er die Heuchelei, mit welcher durch den Hinweis auf die Interessen des kleinen Mannes" Maßregeln verbrämt werden, welche einzig und allein dem Großkapital zu Nutz und Frommen gereichen. So wies er bezüglich der geforderten Zollerhöhung auf Quebrachoholz nach, daß dieselbe nicht im Interesse der Gerberei- Industrie liege, vielmehr in dem einer fleinen Anzahl von Eichenwaldbesitzern, welche die Gewinnung der Gerberlohe nach rückständigen Methoden betreiben. Die geplante Zollerhöhung ruinire die Gerbereibetriebe, welche mit Quebrachoholz arbeiten, und verursache, daß in der Folge mehr als 3000 Arbeiter brotlos aufs Pflaster fliegen würden. Als schwere Schädigung der Arbeiterinteressen stellten sich auch die geforderten Bollerhöhungen dar auf künstlichen Honig, Kakaoöl und ganz be­sonders auf Baumwollensamenöl, das bei der Fabrikation von Mar­garine zur Verwendung gelangt. Erst setze man das werkthätige Volk in die Nothlage, sich mit Surrogaten begnügen, Margarine statt Butter essen zu müssen. Dann vertheuere man noch obendrein diese Surrogate, damit die Profite etlicher großer Landwirthe in die Höhe gehen. Mit Fug und Recht schloß Genosse Wurm seine Anklagen gegen die deutsche Zollpolitik mit den Worten: Wenn ein solcher Artikel wie das Baumwollensamenöl vertheuert wird, so wird es dem Volke immer deutlicher, daß in den Augen der Reichen die Armen nur dazu sind, um sie, die Reichen, zu ernähren." Die Frauen des werkthätigen Volks, die trotz aller Sparsamkeit und trefflicher Wirthschaftsführung mit den schwersten Sorgen zu kämpfen haben, werden die richtige Würdigung besitzen für die Attentate, welche Kraut- und Schlotjunker unter dem neuesten" Kurs gegen die Tasche der kleinen Leute vorbereiten. Sie werden es aber auch zu würdigen wissen, daß die Sozialdemokratie allzeit auf dem Plan ist als Ver­theidigerin der Interessen der ausgebeuteten Masse.

Aus dem Beschlusse des Reichstags, die Aufhebung des Jesuiten­gesetzes betreffend, weht uns nicht ein freiheitlicher Hauch entgegen. Reaktionsgelüfte waren für diesen Beschluß die treibenden Gründe. Nicht um eine Ausnahmemaßregel zu beseitigen und gleiches Recht für Alle zu schaffen, fiel das Gesetz. Seine Aufhebung ist der Schacher­preis, um welchen wahrscheinlich das Zentrum für die Umsturzvorlage zu haben ist. Von den Jesuiten   erwartet man außerdem im Kampfe gegen die Sozialdemokratie ganz besonders hervorragende Leistungen. Die Sozialdemokratie fürchtet weder das Gesetz gegen den Umsturz, noch die Jesuitenpater. In ruhig heiterer Siegeszuversicht strebt sie ihrem großen Ziele zu und hält allzeit ihre Grundsätze hoch. Und diesen ihren Grundsätzen getreu stimmte die sozialdemokratische Fraktion für die Beseitigung des Jesuitengesetzes. Denn die Sozialdemokratie ist eine grundsätzliche Gegnerin aller Ausnahmsgesetze, ihre Forderung " gleiches Recht für Alle" ist ihr kein hohles Wort. In kräftiger Weise legte Genosse Liebknecht   den Standpunkt der Partei zu der Frage dar, Rückwärtserei im Lager der Regierung, Rückwärtserei im Lager aller bürgerlichen Parteien, ein fraftvolles bewußtes Vor­wärtsschreiten einzig und allein im Lager der Sozialdemokratie, das ist das Merkmal der Parlamentsverhandlungen über die verschiedensten Fragen.

Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 1. bis 30. Januar fanden öffentliche Ver­sammlungen statt in: Berlin  , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die Konferenz der Konfektionsarbeiter und-Ar­beiterinnen"( Genosse" Timm); öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Die Freiheit der Wissenschaft"( Reichstagsabgeordneter Liebknecht); zwei öffentliche, sehr gut besuchte Volksversammlungen, einberufen von der Frauen- Agitationstommission: Die Gesindeord­nung"( Reichstagsabgeordneter Molkenbuhr). Beide Versammlungen forderten einstimmig durch eine Resolution die Abschaffung der Ge­sindeordnung und die Unterstellung aller Arbeiter und Arbeiterinnen unter die Gewerbeordnung. Agitationsversammlung der Arbeiter­Bildungsschule: Die Frau in der Gegenwart"( Frau v. Gizycki). Die Referentin, welche der bürgerlichen Frauenbewegung angehört, entwickelte in ihrem Vortrag das Programm bürgerlicher Frauen rechtelei, deren Endziel die Forderung der politischen Gleichberech tigung des weiblichen Geschlechts ist. Trefflich, klar und scharf prä­zisirte ihren Ausführungen gegenüber Genossin Rohrlack den Charakter und die Ziele der proletarischen Frauenbewegung, deren A und O nicht der Kampf für Frauenrechte sei, sondern der Kampf gegen das Kapital. Zwei öffentliche Versammlungen des Frauen- und Mädchen­bildungsvereins: 1) Die Frau des Proletariats und die Damen der Bourgeoisie"( Genosse Baumann); 2)" Religion und Wissenschaft"( Ge­nosse Thal); öffentliche Versammlung der Bügler- und Mäntelnähe­rinnen: Die gegenwärtige Lage in unserem Gewerbe und unsere dies­jährigen Forderungen"( Gen. Mattutat); Breslau  , öffentliche Frauen­

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versammlung: Die proletarische Frauenbewegung in gewerkschaftlicher und politischer Beziehung"( Genossin Ihrer); Dresden  , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Warum müssen sich die Arbeiter der Wissenschaft bemächtigen"( Genosse Fricke); Leipzig  , öffentliche Versammlung der Textilarbeiter und Arbeite­rinnen: Kapital und Arbeit"( Gen. Johannes); Netschkau, öffent­liche Versammlung der Textilarbeiter und Arbeiterinnen: 1) Bericht von der Konferenz", 2) ,, Die Organisation"( Genossin Vogel); Rostock  , öffentliche Volksversammlung: Die industrielle Thätigkeit der Frau" ( Genossin Rohrlack); Stralau, öffentliche Volksversammlung: Die politische Lage"( Gen. Meßner); Wilmersdorf  , öffentliche Versamm­lung, einberufen vom Frauen- und Mädchen- Bildungsverein Berlin  : Die Kinder des Volks"( Genossin Scholz).

