-Der Bildungsverein für Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes zu Elberfeld   hörte in seiner Versammlung vom 22. Juni einen hochinteressanten Vortrag des Herrn Bergmann über Himmels funde," der durch optische Darstellungen besonders anschaulich und verständlich gemacht und mit reichem Beifall gelohnt wurde.

-In einer gutbesuchten Versammlung der freien Vereinigung aller in Buchbindereien, Karton, Lederwaaren- und Luxuspapier­fabriken beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen von Berlin   sprach Frl. Baader am 22. Juni unter reichem Beifall über Die Gleich­berechtigung der Geschlechter." Die Versammlung nahm darauf eine Berichterstattung entgegen über die Unterhandlungen mit dem Fach­verein der Buchbinder, die Auflösung beider Vereine und die Grün­dung einer einzigen großen Organisation betreffend, der auch die Arbeiterinnen angehören können. Die Versammlung erklärte, den betreffenden Beschlüssen beizustimmen.

Frl. Wabnitz hielt am 25. Juni in einer Versammlung des Allgemeinen Arbeiterinnenvereins sämmtlicher Berufszweige Berlins  und Umgegend einen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag über das Thema: Sitte und Scham." Aus der Mitte der Versammlung lief ein Antrag ein, der Verein möge Hemden und Jäckchen für aus der Charité entlassene Kinder kaufen, deren Mütter die betreffenden Klei­dungsstücke nicht anzuschaffen vermöchten, wie dies öfters der Fall sei. Dem Antrag entsprechend ward eine Liste behufs Einzeichnung freiwilliger Beiträge zu dem Zwecke aufgelegt. Dieselbe soll dem Hauptvorstand unterbreitet werden, welcher das Weitere veranlassen und Sammlungen in den Filialversammlungen veranstalten soll.

Der Verband der Vergolder und Vergolderinnen Berlins  hielt Ende Juni seine regelmäßige Monatsversammlung ab, welche sich mit dem von den Hamburg  - Altonaer   Kollegen gegen die Soli­darität" herausgegebenen Flugblatt beschäftigte. Die Versammlung erklärte sich mit demselben einverstanden und für Abschaffung der ,, Solidarität," mußte aber einen definitiven Beschluß in der An­gelegenheit der Urabstimmung überlassen. Hierauf kritisirte Herr Späthe den Indifferentismus der Vergolderinnen, die trotz ihrer Hungerlöhne und der abgeänderten Verbandsstatuten nur in un­genügendem Umfange der Organisation beitreten.

-In Wien   hielt der Arbeiterinnenbildungsverein am 16. Juni eine außerordentliche Generalversammlung ab, in welcher Frl. Dwor­schat eine Statutenabänderung beantragte, die angenommen ward. Laut des neuen Statuts dehnt sich der Wirkungskreis des Vereins nun auf ganz Niederösterreich   aus; die Zahl seiner Ausschußmitglieder ist vermehrt worden, seine Generalversammlungen sind bei Anwesenheit eines Fünftels der Mitglieder beschlußfähig, es erfolgt Anschluß der Organisation an einen Verband. Herr Wutschel zeigte in einem Vortrag über Unsere Bestrebungen," daß ein Zusammengehen aller Arbeitenden ohne Unterschied des Geschlechts nöthig sei; für die Frauen forderte er gleiche Rechte und Pflichten mit den Männern.

In Budapest   fand am 19. Juni eine sehr gut besuchte Ver­sammlung der Posamenterie und Schnürmacher- Arbeiter und Arbei­terinnen statt, in welcher Herr Feldmann in ungarischer, Herr Schwarz in deutscher Sprache über Die gewerkschaftliche Organi­sation" referirten. Beide Redner betonten die Nothwendigkeit, die Arbeiterinnen in die zu gründende Organisation einzubeziehen, dahin zu wirken, daß diese für gleiche Leistung gleichen Lohn mit den Männern erhielten, überhaupt denselben völlig gleichgestellt würden.

Seit 1. Juli erscheint in Brünn   unter dem Titel Zensky List"( Frauenblatt) eine Arbeiterinnenzeitung in tschechischer Sprache. Glück und Erfolg dem neuen Kämpfer, dessen Erstehen ein erfreu­liches Anzeichen dafür ist, daß die tschechischen Proletarierinnen zum Klassenbewußtsein erwachen und, um das Banner des Sozialismus geschaart, in Reih und Glied des kämpfenden Proletariats treten.

-

In London   haben sich die in der Marmeladefabrik von Pink beschäftigten sechzig Arbeiterinnen der Konditor- Union an­geschlossen. Veranlaßt wurden sie dazu durch einen Streif, in den sie wegen Lohnreduktion getreten waren. Leider ist ihr Ausstand aussichtslos, da andere Arbeiterinnen die Rolle von Streifbrecherinnen spielen. Ein Wink, wie noth es thut, die Frauen möglichst voll­zählig den Organisationen zuzuführen.

