materiell und moralisch unterstützen, so daß sie der Bourgeoisie die politische Macht zu entreißen vermag. Mögen die proletarischen Frauen mit Verständniß und Energie dafür wirken, daß in die gesetzgebenden Körper an Stelle von Kapitalisten und trinkgelder­süchtigen Kapitalistengenossen klassenbewußte Arbeiter, Sozialdemo fraten entsendet werden. Die herrschende Klasse wird dann nicht länger den Beutel des armen Mannes behufs Förderung des Militarismus brandschaßen können, der nur darauf abzweckt, die bestehende Klassenherrschaft, die Ausbeutung und Versklavung der Habenichtse zu Gunsten der Besitzenden zu stüßen und zu verewigen.

Anträge zum sozialdemokratischen Parteitag.

Der Verein sozialistischer Frauen und Mädchen Mann­heims hat in seiner Mitgliederversammlung vom 22. September be­schlossen, folgende Anträge zum Parteitag der deutschen   Sozialdemokratie einzubringen:

I. In Erwägung, daß es im Klasseninteresse des Proletariats unabweisbare Nothwendigkeit ist, die proletarische Frauenwelt politisch und wirthschaftlich aufzuklären, zu schulen, zu organisiren und als gleichwerthige Mitstreiterinnen ihrer Brüder der Arbeit und des Elends in den Klassenkampf einzubeziehen;

in Erwägung, daß die politischen Rechte zwar nicht die soziale Befreiung der Arbeiterklasse bedeuten, aber unentbehrliche Waffen sind, um diese Befreiung zu erkämpfen, und daß die politische Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts von den herrschenden Gewalten als Vor­wand ausgenützt wird, den Frauen des Proletariats die Betheiligung am Kampfe ihrer Klasse zu erschweren, bezw. unmöglich zu machen, insbesondere aber, um ihnen das Vereins- und Koalitionsrecht zu verkümmern und ihre gemeinsame Organisation in politischen und gewerkschaftlichen Vereinen mit den männlichen Klassengenossen zu hintertreiben;

in Erwägung, daß die Zeiten der Wahlagitation, in denen das politische Leben stärker pulsirt und erhöhtes Interesse auch bei der sonst indifferenten Masse erweckt, besonders geeignet sind, auch die noch den politischen Fragen gegenüber in Gleichgiltigkeit und Stumpf­sinn verharrenden breiten Schichten der proletarischen Frauenwelt wachzurütteln, zum Nachdenken über ihre eigene Lage und Interessen und über die Lage und Interessen ihrer Klasse zu veranlassen, kurz unter indifferenten oder reaktionären Frauen klassenbewußte Prole­tarierinnen zu werben;

beantragt der Verein sozialistischer Frauen und Mädchen Mann­heims, der Parteitag wolle beschließen:

1) daß seitens der sozialdemokratischen Partei eine rege Agitation entfaltet werde zum Zweck der Einbeziehung der Proletarierinnen in die gewerkschaftlichen und wo dies möglich politischen Organisationen der Arbeiter und ihrer bewußten, zielklaren Be­theiligung an dem Befreiungskampf ihrer Klasse;

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2) daß die sozialdemokratische Partei kräftig dafür agitire, und daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion dafür eintrete, daß den Arbeiterinnen der freie, unbeschränkte Gebrauch des Vereins- und Koalitionsrechts gewährleistet werde;

3) daß von der sozialdemokratischen Partei in den Zeiten der Wahl­agitation Versammlungen veranstaltet werden mit dem Doppel­zweck, gegen die politische Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts zu protestiren und Aufklärung über politische Fragen in die Reihen der Proletarierinnen zu tragen.

II. Jn Erwägung, daß die bis jetzt feiner gesetzlichen Beschränkung und Kontrole unterliegende Hausindustrie die schlimmste Form der kapitalistischen   Ausbeutung proletarischer Arbeitskraft ist;

in Erwägung, daß die Hausindustrie durch niedrigste Löhne, aus­gedehnteste Arbeitszeit und schonungsloseste Ausbeutung zumal der weiblichen und findlichen Arbeitskräfte die Verelendung und Entartung ganzer Schichten der Arbeiterbevölkerung verschuldet und durch die Konkurrenz, welche sie den nichthausindustriellen Betrieben macht, die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse der nicht in der Haus­industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen verschlechtert;

in Erwägung, daß sich die Arbeiterinnen in ihrer Eigenschaft als Frauen oft behindert fühlen, einem männlichen Gewerbeinspektor vertrauensvoll rückhaltslosen Einblick in ihre Arbeits- und Lebens­verhältnisse zu geben, ihm alle Mißstände mitzutheilen, unter denen sie bei der Arbeit als Proletarierinnen und Frauen zu leiden haben, beantragt der Verein sozialistischer Frauen und Mädchen Mann­heims, der Parteitag wolle beschließen:

1) die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zu beauftragen, im Parlament die Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetzgebung und der Gewerbeinspektion auf die Hausindustrie zu fordern;

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2) die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zu beauftragen, die Anstellung weiblicher Gewerbeinspektoren in all den Gewerben zu fordern, in denen ausschließlich oder zum größten Theil Frauen beschäftigt werden.

