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schloß sich eine Diskussion, in der sämmtliche Redner die Noth­wendigkeit betonten, die Arbeiterinnen aufzuklären und zu organisiren. Frau Kähler( Wandsbeck) sprach in Gaarden bei Kiel   in einer sehr zahlreich besuchten Volksversammlung unter reichem Beifall über Die heutige Produktionsweise." Die Rednerin schilderte an­schaulich die zahlreichen sozialen Uebel, welche durch die kapitalistische Produktionsweise erzeugt werden, und die nur mit ihr zusammen durch Verwirklichung der sozialistischen   Forderungen verschwinden können. Die Versammlung erklärte in einer Resolution, für dieselben, sowie für gleiches Recht für Alle, ohne Geschlechtsunterschied mit allen gesetzlichen Mitteln eintreten zu wollen.

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Anfang Juli sprach Frl. Wabniß zu Berlin   in einer öffentlichen Versammlung der Militär- und Lieferungsschneider über Die Gottes- und Königsidee." Ihr Vortrag ward mit lebhaftem Beifall anfgenommen.

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Eine öffentliche Versammlung sämmtlicher in der Bekleidungs industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen von Hamburg  hörte am 1. Juli ein Referat des Herrn Sabath über Die Stellung­nahme zum Industrieverband der in der Bekleidungsindustrie be schäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen." Die Versammlung stimmte in Anschluß an die Ausführungen des Redners einem Antrag zu, der sich zu Gunsten der Gründung von Kartellverträgen erklärte.

-In Hamburg   fand am 1. Juli eine öffentliche Versammlung der Binder und Binderinnen statt, welche sich mit der Frage be­schäftigte: Die Sonntagsruhe in den Blumengeschäften." Verschiedene Redner berichteten über Kniffe seitens der Prinzipale, die Sonntags­ruhe illusorisch zu machen, und die Anwesenden beschlossen, in einer weiteren Versammlung die zu unternehmenden Schritte zu thun be­hufs Sicherung der Sonntagsruhe.

In Krempe fand am 3. Juli eine sehr gut besuchte Volks­versammlung statt, in welcher Frau Kähler in trefflicher Weise über das Thema referirte: Die Frau und der Sozialismus." Reicher Beifall folgte ihren Ausführungen.

Am 3. Juli fand in Klein- Schönebeck eine Volksversammlung statt, in welcher Reichstagsabgeordneter Stadthagen   einen Vortrag hielt und u. A. die Sünden geißelte, welche sich das Unternehmerthum, das grundbesitzende wie das industrielle, den Arbeitern gegenüber zu Schulden kommen lasse. Frau Wartmann richtete an die anwesenden Frauen die Mahnung, sich der Sozialdemokratie anzuschließen.

Frau M. Kunert hielt am 3. Juli in einer sehr zahlreich besuchten Frauenversammlung zu Breslau   einen ausgezeichneten

Die Nachbarn.

Ein Märchen von Schtfchedrin. Aus dem Russischen von N. T.

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( Schluß.)

" So, Herzensbruder," sagte er zu Jwan dem Armen,

Dank der obersten Gewalt habe ich von meinem Herzen einen schweren Stein gewälzt. Von nun an werde ich versuchsweise Dir gegenüber keine Vorrechte mehr haben. Nimmt man aus Deiner Familie einen Nefruten, so nimmt man auch einen aus der meinigen; stellst Du ein Fuhrwerk, so muß ich auch eins stellen; zahlst Du einen Groschen Steuer von der Deßiatine, so zahle ich gleichfalls einen. Nun paß auf, nun wirst Du im Handumdrehen jeden Tag Fleisch in der Kohlsuppe haben."

Jwan der Reiche sagte das und reiste, von den freudigsten Hoffnungen erfüllt, in die warmen Bäder. Dort verweilte er zwei bis drei Jahre, die er in nüßlichem Müssiggang" verlebte.

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Er war in Westfalen   und speiste dort westfälischen Schinken; er war in Straßburg   und schmauste dort Straß­burger Gänseleberpasteten; er war in Bordeaux  - und trank dort Bordeaurwein; endlich kam er nach Paris  - und hier, wie überall, und trank er das Beste. Mit einem Wort, er lebte so heiter und guter Dinge, daß er sich kaum loszureißen vermochte, um in die Heimath zurückzukehren. Und die ganze Zeit über dachte er au Iwan den Armen und sagte sich:" Der muß doch jest nach unserer Gleichstellung mit vollem Munde essen!"

