Nr. 6.

Die Gleichheit.

5. Jahrgang.

Beitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen.

Herausgegeben von Emma Ihrer   in Pankow   bei Berlin  .

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nro  . 2756) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Inseratenpreis die zweigespaltene Petitzeile 20 Pf.

Stuttgart  

Mittwoch, den 20. März 1895.

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Eine dringende Aufgabe. Glaubensfreudig plärrt der Spießbürger noch immer sein Sprüch­lein, daß die Frau durch göttliche", sittliche" oder natürliche" Bestimmung ausschließlich ins Haus und in die Familie gehöre, aber Millionen deutscher Frauen frohnden fern vom heimischen Herd, oder ohne je einen solchen besessen zu haben, einem fremden Unter­nehmer. Seitdem Deutschland   in die Reihe moderner Industrie­staaten getreten ist, hat auch im Deutschen Reiche die industrielle Frauenarbeit stetig an Umfang und Bedeutung gewonnen. wächst die Zahl der Industriezweige, welche den Frauen offen stehen; es wächst die Zahl der Arbeiterinnen, die auf den verschiedensten industriellen Gebieten thätig sind. In vielen Berufsarten tritt die Frauenarbeit nicht blos neben die Männerarbeit, sondern an Stelle der Männerarbeit, einzelne Industrien werden von ihr geradezu beherrscht. Hier und da steigt die Zahl der beschäftigten weiblichen Arbeitskräfte auch in Zeiten schwerster Strise, während gleichzeitig die Menge der thätigen männlichen Arbeiter erheblich abnimmt, wie dies z. B. für die sächsische Textilindustrie im Laufe der letzten Jahre festgestellt ward. Die Bataillone der Industriearbeiterinnen wachsen nicht nur überhaupt; sie wachsen im Verhältniß zu der Zahl der verwendeten erwachsenen männlichen Arbeitskräfte, auf deren Kosten, durch deren Verdrängung aus Brot und Lohn.

Nach den Amtlichen Mittheilungen" aus den Berichten der Gewerbeinspektoren für 1893 ist binnen der 12 Monate des Bericht jahres die Zahl der in Großbetrieben beschäftigten erwachsenen Industriearbeiterinnen um 40187 gestiegen, von 576 433 auf 616 620. Der geheimräthlichen Vertuschungsmanier entsprechend, erfährt man bekanntlich aus den Amtlichen Mittheilungen" nicht die Zahl der erwachsenen männlichen Arbeiter, welche im Großbetrieb dem Kapital tributpflichtig zinsen. Ein Vergleich zwischen der Zahl der männlichen und weiblichen erwachsenen Arbeitskräfte, welche in der Großindustrie thätig sind, ist also zur Zeit unmöglich. Das gegen erfahren wir wenigstens, daß die unter Fabrikinspektion stehen­ben Betriebe 1893 von jugendlichen Arbeitern 2514 weniger männliche und 2217 mehr weibliche beschäftigten als im Vorjahr. Auch im Kleinbetrieb spielt die Frauenarbeit eine immer bedeutendere Stolle. Je weniger sich der Kleinindustrielle die Fortschritte der modernen Produktionstechnik und die Vortheile des Großbetriebs zu eigen zu machen vermag, um so mehr sucht er sich nothgedrungen konkurrenzfähig zu halten durch Ausnußung billiger und billigſter Arbeitskräfte: durch Lehrlingszüchterei, durch die ausgiebige Be­schäftigung jugendlicher und weiblicher Arbeiter. Noch haben wir in Deutschland   die berühmten englischen Zustände nicht erreicht, wo der Mann zu Hause sist, Kinder wartet, Eſſen   kocht und Strümpfe stopft, aber jedenfalls find wir auf dem besten Wege dazu.