Frau Kähler( Wandsbeck) referirte vor einiger Zeit in Wesselburen   über das sozialdemokratische Parteiprogramm. Bei dem Punkte: Unentgeltliche Rechtspflege" soll sie u. A. gesagt haben, Parteigenossen würden auf die Aussage eines Polizeibeamten hin verurtheilt, möge dieselbe wahr sein oder nicht; ferner soll sie die Anwesenheit dreier uniformirten Beamten in der Versammlung ge­rügt haben. Diese fühlten sich durch die angeblich von Seiten der Referentin gefallenen Aeußerungen beleidigt und erstatteten den vor­gesetzten Behörden Mittheilung. Frau Kähler hatte sich deshalb vor dem Wesselburer Schöffengericht zu verantworten. Da die betreffenden

118

Beamten unterdessen versetzt worden sind, so wurden ihre kommissarisch vernommenen und zu Protokoll gegebenen Aussagen verlesen. Frau Kähler bestritt, die inkriminirten Aeußerungen gethan zu haben und verlangte Verlesung des betreffenden Versammlungsprotokolls. Ihrem Ersuchen wurde nicht Folge gegeben, auch wurden von den vor­geschlagenen acht Entlastungszeugen nur zwei vernommen. Die An­geklagte ward zu einer Woche Gefängniß, Tragung der Gerichtskosten und Urtheilspublikation in den Izehoer Nachrichten" verurtheilt. Wir Deutsche   sind bekanntlich vor dem Gesetz alle gleich und wer's nicht glaubt, zahlt einen Thaler!

Die Polizei von Erfurt   ordnete an, daß sich aus einer öffentlichen Volksversammlung, welche daselbst am 25. Juni stattfand, alle Frauen entfernen mußten. Bekanntlich ist die Anwesenheit von Frauen nur bei Versammlungen politischer Vereine verboten, aber die Polizei darf sich, sobald es sich um Proletarier und Proletarierinnen handelt, den Lurus erlauben, sich über das Gesetz zu stellen.

Bur Frage weiblicher Kandidaturen.

Der Mailändische Arbeiterbund" hat in letzter Zeit beschlossen, bei den nächsten Kammerwahlen auch die Kandidatur einer Frau aufzustellen. Da das weibliche Geschlecht auch in Italien   von dem aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen ist, so soll der Beschluß eine Demonstration bedeuten für die Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne. Kann aber eine derartige Demonstration unter den gegebenen Verhältnissen ihren Zweck erfüllen, fördert sie die Sache der Frauenbefreiung?

Diese Frage beantwortet in trefflicher Weise eine bekannte Vor­fämpferin der Befreiung des weiblichen Geschlechts und des Prole­tariats, Frau Dr. Kulischoff. Wir lassen untenstehend ihre Ausführ ungen folgen, die in der Critica sociale  " enthalten sind, dem wissen­schaftlichen Organ der italienischen Sozialisten, das sich in letzter Zeit eingehend mit der Frauenfrage beschäftigte.

Die Frage der weiblichen Kandidatur ist für uns gegenwärtig ohne aktuelle Bedeutung. Allein gerade unter den Frauen, die an­fangen nach einer gleichberechtigten sozialen Stellung zu streben, giebt es viele, deren gerechtfertigter Drang nach Befreiung größer ist als ihre Einsicht in das gesellschaftliche Getriebe, deren begreifliche Un­geduld, ihre Ideale verwirklicht zu sehen, ihrem Ueberblick über die thatsächlichen Verhältnisse nicht die Wage hält. Nur zu leicht sind diese geneigt, den Pflug vor die Ochsen spannen zu wollen und der Arbeiterbewegung Lauheit und Flauheit der Sache der Frauenbefreiung gegenüber zum Vorwurf zu machen, weil diese nicht demonstrativer für dieselbe eintritt. Gerade sie werden den Artikel der Critica sociale  " mit Interesse und Nutzen lesen. Die betreffenden Ausführungen verdienen um so mehr Beachtung, als sie der Feder einer Frau ent­stammen, welche jener auserlesenen Schaar von Russinnen   angehört, die, ein leuchtendes. Beispiel für ihr Geschlecht, seit mehr als zwei Jahrzehnten auf der Bresche stehen für die Befreiung der Frau und die Befreiung des werkthätigen Volks.

Sollen Frauen als Wahlkandidatinnen aufgestellt werden?"

-

-

Diese Frage hat zur Zeit in Italien   aktuelle Bedeutung er­langt, obwohl gerade hier in der Frauenbewegung keine Fortschritte gemacht werden. Wie ist das zu erklären? Geht die Initiative zur Wahlkandidatur von Frauen vielleicht aus wie dies bereits in England und Amerika   geschehen von den Kerntruppen des weiblichen Proletariats der Kopfarbeit, von der Zahl jener Frauen, die es als Beamte, Lehrerinnen, Verkäuferinnen an ihren eigenen Hungerlöhnen und an den schlechten Arbeitsbedingungen ganz besonders empfinden, wie nachtheilig für ihr Geschlecht die untergeordnete Stellung ist, die dieses vor dem Gesetz, im politischen und sozialen Leben einnimmt? Oder geht die Initiative aus von den organisirten Industriearbeiter­innen? Haben diese mit einem Male an Stärke und Zahl so zu­genommen, daß sie zielbewußt und als Verbündete der Arbeiter an­fangen für die Bourgeoisie sehr gefährlich zu werden?

Weder das eine, noch das andere trifft für Italien   zu, so daß im ersten Augenblick die Frage der Kandidatur von Frauen wie ein Räthsel erscheint. Von wem geht nun die Anregung dazu aus? Es ist der Arbeiterbund von Mailand  , welcher auf seine Kandidatenliste für die nächsten Wahlen eine Frau gestellt hat, um dadurch zu zeigen, wie weit er in seinen Zielen strebt."

"

Leicht begreiflich. Die Organisation, welche sich in Italien   zuerst auf den Boden des Klassenkampfes stellte, will auf diese Weise zeigen, daß dem Proletariat zum Bewußtsein gekommen ist, wie schwierig der Sieg im Klassenkampfe sein würde ohne Mithilfe der Frau, die alle Dualen dulden muß, welche der Arbeiter duldet; ohne die Frau, die man mit Recht als Paria unter den Parias bezeichnen kann. Man