Jwan der Arme verbrachte unterdeß seine Zeit mit Arbeit. Heute pflügte er sein Grundstück, morgen eggte er es; heute mähte er eine Osmina Wiese, morgen, wenn Gott   heiteres Wetter schickte, trocknete er das Heu. Den Weg zur Schänke vergaß er ganz, denn er wußte, daß sie sein Verderben sei. Sein Weib, Marja Iwanowna, arbeitete mit ihm: sie schnitt Getreide, sie eggte, wendete das Heu und spaltete Holz. Die Kinderchen wuchsen unterdessen

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Vortrag über Die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft." Die Rednerin kritisirte eingehend die unwürdige Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft und widerlegte schlagend die gegen ihre Emanzipation erhobenen Einwände. Darauf kennzeichnete sie den Standpunkt der Sozialdemokratie und der proletarischen Frauen­bewegung gegenüber der Bewegung der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen. Die Referentin wies nach, daß die bürgerliche Frauenemanzipation nichts anderes bedeute, als Entfesselung der Konkurrenz der Frauen gegen die Männer, während die proletarische Frauenbewegung die Konkurrenz zwischen Mann und Frau beseitigen wolle durch das einzige wirksame Mittel: die Beseitigung der kapitalistischen   Pro­duktionsweise. Sozialdemokratie und Arbeiterinnenbewegung stehen trotzdem der bürgerlichen Frauenbewegung nicht feindlich gegenüber, sondern sympathisiren mit vielen ihrer Forderungen. Ausführlich schilderte Frau Kunert darauf die Stellung der Frau in der In­dustrie nebst ihren Folgen, und nachdem sie noch die sozialpolitisch rechtlose Stellung des weiblichen Geschlechts einer scharfen Kritik unterzogen, schloß sie ihre Ausführungen mit der Mahnung, die Frauen müßten sich den klassenbewußten Arbeitern anschließen, um ihr Recht zu erkämpfen. Reicher Beifall folgte dem Vortrag. Die Referentin erstattete darauf Bericht über den Statutenentwurf, bezw. die Gründung eines Arbeiterinnenvereins aller Berufszweige für Breslau   und Umgegend. In die zirkulirenden Listen zeichneten sich sofort 110 Frauen und Mädchen als Mitglieder ein.

In Altona   fand am 6. Juli eine öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen statt, in welcher Herr Martikke ( Hamburg  ) in gediegener Weise über das Thema sprach: Der Werth der Arbeit und der Organisationen." Bezüglich des zweiten Punktes der Tagesordnung: Stellung der Versammlung zum Kongreß" ward beschlossen, den Antrag auf Ueberweisung des Streiffonds an den Verband zu stellen und weitere Beschlüsse des Kongresses nicht anzu­erkennen.

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In einer öffentlichen Versammlung der Handelsgehilfen und Gehilfinnen von Berlin   sprach Herr Türk am 7. Juli unter leb­haftem Beifall über das Thema: Die Enquête der Reichskommission über die tägliche Arbeitszeit im Handelsgewerbe und die Berliner  Konferenz." Der Redner wies nach, daß angesichts der bedeutenden Zahl stellenloser Gehilfen und Gehilfinnen eine Verkürzung der oft 13 und 14stündigen Arbeitszeit und die Beseitigung der Lehrlingszüchterei nöthig sei. Die für den 11. September d. J. nach Berlin   einberufene Konferenz der Handelsgehilfen und Gehilfinnen, welche auch seitens heran und wetteiferten mit einander, um den Eltern bei der Arbeit zu helfen. Mit einem Wort, die ganze Familie ruhte nicht vom frühesten Morgen bis zum späten Abend, und dennoch hatte sie immer nur Kohlsuppe ohne Fleisch auf dem Tisch. Denn seitdem Jwan der Reiche verreist war, wurden Jwan dem Armen selbst an Feiertagen keine Ueberraschungen mehr zu Theil.

Wir haben immer Pech," sagte der Aermste zu seinem Weib, ich bin nun versuchsweise in allen Lasten Iwan dem Reichen gleichgestellt, und troßdem leiden wir immer noch die frühere Noth."

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Jwan der Reiche konnte nur Ach!" ausrufen, als er Iwan den Armen in der früheren Armuth wiederfand. Offen gestanden war sein erster Gedanke, daß Jwaschka all sein überschüssiges Geld in die Schenke trage. Ist das Trinken wirklich bei ihn so tief eingewurzelt? Ist er wirklich unverbesserlich?" rief der Menschen­Allein es fiel Iwan dem Armen freund in tiefer Bestürzung aus. nicht schwer, seinem Nachbarn zu beweisen, daß sein überschüssiges Geld nicht einmal hinreiche, Salz, geschweige denn Wein zu kaufen. Daß er übrigens kein Vergender, fein Verschwender war, das konnte er klar beweisen. Iwan der Arme zeigte sein Wirthschaftsinventar; Alles war noch da und befand sich in demselben Zustande, wie vor der Abreise Jwans des Neichen in die warmen Bäder: ein lendenlahmes braunes Pferd, eine schwarzbraune Kuh, deren Haut einen Brandfleck hatte, ein Schaf, ein Leiterwagen, ein Pflug, eine Egge; sogar der alte Lastschlitten stand gegen die Hecke gelehnt, ob­gleich er im Sommer nicht gebraucht wurde und folglich ohne Schaden für die Wirthschaft in der Schenke verpfändet werden konnte. Dann wurde die Hütte visitirt, und auch da war Alles in Ordnung, nur im Dach fehlte stellenweise das Stroh, aber dies auch nur aus dem Grunde, weil im vorlegten Frühjahr das Futter ausgegangen war, und für das Vieh verfaultes Stroh geschnitten werden mußte.

Kurz, es lag auch nicht eine einzige Thatsache vor, die Jwan den Armen der Demoralisation oder der Verschwendung geziehen