Nr. 4 der ,, Gleichheit" gelangt am 20. Februar 1895 zur Ausgabe.
„ heilige Goldhunger" zeigt überall seine grinsende Fraze. Vor ihm wiegt die Volksgesundheit nicht einen Strohhalm. Die Wohlthätigkeitskomödie der Besitzenden kann darüber nicht hinwegtäuschen. Denn während diese z. B. in dem vorliegenden Falle auf dem Wege des Bettels zu Gunsten armer Kinder ein Medikament beschaffen wollen, dessen Heilkraft noch nicht endgiltig bewiesen ist, erzeugt ihre Gesellschaft auf dem Wege der Ausbeutung des Proletariats mit der Massenarmuth die Vorbedingungen für die Verbreitung der Diphtheritis und vielfach auch für ihren tödtlichen Ausgang. Ein wirklich humanes, jedes Menschenleben würdigende und jedes Menschenrecht achtende Zeitalter bricht erst an mit der Herrschaft des Sozialismus. Dr. Josef Schwarz.
Kleine Nachrichten.
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Ein Zeichen für das Wachsen der Umsturzgefahr nannte Herr v. Köller die von uns in Nr. 2 gekennzeichnete Petition bürgerlicher Frauen für eine Reform des Vereins- und Versammlungsrechts. Wir wollen diese Werthschäzung der gewohnheitsmäßigen Verkennung von Thatsachen seitens eines Ministers zugute halten, der von Amts wegen gezwungen ist, mühsam im Schweiße seines Angesichts Beweismaterial für das Umsichgreifen subversiver Tendenzen" zusammenzuklauben. Wenn Polizeiminister etwas lernen könnten, so würden wir Herrn v. Köller darauf aufmerksam machen, daß die Reformforderung, welche ihm als Zeichen der wachsenden Umsturzgefahr das staatserhaltende Gemüth ängstigt, in sehr vielen anderen Ländern bereits seit Langem verwirklicht ist, daß daselbst seit Langem sich der diesbezügliche Umsturz" vollzogen hat. In vielen Ländern, wo die Frau das Wahlrecht nicht besitzt, besitzt sie unbeschränkte Vereinsund Versammlungsfreiheit. Schrecklich, aber wahr, Herr v. Köller, und ebenso wahr, daß diese Länder mindestens genau so sicher vor dem„ Umsturz" sind, als das Deutsche Reich. Doch mehr noch. Wir wollen Herrn v. Köller ein furchtbares„ umstürzlerisches" Geheimniß verrathen, das er vielleicht den Aften zum Umsturzgesetz einverleiben fann, ohne daß er vorher nöthig hätte, sich mit Ehren- Reuß in Verbindung zu sehen. Es giebt Staaten allerdings in Amerika und Australien es giebt aber immerhin Staaten, Herr v. Köller, in denen der Umsturz der Umstürze" soweit vollzogene Thatsache ist, daß die Frauen das Wahlrecht besitzen und ausüben. Schrecklichst, aber wahr! Und in England gelangt seit Jahren im Parlament ein Antrag zur Verhandlung, den Frauen das Stimmrecht zu verleihen, ein Antrag, der wiederholt schon sogar die Zustimmung konservativer Politiker fand. Niemand hat aber noch davon gehört, daß englische Staatsmänner deswegen an Alpdrücken gelitten hätten. Allerdings englische Staatsmänner und nicht deutsche Polizeiminister. Hinc illae lacrimae. Die sozialistische Bewegung läßt sich in ihrem Urtheil über die Bedeutung der Petition durch den ministeriellen Ausspruch nicht irre machen. Sie sieht in ihr ein Anzeichen dafür, daß die bürgerlichen Frauen Deutschlands anfangen, sich ihrer unwürdigen sozialen Stellung bewußt zu werden, daß auch sie die Bedeutung der politischen Gleichberechtigung erkennen, welche die proletarischen Frauen schon seit langen Jahren fordern und zu erkämpfen streben. Aber die Anerkennung des kleinen Fortschritts kann und darf die sozialistische Bewegung nicht dazu verleiten, aus Galanterie die ungeschickten, tastenden, unsicheren Schritte bürgerlicher Frauenrechtelei mitzumachen, Schritte, über welche die proletarische Frauenbewegung seit Langem hinaus ist, und welche auch abseits von dem Wege liegen, welcher der Sozialdemokratie vorgezeichnet ist.
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Ein humaner Arbeitgeber, welcher die Rechte und Würde seines Arbeitspersonals respektirt, ist offenbar der Zigarettenfabrikant Jasmaßin in Dresden . Acht Tage vor Weihnachten, zur schönen Vorbereitung auf das Fest der Liebe, entließ er eine seiner Arbeiterinnen aus Lohn und Brot. Und warum? Der Hauptgrund für die Entlassung war jedenfalls, daß sich die Lohnsklavin unterfangen hatte, ihre Interessen bewußt zu vertreten, indem sie für die bevorstehende Ortskrankenkassenwahl Stimmzettel der Arbeiterliste vertheilte. Zum ersten Male stand den Frauen das Recht zu, sich an dieser Wahl zu betheiligen, aber falls es dem Unternehmerthum beliebt, muß die Arbeiterin eine ihrem Ermessen entsprechende Ausübung dieses Rechts mit dem Verlust ihrer Beschäftigung büßen. Nicht blos billig liebt der Ausbeuter die weibliche Arbeitskraft, auch fügsam, stumpfsinnig und theilnahmslos gegen Alles, was seinen Profit nicht mehrt oder was gar dazu beiträgt, das Klassenbewußtsein der lebenden Anhängsel der todten Maschinen zu wecken. Und daß Herr Jasmaßin sein Arbeitspersonal lediglich als unentbehrliche Rädchen seines Betriebs betrachtet und nicht als Menschen, das erhellt recht herzerfrischend aus dem Wörterbuche, dessen er sich im Umgang mit seinen Arbeiterinnen und Arbeitern bedient." Ludersch"," Frauenzimmer",„ rothe
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Bande" sind die ihm geläufigen Kosenamen für die Leute, die er beschäftigt, und denen er gelegentlich Ohrfeigen und Schädeleinschlagen anbietet. Es geht doch nichts über die Bildung des Unternehmerthums! Frauenstudium. An der Universität Cambridge hat eine Dame, Fräulein Johnson, bei dem letzten mathematischen Examen ihre sämmtlichen männlichen Mitbewerber geschlagen. In Louisville , Kentucky , ist die erste Farbige als Aerztin thätig. Miß Artilia Gilbert, so ist ihr Name, hat eine bedeutende Praxis.
