Frauen und Mädchen von Ottensen   und Altona   waren zusammen organisirt) Anklage erhoben worden sein. Die Beamten des Herrn v. Köller sind allerorten mit Lust und Liebe am Werk, um auch ohne " Umsturzgesetz" und ohne Reform" des preußischen Vereins- und Versammlungsrechts der proletarischen Frauen Schulung und Organi­sation zu hintertreiben. Nur zugeföllert. Die Proletarierinnen bleiben die Antwort darauf nicht schuldig.

In Frankfurt   a. M. lehnte das Gericht die von der Staats­anwaltschaft geforderte Schließung des Gewerkschaftskartells, als eines politischen Vereins, wegen Zulassung der Frauen ab. Aller­dings bekannte sich das Gericht zu der unseres Wissens erst aus neuerer Zeit datirenden Erkenntniß vom Wesen der Vereine und erklärte somit das Gewerkschaftskartell als einen jener interessanten Vereine, die nach dem Beispiel des Messers ohne Klinge und ohne Heft weder Leitung, noch Mitgliedschaft haben. Der Vertrauensmann, Genosse Trompeter, wurde in der Folge wegen Nichteinreichung des Mitgliederverzeichnisses und der Statuten zu 25 Mart Geldstrafe ver­urtheilt. Dagegen vermochte das Gericht nicht, der feinsinnigen Auf­fassung des Staatsanwalts entsprechend, die politische Natur des Vereins Gewerkschaftskartell zu entdecken. Es erachtete deshalb die Zulassung der Frauen zu den Versammlungen des Kartells als gesetzlich zulässig und nicht strafbar. Selbstverständlich, sollte man hinzufügen. Wunderbar genug, kommt statt dessen unter die Feder. In unserer Zeit der staatsretterischen Nücken und Tücken gegen die Proletarierinnen, welche sich aufklären und organisiren wollen, erscheint ein freisprechendes Erkenntniß als eine wunderbare Ausnahme.

Bemerkungen zu einem Urtheil des Berliner  Gewerbegerichts,

die Arbeitsbedingungen der Kragen- und Manschettenstepperinnen betr.

Anfang April wurde vor dem Berliner   Gewerbegericht eine Angelegenheit verhandelt und ein Urtheil gefällt, welche das lebhafte Interesse der in der Kragen- und Manschettenindustrie beschäftigten Arbeiterinnen verdienen.

Bekanntlich herrscht schon seit Jahren zwischen den Stepperinnen und den Unternehmern der Kragen- und Manschettenindustrie Mei­nungsverschiedenheit darüber, ob erstere auch für solchen Schaden an Wäschestücken haftbar seien, der nicht gleich, sondern erst nach dem Waschen zu Tage tritt. Die Arbeiterinnen verneinen natürlich die Frage und sträuben sich gegen empfindliche Abzüge vom fargen Lohn für Schaden", der bei der Ablieferung der Kragen und Man­schetten nicht bemerkbar war und der, ihrer Ueberzeugung nach, nicht die Folge ungenügend sorgfältiger Arbeit ihrerseits ist, sondern durch die Waschmaschinen oder die Qualität des verarbeiteten Stoffes ver­ursacht wurde. Die Unternehmer dagegen halten daran fest, die mangelhafte Arbeit der Stepperinnen, das Nähen mit einer stumpfen Nadel, dafür verantwortlich zu machen, wenn nach dem Waschen die Kanten der Kragen und Manschetten sich als schadhaft erweisen.

