Nr. 19 der ,, Gleichheit" gelangt am 19. September 1894 zur Ausgabe.
Bezeichnung des
Betriebs
Federnfabrik A.
.
Federnfabrik B.
Zahl der beschäftigten
Wöchentlicher Durch
Arbeiterinnen
schnittslohn
63
7, Mark.
24
7,25
"
7,90
"
163
9,60
10
6,-
"
8,20
"
Fabrik für wasserdichte Wäsche. 202
Rohtabakfabrif
Tapetenfabrik.
Hadernscheiderei( Lumpenfabrik) 72 Chemische Fabrik C. Ziegelei.
45 22
"
"
8,75 7,60" 1
In den betreffenden Betrieben beträgt also der niedrigste Durch schnittsverdienst einer Arbeiterin pro Woche 6 Mark, der höchste 9 Mark 60 Pfennig, für alle Betriebe zusammen stellt sich der wöchentliche Durchschnittslohn auf rund 8 Mark. Von den in jenen acht Unternehmen beschäftigten 601 Frauen und Mädchen verdienten 321 unter 8 Mark und 280 über 8 Mark.
Wie man sieht, werfen auch diese Angaben, die meist von Fabrikleitungen herrühren, und also gewiß nicht als übertrieben schlecht verdächtig sind, kein günstigeres Licht auf die Erwerbsverhältnisse der Mannheimer Proletarierinnen. Dabei muß betont werden, daß sie aus dem Jahre 1891 stammen, und daß sich seit jener Zeit, Dank des schlechten Geschäftsgangs, die Arbeitsbedingungen noch vielfach verschlimmert haben, während, wie bereits bemerkt, die Preise der Lebensbedürfnisse zum Theil in die Höhe gegangen sind.
-
Erwerbsverhältnisse wie die geschilderten die sich nicht blos in Mannheim vorfinden, sondern überall, wo der Kapitalismus festen Fuß gefaßt hat überliefern die Arbeiterinnen dem Hunger, überliefern sie der Prostitution. Die kapitalistische Gesellschaft verhüllt entsetzt ihr Haupt, sie windet sich in Krämpfen widerlicher Tugendheuchelei, wenn das oder jenes Ereigniß recht grell das Umsichgreifen der Prostitution mit all ihren häßlichen und furchtbaren Begleiterscheinungen beleuchtet. Sie ruft dann nach Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit, nach strengen Gesezesparagraphen, nach Lattenarrest, denn die Muckerei und Büttelei sind von jeher die letzten Worte ihrer sozialreformatorischen Weisheit gewesen. Sie sieht nicht, wie die Prostitution aus der Armuth herauswächst, wie die kapitalistischen Ausbeuter der weiblichen Arbeitskraft zu Zutreibern des Dirnenthums werden. Sie sträubt sich mit Händen und Füßen gegen die einzigen Mittel, welche geeignet sind, die Prostitution einzudämmen, eine höhere Sittlichkeit anzubahnen: gegen eine Besserung der Arbeitsverhältnisse. Nun, mag sie lassen, was sie nicht thun kann. Das kämpfende Proletariat wird sie zu ernsten Reformen zwingen, welche die Lage der frohnenden Lohnsflavinnen zu einer günstigeren gestalten; das kämpfende Proletariat wird die kapitalistische Wirthschaftsordnung von der Bildfläche segen und durch Zustände ersetzen, welche jeder Frau die Möglichkeit gewähren, auf Grund ihrer Arbeit eine menschenwürdige Existenz zu führen, die im Einklang mit der Kultur ihrer Zeit steht.
Kleine Nachrichten.
Verbrecherische Kinderausbeutung gehört bekanntlich zu den charakteristischen Merkmalen der kapitalistischen Wirthschaftsweise. So berichtet z. B. der Gewerbeinspektor von Prißwalk( Reg.- Bezirk Potsdam), daß er in einer Bilderbogenmalerei während der Schulferien 18 Kinder von neun bis vierzehn Jahren antraf, die mit dem Ausmalen von Bilderbogen beschäftigt waren. Die tägliche Arbeitszeit der Kleinen soll etwa zehn Stunden betragen haben. Dem Betrieb stand ein Unternehmer vor, der die Arbeiten für eine größere Firma auf seine Rechnung auszuführen hatte und natürlich um so fettere Profite einfäckelte, je billiger er seine Hände" entlohnte. In den Kindern hatte er die billigsten Arbeitskräfte gefunden. Er entlohnte nämlich die„ geübten und fleißigen" Kinder mit 5 Pfg. pro Stunde, die jüngeren und ungeübten" Kräfte erhielten- noch weniger! Der Gewerbebeamte wirkte auf die Entfernung der Kinder aus dem Betrieb hin, konnte diese jedoch nicht durchsetzen. Der Staatsanwalt erklärte nämlich das Unternehmen für ein hausindustrielles, und die Hausindustrie fällt ja bekanntlich nicht unter das Arbeiterschutzgesetz. Der Kapitalismus treibt den wüstesten Raubbau mit Menschenleben, sogar die gewissenloseste Auswucherung find licher Arbeitskraft geht ihm in einer Gesellschaft straflos aus, in der Alles und Jedes zu seinem Nuß und Frommen zugeschnitten ist.