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Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Altona  , Mitgliederversammlung des Verbands deutscher   Schneider und Schneiderinnen: Interne Angelegenheiten; Berlin  , Mitglieder­versammlung des Verbands der Textilarbeiter und Arbeiterinnen: ,, Die technisch- wirthschaftliche Revolution der Gegenwart"( Gen. Mahlke); Generalversammlung des Verbands der in Buchbindereien, der Papier und Ledergalanteriewaaren- Industrie beschäftigten Ar­beiter und Arbeiterinnen: Thätigkeitsbericht"( Gen. Sailer). Die Zahl der männlichen Verbandsmitglieder stieg im letzten Vierteljahr von 634 auf 816, diejenige der weiblichen von 135 auf 283. Dem Vorstand gehört Genossin Grauer an, die Bibliothek wird durch zwei weibliche Mitglieder, die Genossinnen Ehlers und Wienecke, verwaltet. Zwei Mitgliederversammlungen des Frauen und Mädchen- Bildungs­vereins: 1) Die Bedeutung der Frau in der heutigen Gesellschaft", 2) Die Kinder des Volks"( Referentin in beiden Versammlungen: Genossin Scholz); Generalversammlung der nämlichen Organisation: Thätigkeitsbericht, Kassenbericht. Der Verein hielt im letzten Viertel­jahr drei Vereins- und sieben Wanderversammlungen ab; es fanden sechs Vorstandssitzungen statt. Den Einnahmen von 504,36 Mark stehen Ausgaben in der Höhe von 321,50 Mark gegenüber. Zur Annahme gelangten zwei Anträge: für die Bibliothek 50 Mark zu bewilligen und vom nächsten Quartal an den Mitgliedern die Gleichheit" unent­geltlich zu verabfolgen. Generalversammlung des Vereins der Plät­terinnen und Berufsgenossen: Thätigkeitsbericht, Kassenbericht. Die Abrechnung vom letzten Vierteljahr ergab einen Ueberschuß von 441,11 Mark, das Gesammtvermögen des Vereins beträgt 2294,25 Mark. Der Vorstand besteht aus dem Genossen Möhring und den Genossinnen Wolf, Kastner, Wandt, Schulz und Krause. Hamburg  , Mitglieder­versammlung des Verbands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen: Interne Angelegenheiten; Mitgliederversammlung des Verbands deutscher   Schneider und Schneiderinnen: Die Entwicklung der Schneiderei zur Großindustrie"( Genossin Steinbach); Leipzig  , Generalversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: 1) Die Umsturzberathungen im deutschen   Reichstage"( Genosse Jäger), 2) Thätigkeitsbericht, Rassenbericht. Der Verein hielt im letzten Halb­jahr 14 Versammlungen mit 13 öffentlichen Vorträgen. Seine Mit­gliederzahl beträgt 315, die Einnahmen stellen sich auf 215,60 Mart, die Ausgaben auf 242,37 Mart. Die Versammlung beschloß die Ein­führung von Diskussionsabenden und eine kräftige Agitation für die " Gleichheit". Veddel- Rothenburgsort, Mitgliederversammlung des Zentralvereins der Frauen und Mädchen Deutschlands  : Thätig­keitsbericht, Vorstandswahl. Der Vorstand besteht aus den Genos­sinnen Benkowsky, Jest, Winter, Graah, Beefen und Start.

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Fortschritte der politischen Frauenbewegung. Dem Parteitag der rheinländischen Sozialdemokraten, welcher am 20. Januar in Duisburg   stattfand, wohnte Genossin Löwenherz- Neuwied als Delegirte bei. Auf dem sozialdemokratischen Parteitag für Schleswig­ Holstein  , Lauenburg  , Fürstenthum Lübeck und die freie Hansastadt Hamburg  , welcher am gleichen Tage in Flensburg   stattfand, war ebenfalls eine Delegirte anwesend: Genossin Bode- Kiel. Auf beiden Parteitagen ward die Nothwendigkeit einer kräftigen Agitation unter dem weiblichen Proletariat betont. Genossin Löwenherz hatte einen Antrag eingebracht des Inhalts, daß der rheinische Parteitag die Nothwendigkeit der Einschaltung der Frauenbewegung in die Tages­ordnung der allgemeinen Parteitage anerkennt". Der Parteitag erledigte diesen Antrag durch Kenntnißnahme.

Fortschritte der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen. Der Unterstützungsverein der Hutmacher Berlins  beschloß, von nun an auch die Arbeiterinnen des Gewerbes als Mit­glieder aufzunehmen.

Eine Konferenz der Konfektionsarbeiter und Arbeite­rinnen Deutschlands   tagte am 13. Januar in Berlin  . Vertreten waren 11 Städte durch 14 Delegirte, außerdem nahmen der Reichs­tagsabgeordnete Reißhaus und der Verbandsvorsitzende Holzhäuser­Flensburg an den Verhandlungen Theil. Zur Berathung standen