streben verlangt, daß die proletarische Arbeitskraft so lange als mög­lich im Dienst der Mehrwerthkelterei ausgenutzt wird; mit diesem Profitstreben ist es unvereinbar, daß die junge Arbeiterin ohne Lohn­abzug wöchentlich 23 Stunden freie Zeit erhält, damit sie die Wirth- schaftsführung lernt. So bleiben ihr für den betreffenden Unterricht nur die Abendstunden vorausgesetzt, daß sie nicht Ueberzeit schaffen muß! und die Sonntage. Daß die Arbeiterin während dieser kurzen Sklavenrast" die Hände nicht müßig in den Schooß legen kann, daß sie waschen, ausbessern, nähen, im elterlichen oder frem­den Haushalte hier und da zugreifen muß, das geht natürlich den edelmüthigen Arbeitgeber nichts an. Auch nicht, daß das junge, in der Entwicklung begriffene Mädchen, das von früh bis Abends, tag­aus, tagein oft recht schwer und unter ungesunden Bedingungen schuftet und schanzt, das Bedürfniß empfindet nach etlichen Stunden vollkommener Ruhe, nach Zerstreuung, Erheiterung, Erholung. Die ledige Arbeiterin ist doch sozusagen auch ein Mensch und keine bloße Arbeitsmaschine. Wenn nur wenige junge Arbeiterinnen die Gelegen­heit ausnützen, Abends oder Sonntags kochen zu lernen, so braucht das wahrlich nicht Wunder zu nehmen. Und welcher Art ist diese Gelegenheit? In Charlottenburg  , Han­ nover  , Frankfurt   a. M., Bochum  , Aachen   und anderen Orten bestehen be­sondere Haushaltungsschulen. Anderwärts wieder erklären sich bürger­liche Frauen bereit, in ihrem Hause jungen Mädchen praktische An­leitung im Kochen und Wirthschaften zu geben. So berichtet Pro­fessor Frankenstein, daß sich in Krefeld   25 wohlhabende Familien bereit erklärt haben,ein Vierteljahr lang des Sonntags von 9 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags je ein Fabrikmädchen bei sich auf­zunehmen und in den häuslichen Arbeiten wie im Kochen zu unter­richten". Der Herr Professor hältbei einer Unterweisung der Mäd­chen in einem herrschaftlichen Hause große Vorsicht für geboten." Die Gefahr liegt nahe, daß dieSchülerinnen" nur Speisen bereiten lernen, die auf den Tisch derbesseren Leute" kommen, daß sie für Herstellung einfacher, billiger Gerichte keine Erfahrung und Uebung gewinnen, daß sie sich an das Wirthschaften aus dem Vollen, ohne Rücksicht auf Ersparniß und Einschränkung gewöhnen. Andererseits meint er aber, daß der Verkehr der Arbeiterinnen mit denHerr­schaften" gute Folgen zeitige. Er zerstöre die falsche Vorstellung von einem trägen, üppigen Wohlleben derbesseren Stände", gewöhne die Mädchen an bessere Umgangsformen undstärke ihr sittliches Ge­fühl und Selbstbewußtsein." Wir können nicht umhin abgesehen von der Verfeinerung der Umgangsformen hinter diese erwarteten Folgen des Haushaltungs- Waare auf Borg bezogen? Dem sie jetzt neuerdings eine für ihre Verhältnisse schier unerschwingliche Summe, die sie ihm bei Entziehung ihrer Kundschaft sofort baar hätte auszahlen müssen, schuldig waren? Sie hatte schon über Alles nachgedacht, am Tage und in schlaflosen Nächten. Und immer war dasselbe dabei herausgekommen: Elend, Elend das ganze Leben lang. Daß ihr doch wenigstens nicht die Kinder der Reihe nach wegstürben! In ihren ersten Lebensjahren kosten sie viel, und wenn man sie bald zur Arbeit anhalten und Nutzen aus ihnen ziehen könnte, sterben sie. Sie wären alle zu retten gewesen alle. Eine gesunde Wohnung, Luft, Licht und genügende Kost und sie würden noch heute um die Mutter herumspnngen, lachend, vergnügt und mit rothen Wangen. Das wußte die Frau. Sln milden Tagen hatte sie die kranken Kinder oft vor das Hauslhor gesetzt, damit sie eine bessere Luft einathmen könnten... die von Dünsten aller Art durchschwängerte Luft in einem Vororte Wiens. Zum Spazierengehen mit den Kindern hatte Niemand Zeit gehabt; die kleineren Geschwister waren noch zu jung und zu dumm, als daß man ihnen die Ueberwachung kranker Kinder halte anvertrauen mögen, und die älteren mußten bei der Arbeit mithelfen. So waren denn die Kinder vor dem Thore gesessen, bis sie so schwach geworden waren, daß ihnen selbst das Sitzen eine zu große An­strengung verursachte.... Man hatte sie dann in der Stube ge­lassen, in der Stube, welche Schlaf-,- und Werkstälte war, wo die herumschwirrenden Fädchen sie zum Husten reizten und der Lärm des Webstuhles sie aus dem Schlafe aufschreckte, und da waren sie gestorben; drei im Verlaufe von zwei Jahren, und jetzt folgte das vierte nach. Die Frau fühlte etwas Netzendes und Heißes über ihre Wangen rieseln. Thränen waren es, die unaufhaltsam aus ihren Augen drangen. Nicht darüber, daß das Kind