der Hausdiener beschickt werden würde, verfolge den Zweck, auf Grund des Vertrauensmännersystems die Organisation der genannten Proletarier auszubauen und die Gründung eines gemeinsamen Organs für dieselben herbeizuführen. Zustimmungsschriften aus vielen größeren Städten Deutschlands   seien eingelaufen. Organisation und Blatt würden für die obengenannten Forderungen fämpfen, ferner auf die Schaffung eines Gewerbegerichts für Handelsbeslissene hinarbeiten, mittels Fragebogen eine Enquête führen. über Zahl der Angestellten und Lehrlinge, sowie der täglichen Arbeitsstunden. Obgleich mehrere Redner vom freisinnigen Standpunkt aus gegen die Ausführungen sprachen, nahm die Versammlung doch fast einstimmig ihr entsprechende Anträge an, wählte eine Agitationskommission, einen Vertrauensmann, mehrere Delegirte 2c. In der im September stattfindenden Konferenz soll auch eine Handelsgehilfin als Delegirte gewählt werden.

In Berlin   fand am 7. Juli eine öffentliche Versammlung der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Herr Zubeil über das Thema sprechen sollte: Die bevorstehende Einführung der Gewerbeschiedsgerichte." Die Versammlung sollte sich ferner mit der Nominirung der Kandidaten zu den Wahlen der Arbeiterbeisitzer des Schiedsgerichts befassen und sich eventuell über die Wahl eines Delegirten zu dem am 7. August in Amsterdam   stattfindenden inter­nationalen Kongreß der Tabakarbeiter schlüssig machen. Herr Zubeil machte darauf aufmerksam, daß das betreffende Statut noch nicht von den Behörden gebilligt worden sei, weiter, daß sich öffentliche Volksversammlungen mit der Nominirung der Kandidaten befassen sollten. Die Versammlung nahm in der Folge Abstand von der Nominirung der Kandidaten, sowie von dem angezeigten Vortrag. Da der Vertrauensmann der Organisation auf dem internationalen Kongresse anwesend sein muß, so verzichtete die Versammlung angesichts der schlechten Geschäftslage auf die Entsendung eines weiteren Delegirten.

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Eine öffentliche Versammlung der Arbeiter und Arbeiter­innen der Blumen- und Putzfederbranche von Berlin   hörte am 11. Juli einen Vortrag des Herrn Hoffmann über das Thema: , Entstehung und Entwickelung des Eigenthums." In der folgenden Diskussion wurden Angaben über die in der Branche herrschenden Lohn­und Arbeitsverhältnisse gemacht, die derartige sind, daß sie die Arbeiter­innen der Prostitution in die Arme treiben müssen. Der Anschluß an die Organisation ward den Anwesenden dringend ans Herz gelegt. Herr Rob. Schmidt sprach am 13. Juli in einer öffent­lichen Versammlung der in den Musikinstrumenten- Fabriken von Berlin  beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen über das Thema: Wirth­

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hätte. Er war ein echter gedrückter russischer Bauer, welcher sich redliche Mühe gab, durch Arbeit sein Recht auf die Existenz zu verwirklichen. Nur wollte ihm dies offenbar in Folge eines bitteren Mißverständnisses- nicht recht gelingen.

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Gott mein Herr! woher mag das wohl kommen?" seufzte Jwan der Reiche, man hat uns ja schon gleichgestellt, wir haben die gleichen Rechte, wir haben auch die gleichen Lasten, und dennoch kommt für Dich kein Vortheil dabei heraus, woher mag das wohl kommen?"

Auch ich denke: woher mag das wohl kommen?" antwortete Jwan der Arme niedergeschlagen.

Iwan der Reiche fing an zu grübeln und zu grübeln und selbstverständlich fand er endlich, woher das kommt." Es fehlte an der öffentlichen wie an der privaten Initiative. Die Gesellschaft ist gleichgiltig, von den Privatleuten denkt Jeder nur an sich selbst; die Herrscher geben sich zwar alle Mühe, die Sache zu bessern, aber vergeblich. Folglich muß man zuerst die Gesellschaft anspornen, daß sie die Initiative zu einer Besserung der Verhältnisse ergreift.

Wie gesagt, so gethan. Jwan Semenitsch der Reiche ver sammelte die Einwohner des Dorfes und hielt vor allen Bauern eine glänzende Rede über die öffentliche und private Initiative. Er sprach ausführlich, fließend und überzeugend, als ob er Perlen vor die Säue werfen wollte. Er bekräftigte seine Rede durch den Hinweis darauf, daß nur eine solche Gesellschaft die Bürgschaft für Gedeihen und Lebensfähigkeit besige, welche sich selbst zu helfen wisse; daß dagegen eine Gesellschaft, welche die Dinge gehen lasse, wie sie gehen, ohne in deren Verlauf einzugreifen, sich selbst zu lang samem Verfall und zu schließlichem Untergang verdamme. Kurz und gut, Alles was Jwan der Reiche aus der Pfennigfibel über die Frage herausgelesen hatte, das tischte er seinen Zuhörern ungeschmälert auf.

Die Resultate übertrafen seine Erwartungen. Den Dörflern ging ein Licht auf, und Selbstbewußtsein erfüllte ihre Seelen.

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schaftlicher Aufschwung und wirthschaftliche Krisen." Die Versamm­lung beschloß nach Schluß des beifällig aufgenommenen Referats, daß in Zukunft jeder der drei Bezirke der Organisation in öffentlicher Versammlung eine eigene Werkstatt- Kontrol- Kommission wählen solle. Am 13. Juli fand in Berlin  ( Moabit  ) eine öffentliche Volks­versammlung statt, zu welcher die Frauen besonders eingeladen worden waren. Herr Vogtherr erörterte in derselben die Frage: Verdirbt Politik den Charakter," die er entschieden und beweisfräftig verneinte, sich mit seinen Ausführungen besonders auch an die indifferenten Frauen wendend, deren Pflicht es sei, für die großen Ziele der Sozial­demokratie einzutreten. Die Zustimmung zu dem Vortrag fand ihren Ausdruck in einer entsprechenden, einstimmig angenommenen Resolution. Eine öffentliche Versammlung aller in der Wäschebranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen von Berlin   hatte sich am 14. Juli mit der mehr und mehr um sich greifenden Gasplätterei" zu beschäftigen. Entgegen dem Gutachten des Herrn Dr. Jeserich, daß die Gasplätterei dem menschlichen Körper nicht schädlich sei, vertraten mehrere Redner die Ansicht, daß dieselbe die Gesundheit der Plätter­innen schwer benachtheilige. In der Fabrik Magnus Alsleben, wo die Gasplätterei eingeführt werden soll, haben deshalb 32 Plätter­innen gekündigt. Die zahlreich besuchte Versammlung erklärte sich mit den Betreffenden solidarisch und verpflichtete sich, dieselben, bis sie wieder in Arbeit gebracht seien, zu unterstützen, ganz gleich ob die Ein­zelnen dem bestehenden Verein der Plätterinnen angehörten oder nicht.

-Der Verein zur Wahrung der Interessen der in der Hutfabrikation beschäftigten Arbeiterinnen Berlins   und Umgegend hielt am 25. Juni eine gutbesuchte Versammlung ab, in welcher Herr Hoffmann unter reichem Beifall über das Thema referirte: Die Frau und der Sozialismus." Die Zahlstelle Altona   des deutschen   Schneider- und Schneider­innen- Verbandes hielt am 27. Juni eine Mitgliederversammlung ab, welche sich mit der Statutenberathung der Organisation beschäftigte. Die Filiale Grabow   des Zentralvereins der Fabrik- und Handarbeiterinnen Deutschlands   hielt am 29. Juni eine Mitglieder­versammlung ab, in welcher Herr Tost über das Thema referirte: Moral und Sittlichkeit." Den darauf von Frau Borckmann ge­machten Ausführungen entsprechend beschlossen die Anwesenden den Verein zu einer Lokalorganisation umzugestalten, deren Vertrauens mann seinen Sit in Berlin   haben solle.

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Der Zentralverein der Frauen und Mädchen Deutschlands  , Sitz Hamburg  , hielt am 29. Juni eine Mitgliederversammlung ab, welche beschloß, daß der provisorische Vorstand einstweilen in Thätigkeit bleibt. Niemals noch hatten sie sich gleich gehoben gefühlt, nie waren in ihrem Innern so verschiedenartige Gefühle emporgestiegen. Iwan der Reiche wurde geehrt, man nannte ihn einen Helden. Und zum Schlusse der Versammlung ward einstimmig der Beschluß gefaßt: 1) die Schenke für immer zu sperren; 2) eine Grundlage für Selbsthilfe zu schaffen, indem man eine Gesellschaft gründete behufs Errichtung einer Kopekensparkasse"( Pfennigsparkasse).

Am selbigen Tage gingen in die Kasse der Gesellschaft, der Zahl der Dorfeinwohner entsprechend, zweitausend dreiundzwanzig Kopeken ein. Außerdem spendete Jwan der Reiche für die nicht wohlhabenden Dorfbewohner hundert Eremplare der Pfennigfibel, indem er sagte:" Leset, Freunde! In diesem Büchlein findet Ihr Alles, was Ihr zu wissen nöthig habt!"

Darauf reiste Jwan der Reiche abermals in die warmen Bäder, und Jwan der Arme blieb zurück und verrichtete wie zuvor nüßliche Arbeiten, welche von nun an, Dank der durch die Selbsthilfe ge= schaffenen neuen Verhältnisse, hundertfache Früchte tragen mußten.

Es verstrich ein Jahr, es verstrich ein zweites Jahr. Ob Jwan der Neiche auch im Verlaufe dieser Zeit in Westfalen  westfälischen Schinken, in Straßburg   Straßburger Gänseleber= pasteten gegessen hat, vermag ich nicht mit Gewißheit zu melden. Eins weiß ich nur bestimmt: als er nach Ablauf dieser Frist nach Hause zurückkehrte, war er vor Bestürzung geradezu wie versteinert.

Iwan der Arme saß in seiner elenden, halb zerfallenen Hütte. Er war ganz abgemagert. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit in Kwas   geweichtem Brot, welchem Maija Iwanowna dem Feiertage zu Ehren einen Löffel Leinöl beigemengt hatte. Die Kinderchen saßen am Tisch und aßen so eilig darauf los, als ob sie fürchteten, ein Fremder würde als ungebetener Gast herein­treten und um Christi Barmherzigkeit willen etwas zu essen bitten. " Woher mag das wohl kommen?" sagte bitter, beinahe Hoffnungslos Iwan der Reiche.