Wirkungen des Frauenstimmrechts in Wyoming . In dem amerikanischen Staate Wyoming besteht das Frauenstimmrecht seit 25 Jahren. Am 12. Dezember 1893, als am Jubiläumstage, erließ die Volksvertretung folgende Resolution:" Der Besitz und die Ausübung des Stimmrechts durch die Frauen in Wyoming hat keinerlei schlechte, sondern nach vielen Richtungen hin sehr gute Folgen gehabt; es hat in hervorragender Weise dazu beigetragen, Verbrechen und Armuth aus diesem Staat zu verbannen, und zwar ohne alle Gewaltmaßregeln; es hat friedliche und ordentliche Wahlen, eine gute Regierung, einen bemerkenswerthen Grad von Zivilisation und öffentlicher Ordnung herbeiführen helfen; und wir weisen mit Stolz auf die Thatsache hin, daß seit 25 Jahren, seit die Frauen das Stimmrecht besitzen, kein Distrikt von Wyoming ein Armenhaus besitzt, daß unsere Gefängnisse so gut wie leer und Verbrechen so gut wie unbekannt sind. Gestützt auf unsere Erfahrung dringen wir darauf, daß jeder zivilisirte Staat auf Erden den Frauen ohne Verzug das Stimmrecht gewährt. Wir beschließen, daß eine authentische Abschrift dieser Resolution durch den Gouverneur unseres Staates den Regierungen aller Staaten und Territorien Amerikas und allen gesetzgebenden Körperschaften der Welt überreicht werde, und wir ersuchen die Presse der gesammten zivilisirten Welt, die Aufmerksamkeit ihrer Leser auf diese Resolution zu lenken." So bestimmt und energisch wir auch die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts fordern; so tief wir auch von der Nothwendigkeit und dem Nutzen einer diesbezüglichen Reform überzeugt sind; so sicher wir endlich glauben, daß dort, wo die Gesetzgebung auch Sache der Frauen ist, manche soziale Mißstände beseitigt, andere gemildert werden: so können wir doch nicht umhin, hinter obige begeisterte Schilderungen ein großes Fragezeichen zu stellen. Nicht die Gesetzgebung schafft die gesellschaftlichen Verhältnisse, umgekehrt, die gesellschaftlichen Verhältnisse finden ihren Ausdruck in der Gesetz gebung. Wo der Klassengegensatz zwischen Armen und Reichen besteht, da werden auch soziale Verhältnisse und Geseze das Brandmal dieser Klassenspaltung tragen, ganz gleich, ob die Gesetze allein das Werk der Männer sind oder unter Mitwirkung der Frauen zu Stande kommen. Denn die Frauen werden gerade so gut wie die Männer von den Interessen der Klasse beherrscht, der sie angehören. Das Dienstmädchen wird von den„ besseren Frauen“ und„ höheren Töchtern" genau so als Mensch zweiter Gattung behandelt
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auch mißhandelt, wie Arbeiter von dem ostelbischen Krautjunker oder irgend einem Schlotjunker als Menschen zweiter Gattung behandelt werden. Die Frau, die Fabrikbesigerin, Inhaberin eines kaufmännischen Geschäfts, kurz Besitzerin eines kapitalistischen Betriebs ist, beutet unbeschadet der„ Geschlechtsgenossenschaft", die sie mit der ,, ärmeren Schwester" verbindet, die proletarische Frau als Arbeiterin, Angestellte 2c. genau so rücksichtslos aus, als ein y- beliebiger männlicher Kapitalist. Gewiß, die Zuerkennung des Stimmrechts an das weibliche Geschlecht bedeutet schon an und für sich eine erstrebenswerthe Reform. Gewiß, die Verwirklichung dieser Reform wird eine Reihe segensreicher Folgen fultureller Fortschritte zeitigen. Aber die zuerkennung des Stimmrechts an das weibliche Geschlecht ist keineswegs ein Allheilmittel, das die gesammten sozialen Schäden furirt. Das vermag nur der Sozialismus, weil nur er die Wurzel aller sozialen Schäden beseitigt: die Klassenspaltung in Habenichtse und Reiche.
Den Parteigenoffinnen zur Beachtung.
Mehrfachen Anfragen zufolge erklären wir, daß wir der Petition einiger Bourgeoisdamen an den Reichstag wegen Reform des Vereinsrechts völlig fern stehen. Wir sind der Ansicht, daß unsere Genossinnen keine Veranlassung haben, die Petition zu unterschreiben, welche weder in ihrer Form noch nach ihrem Inhalt den Anschauungen proletarischer Frauen entspricht.