starb, weinte sie. Unterrichts in Familien die allergrößten Fragezeichen zu setzen. In neunzig von hundertherrschaftlichen Häusern" wird die Fabriklerin sehen, daß das Wohlleben ebenso groß, als die Arbeitsleistung der Familie klein ist, daß inbesondere die Dame des Hauses ihre Wirth- schaft mit Hilfe derperfekten Köchin", des Stubenmädchens, Kinder­mädchens zc. führen läßt. Wir haben nichts dagegen, wenn ihr da­durch der Gegensatz zwischen Arm und Reich recht anschaulich, sozu­sagen durch Illustrationen zum Bewußtsein geführt wird. Den Herren Wohlthätigkeitsaposteln aber dürfte das wohl weniger lieb sein, denn sie wollen ja gerade die gesellschaftlichen Gegensätze zwischen den Klassen verkleistern. Was die junge Arbeiterin durch den Verkehr mit den oberen Zehntausend an Sittlichkeit gewinnen soll, will uns nicht einleuchten, es sei denn, daß man die Form mit dem Inhalt und steife Konvenienz mit Sittlichkeit gleichstellt. Zeitungsannoncen, Ballets  , Tingeltangel, Animirkneipe.n, Kassendiebstähle, betrügerische Bankerotts und Skandalprozesse aller Art beweisen ja tagtäglich, daß dieSitt­lichkeit" derbesseren Stände" ungefähr auf der gleichen Höhe steht, wie derEdelmuth der Arbeitgeber". Und daß sich dieHerrschaften" weit weniger angelegen sein lassen, das Selbstgefühl des jungen Mäd­chens zu kräftigen, als es zur Demuth und Unterwürfigkeit, zum ge­duldigen Weiterschleppen des kapitalistischen   Jochs zu gewöhnen, das versteht sich am Rande für Jeden, der da weiß, was und wie der durchschnittliche Geldsackspöbel von der werkthäligen Masse denkt. Die Arbeiterin, welche in einemguten Hause" das Kochen und Wirthschaften erlernen will, muß außerdem noch mit Einem rechnen: in den meisten Fällen muß sie durch respektable Arbeitsleistungen die Ehre bezahlen, in einer bürgerlichen Familie ein- und ausgehen zu dürfen. Die viel­belobtepraktische",gute" deutsche Hausfrau wird in ihr weit öfter die unentgeltlich auszunützende Arbeitskraft sehen, als die Lernende, sie verwandelt die Schülerin in einMädchen für Alles", das ihr Sonntags umsonst zur Verfügung steht. Deshalb sagen auch wir, daß bei dem Erlernen der Wirthschaftsführung in einem bürgerlichen Hause und auf demGnadenwege"große Vorsicht geboten ist". Nehmen wir aber sogar an, daß die junge Arbeiterin durch die beste Gelegenheit die beste Wirthschaftsführung erlernt, was ist dadurch für die Wiederherstellung und Sicherung des Familien­lebens der Arbeiterklasse gewonnen? Was nützt es der proletarischen Frau, wenn sie vorzüglich, wie die perfekte Köchin einer geheimen Kommerzienräthin kocht, sobald das Feuer des Herdes erloschen bleibt, weil es an Kohlen mangelt, sobald es nichts in Töpfen und Tiegeln zu brodeln giebt, weil kein Geld im Hause ist, und der Kredit bei Krämer und Fleischer ein Ende genommen hat? Wie wenig kommt Mein Golt, was verlor der arme Wurm? Und was verloren sie an dem Kinde? Wenn es auch etwa vom zehnten Jahre an Geld zu verdienen anfängt, verbraucht es doch noch manches Jahr weit mehr, als es erwerben kann; und wenn es endlich mehr erwirbt, als es verbraucht, dann kehrt es gewöhnlich dem Elternhause den Rücken, um anderswo ein besseres Los zu suchen. Was die Frau quälte, das war der Gedanke an den Mangel an Nahrung, unter welchen das heißhungrige Kind so viel ausgestanden hatte. Wie begierig hatte es oft nach Speise verlangt, nach etwas Anderem, Besserem, als dem ewigen Brote und den ewigen Erdäpfeln... und wie oft waren selbst Brot und Erdäpfel zu schmal bemessen gewesen. Wenn die Mutter nur diese Erinnerung dem Kinde mit­geben könnte ins Grab! Es athmete jetzt schwach, schwach. Seine Mutter beugte sich zu ihm nieder:Paul, willst Du etwas?" Es gab keine Ant­wort.Kennst Du mich, Paul?" Die gleiche Stille. Dann riß es die Augen weit auf, schauderte sich und streckte sich.... Die Frau machte eine Bewegung. Sollte sie den Vater wecken? Er schlief so gut, und am Morgen wartete die schwere Arbeit auf ihn. Sie hatte nicht das Herz, seinen Schlaf zu stören. Um acht Uhr in der Früh trat der Arzt in die Stube. Ueber das Gesicht des Kindes war ein weißes Tuch gebreitet; es lag ganz still da. Der Webstuhl klapperte wie jeden Tag. Wann ist es gestorben?" fragte der Arzt. Um drei Uhr Morgens", antwortete die Frau.Wir wollen es in der Küche aufbahren...." Der Mann sah nicht auf von seiner Arbeit. Hätte ich ihm doch wenigstens täglich ein paar Eier kochen können", sprach die Frau und schaute auf das verhüllte Gesichtchen. Die Eier hat er gar so gern gegessen...." Sie wandte sich ab und fuhr mit der Hand über die Augen.