Unseres Erachtens sprechen die Anträge der Mannheimer   Ge­nossinnen in ihrer Begründung für sich selbst und bedürfen feiner weiteren Erläuterung über ihren Zweck und Nutzen. Wir schließen uns ihnen voll und ganz an und empfehlen dringend allen Organi­fationen und Gruppen proletarischer Frauen, in ihren Zusammen­tünften und Versammlungen die Anträge unverzüglich zur Diskussion zu stellen und sich eventuell bei ihrer Einbringung zu betheiligen. Im Interesse der vertretenen Sache und des angestrebten Zieles ist es wünschenswerth, daß den von den Mannheimer   Genossinnen formu­lirten Forderungen die kräftige Unterstützung aller aufgeklärten, organi­sirten proletarischen Frauen zu Theil wird. Die vorliegenden An­träge gewinnen jedenfalls an Bedeutung, wenn sie nicht blos im Namen einer einzigen Organisation eingebracht werden, vielmehr im Namen aller oder wenigstens der Mehrzahl der in Deutschland   be= stehenden Organisationen von Arbeiterinnen, bezw. wenn sich dort, wo feine Vereine existiren, öffentliche Versammlungen zu Gunsten der erbotenen Forderungen erklärten.

Bemerkt sei noch besonders für kleine, materiell schwache Organisationen daß die Betheiligung zu dem Einbringen der An­träge nicht unbedingt die Entsendung von besonderen Delegirten noth­wendig macht.

Wohl ist zu wünschen, daß auf dem Parteitag auch eine größere Anzahl von Frauen als Delegirte anwesend wären und an den Ar­beiten des Kongresses thätigen Antheil nähmen. Einmal würde da­durch gezeigt, daß sich die proletarische Frauenwelt ihren Aufgaben und Pflichten bewußt wird, und daß sie, mit den männlichen Klassen­genossen zusammen, mit Ernst an deren Erfüllung arbeitet. Anderer­seits würde gar manche der delegirten Frauen Belehrung, Anregung, neuen Muth zum rüstigen Vorwärtswandeln auf den alten Bahnen vom Parteitag mit nach Hause nehmen.

Allein es ist nicht zu verkennen, daß die Entsendung besonderer Delegirter rücksichtlich der erwachsenden Kosten für kleinere und jüngere Organisationen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Nun können sich zwar mehrere derselben zusammenschließen und sich über die Entsendung eines gemeinsamen Delegirten einigen. Jedoch wo dies aus den und jenen Gründen als nicht zweckmäßig erscheint, können Organisationen und Versammlungen von Frauen sehr wohl den von Genossen eines Orts oder Bezirks gewählten Delegirten ein Mandat ertheilen und sie beauftragen, für die obenstehenden Anträge fräftig einzutreten. Wir glauben, daß jeder klassenbewußte Genosse mit bester Ueberzeugung und aller Energie Forderungen unterstüßen kann und unterstützen muß, welche, wie die angeführten, lediglich darauf abzwecken, dem Heere der für die Befreiung ihrer Klasse ringenden Proletarier neue, tapfere und wehrtüchtige Streitkräfte zuzuführen.

Da die zum Parteitag einlaufenden Anträge mindestens zehn Tage vor Zusammentritt desselben veröffentlicht werden müssen, und da noch nicht entschieden ist, bis zu welchem Termin der Kongreß vertagt wird, so ist es nöthig, daß Organisationen und Versamm­lungen der Proletarierinnen möglichst bald Stellung zu den Anträgen der Mannheimer   Genossinnen nehmen. Darauf bezügliche Beschluß­fassungen bitten wir, zum Zweck eines gemeinsamen Vorgehens in der Sache, recht umgehend der Redaktion der Gleichheit" mittheilen zu wollen.

Arbeiterinnen- Bewegung.

Am 18. September fand in Dresden   eine öffentliche Ver­sammlung der Tabak- Arbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Herr Keller Bericht erstattete über den Internationalen Kongreß der Tabakarbeiter zu Amsterdam  ." Der Referent gab einen Ueber­blick über die Lohnverhältnisse und Organisationsbestrebungen der Arbeiter und Arbeiterinnen der Tabakbranche in den verschiedenen Ländern und erörterte darauf die vom Kongreß angenommenen Be­schlüsse über die Verschmelzung mehrerer neben einander bestehender Vereine der Branche zu einer einzigen Organisation und gegen die Inszenirung von Streiks, bezw. die Unterstützung nur solcher Ausstände, welche den Arbeitern aufgezwungen werden. Die Versammlung er­klärte sich mit den Ausführungen des Referenten und den Beschlüssen des Kongresses einverstanden.

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In Leipzig   hielten am 19. September die Handlungs- Gehilfen und Gehilfinnen und die im Handelsgewerbe thätigen Hilfsarbeiter eine öffentliche Versammlung ab mit der Tagesordnung: 1. Bericht über die am 11. September in Berlin   stattgehabte Konferenz aller im Handelsgewerbe Angestellten; 2. Wahl eines Vertrauensmannes für