Das Berliner   Gewerbegericht hatte sich nun fürzlich mit einem Streitfall dieser Art zu befassen. Der Kaufmann Frankfurter, Inhaber der Wäschefabrik Sternberg, flagte gegen eine Kragenſtepperin auf Bahlung von 13,03 Mt. Schadenersatz für verdorbene Kragen, nach­dem er ihr dafür bereits 21,27 Mt. vom Lohne   in Abzug gebracht hatte. Die Stepperin beanspruchte ihrerseits durch sogenannte Widerklage die Herauszahlung des einbehaltenen Lohnes. Das Gewerbegericht entschied zu Gunsten des Fabrikanten, es schloß sich der gang und gäben Auffassung des Unternehmerthums an, und dies auf Grund des Gutachtens verschiedener vernommener Sachverständigen. Dieses richterliche Erkenntniß, sowie die Gutachten der Sachverständigen fordern die Unterzeichnete zu etlichen kritischen Bemerkungen heraus, die ihr im Interesse der Arbeiterinnen der Wäscheindustrie durchaus berechtigt scheinen. In meiner Eigenschaft als alte Kragennäherin", die früher selbst bei der Firma Sternberg gearbeitet hat, darf ich für mich wohl die nöthige Erfahrung und ein mindestens ebenso zutreffen­des Urtheil beanspruchen, wie der Vertreter der Wäschefabrik Borchert und die, alte Arbeiterin", die beide als Sachverständige vernommen worden sind. Vorausschicken will ich noch, daß ich mich betreffs des Gangs der Verhandlungen an einen Bericht halte, der im Vorwärts" vom 6. April erschien.

Darnach behauptete der Kläger Frankfurter, die Beklagte hätte ihm acht Duhend Kragen dadurch verdorben, daß sie diese mit einer stumpfen Nadel genäht habe, und daß erst nach dem Waschen der dadurch verursachte Schaden erkennbar sei. Zum Ersatz für diesen Schaden sei sie verpflichtet laut Arbeitsordnung, welche bestimmt, daß die Arbeiterinnen für einen ihrerseits verschuldeten Schaden bis zur vollständigen Fertigstellung des Arbeitsgegenstandes hastbar sind. Die Beklagte bestritt ihre Schuld an den schadhaften Kanten der Kragen.

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Meines Erachtens hätte nun der Kläger   den Beweis erbringen müssen, daß die betreffenden acht Dutzend Kragen thatsächlich mit einer stumpfen Nadel genäht worden waren, und daß dieser Umstand bei der Abnahme der Kragen nicht erkannt werden konnte. Die Führung dieses Beweises scheint nun weder vom Richter noch von der Beklagten verlangt worden zu sein. Das Gericht hielt sich für den Beweis an die Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und der als Sach­verständige vernommenen erwähnten beiden Personen. Diese stimmten darin überein, daß die mit einer stumpfen Nadel genähte Naht bei der Wäsche leicht zerreißt. Die stumpfe Nadel bohrt nämlich ein größeres Loch als eine schlankspizige und zerreißt deshalb beim Durch­lochen des Stoffes sehr oft den Gewebfaden. Erwähnt wurde aber von keinem der Sachverständigen, daß der Kragen beim Waschen sehr leicht zerreißt, wenn er aus hartem Leinen hergestellt werde. Das Zerreißen tritt ferner sehr oft ein während des Ausringens der Kra­gen und Manschetten und zwar in Folge des Umstandes, daß die nassen Wäschestücke luftdicht geworden sind und die in ihnen ein­geschlossene, durch die Wringmaschine zusammengepreßte Luft sich gewaltsam einen Ausgang schafft.

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Auch sonst noch erscheint mir die Unfehlbarkeit des Gutachtens der beiden nichtgerichtlichen Sachverständigen das besonders ent­scheidend war durchaus nicht über jeden Zweifel erhaben. Der Vertreter der Firma Borchert war bei der Entscheidung des Falles und zwar zu Gunsten des Klägers interessirt. Der Letztere hatte ja seine Klage angestrengt, um das Prinzip zu retten und seiner ganzen Branche zu nutzen". Das zu rettende" Prinzip" war aber kein an­deres als das der Lohnabzüge, durch welche findige Unternehmer mit Uebertrumpfung der mittelalterlichen Kipper und Wipper die Arbei­terinnen zu ärmen wissen; es war das Prinzip des höchstmöglichen Unternehmerprofits auf Kosten rackernder und darbender Arbeiterinnen. Vom Nutzen der Branche" wurde gesprochen, aber der Nutzen des Unternehmerthums war gemeint. Und deshalb liegt die Vermuthung außerordentlich nahe, daß der Vertreter der Firma Borchert ange­sichts der Bethätigung so schönen Solidaritätsgefühls seitens des Herrn Frankfurter, instinktiv, unbewußt, mit nicht geringerem Solidaritäts­gefühl, die verdorbenen Kragen und ihre Ursache mit dem Auge des Unternehmers ansah. Was aber das Gutachten der aufmarschirten alten Näherin" anbelangt, so will ich nur auf Eins hinweisen: dieselbe erachtete es für nöthig, vor Abgabe ihres Gutachtens einige Kragen mit stumpfer Nadel zu nähen und die Wirkung des Waschens auf sie zu prüfen. Meiner Ansicht nach spricht dieser Umstand gerade nicht für frühere genaue, sorgfältige Beobachtung der Wechselfälle, welche beim Nähen von Kragen und Manschetten sich bemerkbar machen.

Endlich und nicht am wenigsten ist es meines Erachtens aus­geschlossen, daß eine Stepperin acht Dugend Kragen mit einer stumpfen Nadel näht. Das Stumpfwerden der Nadel macht sich der Näherin sofort bemerkbar durch das stärkere Geräusch der Maschine, durch den schwereren Gang, falls sie mit den Füßen getrieben wird. und durch das fortwährende Reißen des Nähfadens, das zu nicht unbeträchtlicher Zeitversäumniß führt. Zeit ist aber kostbar für die Arbeiterin, weil sie im Akkord schafft, und so scheut gewiß keine Stepperin die Ausgabe von 10 Pf. für eine neue Nadel. Sollte die Beklagte und Verurtheilte thatsächlich bei der Arbeit unaufmerksam gewesen sein und nicht bemerkt haben, daß die Nadel stumpf gewor den war, so hätte aus den angegebenen Gründen ihre Unaufmerkſam­feit höchstens einige Minuten vorgehalten. Ein einziger Kragen hätte unter der mangelhaften Arbeit gelitten, aber nicht acht Dutzend! Ich glaube, selbst einem Laien in der Kragenfabrikation wird das einleuchten.

Für den Unternehmer ist es selbstverständlich sehr vortheilhaft, den im Laufe des Anfertigungsprozesses vorkommenden Schaden an Kragen und Manschetten Kragen und Manschetten die, nachdem sie gesteppt sind, noch durch viele Hände gehen von der Näherin tragen zu lassen, und dies auf die bloße Behauptung hin, sie habe mit stumpfer Nadel gearbeitet. Ob die Stepperin überhaupt für Schaden haftbar gemacht werden könne, der nicht bei Ablieferung ihrer Arbeit zu Tage tritt, sondern erst nach dem Waschen der Gegenstände, darüber hat das Gericht nicht entschieden. Und dies in Anbetracht des Umstandes, daß die Arbeiterin nach der Fabrifordnung für den Schaden bis zur voll­ständigen Fertigstellung der Kragen und Manschetten hastbar war. Jedenfalls liegt es aber im Interesse der Arbeiterinnen, daß einmal im Prinzip die Frage entschieden wird, ob eine Bestimmung wie die angezogene überhaupt zu Recht in einer Fabrifordnung stehen darf. Wie wichtig für viele Tausende proletarischer Frauen die Entscheidung dieser Frage ist, erhellt aus der Thatsache, daß in dem angeführten Falle die Stepperin durch den für sie ungünstigen Ausgang der Ver­handlungen 34,30 Mt. verliert. 34,30 Mt., das ist eine sehr bedeu­tende Summe für eine Arbeiterin überhaupt, ganz besonders aber