Je mehr aber die industrielle Frauenarbeit überhand nimmt, um so größer ist selbstredend der Einfluß, den sie auf dem Arbeits­markt auf die Arbeitsbedingungen der männlichen Proletarier aus­übt. Erfahrung und Theorie zeigen, daß die Arbeitsbedingungen in einem Gewerbe beſſere oder schlechtere sind, je nachdem hier die Männerarbeit oder die Frauenarbeit vorherrscht. Das leberwiegen der Frauenarbeit ist gleichbedeutend mit niedrigen Löhnen für Arbeiter und Arbeiterinnen eines Induſtriezweiges. Der fapitalistische Unter­

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin  ( Eißner), Stuttgart  , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

nehmer spielt eben die billigere Arbeiterin gegen den theuereren Arbeiter aus und verschlechtert mittels ihrer Schmußkonkurrenz seine Lohn- und Arbeitsbedingungen. Damit nicht genug. In Zeiten einer Lohnbewegung, eines Ringens für günstigere Arbeitsbedingungen bedient er sich der unaufgeklärten, unorganisirten, widerstandsun­lustigen und widerstandsunfähigen Arbeiterinnen, um den Kampf der Männer lahm zu legen. Mit herzerfrischender Dentlichkeit bestätigt der Gewerberath für Posen in seinem letzten Bericht( 1893) die Thatsache. Im Posener Bezirk, so lesen wir, traten die Zigarren­arbeiter einer Fabrit in einen sehr ernsten Ausstand", weil die Affordlöhne zu niedrig waren und willkürlich verkürzt wurden; vor Allem aber, weil der Prinzipal die Einstellung von billigeren und fügsameren weiblichen Zigarrenmachern an Stelle von widerspenstigen männlichen eingeleitet hatte".

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Die stete und rapide Zunahme der Frauenarbeit macht des­halb die gewerkschaftliche Organisation der Industriearbeiterinnen zur dringendsten Nothwendigkeit. Die industriell thätige Frau hört erst auf, eine Schmutzkonkurrentin und Streifbrecherin des Mannes ihrer Klaffe zu sein, wenn sie auf wirthschaftlichem Gebiete seine Kampfesgenossin wird, wenn sie mit ihm zusammen, aufgeklärt und organisirt, gegen die kapitalistische Ausbeutung streitet, um der Arbeit ein Titelchen von dem zu ertroßen, was der Arbeit ge­bührt. Die von der Generalfommission der Gewerkschaften an­geregte planmäßige Agitation unter den Industriearbeiterinnen zum Zweck ihrer Einbeziehung in die Gewerkschaften entspricht einem Lebensinteresse der gewerkschaftlichen Bewegung, einem Lebens­interesse des Proletariats. Gewerkschaften, welche der Anregung der Generalfommission die Antwort schuldig blieben, würden in unbegreiflicher Verkennung des Thatbestands einen Selbstmord begehen und die gesammte Arbeiterschaft schädigen. Denn ohne die gewerkschaftliche Organisation der Industriearbeiterinnen, ohne ihr bewußtes, planmäßiges und energisches Mitthaten im wirth­schaftlichen Kampfe vermag die Gewerkschaftsbewegung für die Arbeiterschaft vieler Industriezweige auf die Dauer keine Erfolge mehr zu erzielen. Die wirthschaftliche und politische Entwicklung schränkt in Deutschland   das Thätigkeitsfeld der gewerkschaftlichen Organisationen in der und jener Richtung ein. Dafür erweitert sie es in anderer Beziehung. Unter den vielen und hochwichtigen Aufgaben aber, welche der Gewerkschaftsbewegung im Klassenkampfe zufallen, steht die Aufklärung und Organisation der Industrie­arbeiterinnen mit an erster Stelle.

Arbeiterinnen- Bewegung.

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In der Zeit vom 10. Februar bis 10. März fanden öffent­liche Versammlungen statt in: Altona  , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Bericht der Agitationskommission" ( Gen. Stühmer); Barmen, drei öffentliche, sehr gut besuchte Ver­sammlungen für Arbeiter und Arbeiterinnen: 1. Die erzieherische Wirkung der Organisation", 2. Die soziale Lage des Volks und das Umsturzgesetz", 3. Der Aberglaube im Volte"( Genossin Schneider­Köln); Berlin  , öffentliche Versammlung des Frauen- und Mädchen­Bildungsvereins: Das Leben und die Lehren von Karl Mary"( Gen. Schmidt- Zürich  ); öffentliche Versammlung der Konditoren, Zucker­

waaren und Chokoladenfabrikarbeiter und Arbeiterinnen: Die