Hungerlöhne erhalten die Arbeiterinnen der Porzellanmanu faktur von Buckau bei Magdeburg . Die am Ofen thätigen Arbeiterinnen, deren Beschäftigung eine ganz ungesunde ist, verdienen bei 10-10% stündiger Arbeitszeit 8-10 Mark wöchentlich. Andere Kategorien von Arbeiterinnen erhalten sogar nur bis 6 Mark pro Woche, und auch das erst, nachdem sie eingearbeitet" sind.
144
So lange dies nicht der Fall ist, müssen sie sich mit einem Wochenverdienst von 2-4 Mark begnügen. Am 4. August wurden 2 Mädchen( nach Abzug des Invaliden- und Krankengeldes 2c., sowie nach Abrechnung einer Lohnherabsetzung von 5 Prozent) ganze 2 Mark für eine Woche schwere Arbeit ausgezahlt. Die Arbeit ist eine sehr ungesunde und intensive, die Aufsicht ist sehr streng. Kein Wunder, daß die Arbeiterinnen bei solcher Beschäftigung und solcher Bezahlung blaß, verkümmert und kränklich aussehen. Was sie verdienen, ist zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben. Falls sie an der Familie keinen Anhalt haben und die Wenigsten haben ihn müssen sie langsam verhungern oder der Prostitution in die Arme getrieben werden.
Mädchen in Männerkleidung das ist, wie der Königsberger Allgem. Zeitung von Elbing geschrieben wird, das Neueste, was unsere Stadt aufzuweisen hat, und zwar sind es die Meierinnen in der Elbinger Molkerei, welche sich in dieser Beziehung von dem Althergebrachten emanzipirt haben. Rein praktische Erwägungen waren es, welche die Mädchen ihre bisherige mit der wesentlich bequemeren männlichen Kleidung vertauschen ließen. Die Meierin, war sie noch so geschickt, vermochte es nicht zu vermeiden, daß sie bald da, bald dort hängen blieb, und dem Uebelstande konnte auch nicht dadurch abgeholfen werden, daß die Kleider kurz oder aufgeschürzt getragen wurden. Die Kleidung der Meierinnen besteht jetzt aus Kniehose und Blouse ; das Ganze hält ein Gurt zusammen. Da die Naturfinder meist mit einem prächtigen Wuchs ausgestattet sind, steht ihnen das neue Kostüm allerliebst. In nächster Zeit soll das übrige weibliche Dienstpersonal in der Molkerei gleichfalls mit der neuen Kleidung versehen werden.
Interessante Angaben über die Zahl der Erkrankungsfälle und der Krankentage der Tabakarbeiter und Tabakarbeiterinnen enthält der Bericht der Zentral- Kranken- und Sterbekasse der Tabakarbeiter Deutschlands . Nach demselben entfielen 1892 Grfrankungsfälle auf männliche Mitglieder 4659 mit 99 750 Tagen, mithin betrug die durchschnittliche Krankheitsdauer pro Fall 2141/100 Tage. Auf die weiblichen Mitglieder famen dagegen 2951 Fälle mit 73 610 Tagen, so daß sich die durchschnittliche Krankheitsdauer pro Fall hier auf 247/50 Tage stellt. Im Jahre 1893 erkrankten 4051 männliche Mitglieder für zusammen 85 800 Tage; auf den Fall der Krankheit fommt mithin eine Durchschnittsdauer von 21% 50 Tage. Für die weiblichen Mitglieder waren 1893 2816 Erkrankungen mit 61454 Tagen zu verzeichnen, so daß die durchschnittliche Dauer jedes Krankheits falls 21/50 Tage beträgt. Auf die männlichen Mitglieder famen im Jahre 1892 48/50 Prozent von Erkrankungen, auf die weiblichen Mitglieder 5835/100 Prozent. Im Jahre 1893 stellten sich die Erkrankungsfälle auf 433/25 Prozent für die männliche und 57/25 Prozent für die weibliche Mitgliedschaft. Aus diesen Zahlen erhellt deutlich, daß die industrielle Berufsarbeit unter den Bedingungen der kapitalistischen Gesellschaft die Gesundheit der Frau in höherem Maße bedroht und schädigt als die Gesundheit des Mannes, und daß deshalb die Frau des gesetzlichen Schutzes gegen das Uebermaß der kapitalistischen Ausbeutung dringend bedarf.
Berichtigung.
In dem Artikel„ Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorgani sationen in England" Nr. 17 der„ Gleichheit", S. 135, 2. Spalte, 2. Zeile von oben, hat sich ein sehr unliebsamer Druckfehler eingeschlichen, statt 13000 ist 1300 zu lesen. Die weibliche Mitgliedschaft der„ Gasarbeiter und Allgemeinen Arbeiter- Union" beträgt 1300 und nicht 13000. D. R.
Quittung.
Zu Agitationszwecken von dem Bildungsverein für die Frauen und Mädchen Münchens 20 Mark 75 Pfennig erhalten zu haben, bescheinigt dankend Die Frauen- Agitations- Kommission Berlin .
Bur Beachtung.
Alle für die Frauen- Agitations- Kommission bestimmten Briefe, Sendungen ze. sind zu richten
an: