentag" angewiesen worden, trug einen durchaus internationalen Charakter, da hier Vertreter des deutschen  , österreichischen, französischen, spanischen, polnischen, russischen, jüdischen Proletariats anwesend waren, die klassenbewußten Arbeiter anderer Länder waren durch Adressen und Telegramme repräsentirt. Auch im Namen der deutschen   Arbeiter­innen hatte die Liga eine Adresse erhalten. Der Vorsitzende auf der erwähnten Plattform hob hervor, daß der Sozialismus die Befreiung Aller, ohne Unterschied der Nationalität oder des Geschlechts erstrebe. Frau Cuninghame Graham, eine geborene Spanierin, vermittelte den englischen Arbeitern einen Brudergruß seitens der klassenbewußten spanischen   Proletarier; Frau Kautsky   begrüßte im Namen der öster­reichischen Arbeiterpartei die englischen Manifestanten; Frau Mary­Aveling führte aus, daß das englische Proletariat nicht blos mani­festiren, daß es handeln und seine Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen müsse. Von der Energie der Arbeiterklasse allein hänge es ab, ob man nach den nächsten Wahlen den gesetzlichen Achtstundentag erhalten werde oder nicht.

In allen Gemeinden Frankreichs   mit einziger Ausnahme von Paris   fielen die Gemeinderathswahlen mit der Maifeier zusammen. Das Proletariat der Provinz manifestirte deshalb durch Abgabe von Stimmzetteln zu Gunsten sozialistischer Kandidaten. Diese Form der Manifestation schloß die unmittelbare Betheiligung der Frauen aus, die jedoch mittelbar in vielen Industriezentren durch rege Propaganda für die Sozialisten viel zum Gelingen der Kundgebung beigetragen haben. Wo außerdem Umzüge, Versammlungen, Festlichkeiten statt­fanden, betheiligten sich die Proletarierinnen in großer Anzahl an denselben. Fourmies' proletarische Frauenwelt, welche das Gemetzel des vorigen Jahres nicht vergessen, stellte begeisterte Schaaren zu den Manifestanten. Lafargue betonte in seiner Rede nachdrücklich, daß es Aufgabe der Frauen sei, ihre Gatten und Brüder zu strenger Er­füllung ihrer proletarischen Klassenpflichten anzuhalten.

Die Behörden würden ihren Beruf verfehlt haben, hätten sie nicht durch Maßregelungen auf das rührige Leben geantwortet, das sich, je näher der erste Mai rückte, in der Welt der zielbewußten Arbeiterinnen äußerte. Am 24. April ward in Berlin   eine Ver­sammlung des Allgemeinen Arbeiterinnen- Vereins aufgelöst, weil die­selbe auf eine halbe Stunde vertagt worden war. Der vor kurzer Zeit gegründete, aber fräftig gedeihende Bildungsverein für Frauen und Mädchen Düsseldorfs ward am 28. April vorläufig polizeilich geschlossen. Grund: in der letzten Mitgliederversammlung war ein Antrag bezüglich der Betheiligung an der Maifeier gestellt worden. Obgleich der Antrag abgelehnt wurde, folgerte eine hohe löbliche Polizei aus dem Umstand, daß er überhaupt eingebracht worden, der Verein beschäftige sich mit Politik und stellte dieser zum mindesten kühnen, sehr kühnen Auffassung entsprechend Strafantrag. In München   ward den Frauen der Zutritt zu der Versammlung ver­boten, in welcher Frau Ihrer sprechen sollte, so daß in der Folge das Referat der genannten Vorkämpferin der Arbeiterinnenbewegung unterblieb. In Schwabach  ( Bayern  ) verbot in letzter Stunde die Polizei den Frauen den Zutritt zu der Maifeierversammlung; in vielen anderen Orten noch waren die Frauen in Folge behördlichen Einschreitens vom Besuch der Versammlungen, ja hier und da sogar von der Betheiligung an Festlichkeiten ausgeschlossen.

--

Desterreichischer Frauentag.

-

Von Frau Ottilie Turnau in Wien   geht uns der folgende Aufruf zu mit dem Bemerken, daß die Veranstalter des bevorstehenden österreichischen Frauentags wünschen, auf demselben auch die Kreise der deutschen   Arbeiterinnen vertreten zu sehen. Die Einberufung eines internationalen Frauentags ist leider auf Grund der öster­reichischen Gesetze ein Ding der Unmöglichkeit.

Indem die geschichtliche Entwicklung die Klassengegensätze auch innerhalb der Frauenwelt zum schroffsten Ausdruck gebracht hat, mußte sie die Folge zeitigen, daß sich das Streben der Frauen für Befreiung und gesellschaftliche Gleichberechtigung in zwei Strömungen äußert: in derjenigen der bürgerlichen Frauenrechtlerei und in der einer sozialistischen   Arbeiterinnenbewegung. Die erdrückende Mehr­zahl des weiblichen Geschlechts, mindestens 90 Prozent desselben, kann die Befreiung nicht auf Grund der Verwirklichung der frauen­rechtlerischen Forderungen innerhalb der heutigen Gesellschaft finden, sie muß dieselbe vielmehr auf dem Boden des Klassenkampfs durch Eintreten für das sozialdemokratische Programm erringen. Die Prole tarierinnen können und dürfen ihre Bestrebungen nicht von denen ihrer männlichen Klaſſengenossen trennen, sie dürfen sie nicht als besondere " Frauenbewegung" der allgemeinen Arbeiterbewegung entgegenstellen.