Bestrebungen huldigen. Unter den Kongreßtheilnehmern befand sich 3. B. Gräfin Aberdeen, Vorsitzende des Internationalen Frauen­rechts"; Lady Somerset, bekannt als ebenso rührige wie talentvolle Vorkämpferin für eine äußerst bunte Musterkarte von allerhand Wohl­fahrts und Frauenbestrebungen; Miß Frances Willard   Illinois  , Vorsitzende der Nationalen christlichen Frauen- Temperenz- Union" ( Mäßigkeits- Antialkoholverein); Mrs. Grannis- New York  , Vorsitzende der Nationalen christlichen Liga für Ausbreitung sozialer Reinheit"; Mrs. Foster- Washington, Vorsitzende des Republikanischen Frauen­verbandes der Vereinigten Staaten  "; Mrs. Soloman- Illinois, Vor­sitzende des Nationalraths jüdischer Frauen"; Mrs. Miller, eine be­fannte Kleiderreformerin; die weiblichen Geistlichen: Annie Ford­Eastman von Elmira( New York  ), Anna Howard Shaw   von Pennsyl­ vanien   und Caroline Bartlett von Kalamazoo  ( Michigan  ) 2c. 2c. Als Gäste wohnten unter anderen dem Kongresse bei Delegirte des Ersten Verbandes weiblicher Zahnärzte der Vereinigten Staaten  "; des ,, Nationalen Indianischen Frauenverbands", der Nationalliga far­biger Frauen", des Arbeiterinnenvereins" 2c. 2c.

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Die Vertreterin jeder Organisation hatte fünf Minuten Rede­zeit, um den Kongreß zu begrüßen, und diese Redezeit wurde nie überschritten. Von der übelberufenen Geschwäßigkeit des weiblichen Geschlechts zeigte sich weder in der Gröffnungssigung des Kongresses, noch bei den Verhandlungen eine Spur. Die Vorsitzende des Kon­gresses, Mrs. May Wright- Sewell aus Indianapolis   betonte die Schwierigkeiten, zu einem gemeinsamen Handeln Frauen zusammen­zuschaaren, welche sich zu den verschiedensten Ueberzeugungen bekennen und den verschiedensten Bestrebungen huldigen. Man habe sich des halb darauf beschränkt, nur diejenigen zu einer gemeinsamen Aktion heranzuziehen, die verbunden seien durch eine gewisse Gemeinsamkeit der Anschauungen bezüglich von Reformen zu Gunsten des weiblichen Geschlechts.

Der Kongreß befaßte sich nach den uns in der amerikanischen  Arbeiterpresse vorliegenden Berichten* mit folgenden zwei Fragen: 1. Reform der Gesetzesbestimmungen die Ehescheidung betreffend. 2. Gesetzliche Festlegung des Grundsatzes: Gleichen Lohn für gleiche Leistung ohne Unterschied des Geschlechts. Gelegentlich der Verhand­lungen über die erste Frage wies die Vorsitzende ausdrücklich zurück, daß man sogenannte leichte Scheidungen" erstrebe. Man fordere nur, daß im Falle der Scheidung der Frau ihr volles Recht durch das Gesetz werde. Der Kongreß beauftragte ein Komite, durch geeignete Mittel darauf hinzuwirken, daß überall, wo in den Vereinigten Staaten   eine Kommission zum Zwecke des Studiums der Scheidungsfrage eingesetzt wird, diese Kommission zu gleichen Theilen aus Männern und Frauen bestehen soll. Zur zweiten Frage wurde hervorgehoben, das Ver­ständniß für die Forderung gleichen Lohn für gleiche Leistung sei dadurch gefördert worden, daß gelegentlich der Chicagoer   Weltaus­stellung die bei dem Frauenausschuß angestellten Frauen das gleiche Gehalt erhielten, wie die mit dem entsprechenden Amt bekleideten Männer. Frau Hewpal- Zeman- Chicago betonte, daß es behufs Ver­wirklichung des Grundsatzes dringend nöthig sei, den besonders schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen der ausländischen Arbei­terinnen in den Vereinigten Staaten   sorgfältige Aufmerksamkeit zu­zuwenden. Zu diesem Zwecke forderte sie die Gründung eines be­sonderen Sekretariats, das Erhebungen zu veranstalten und für die Aufklärung und Organisation der in Frage kommenden Arbeiterinnen zu wirken habe. Ihr Vorschlag wurde zum Beschluß erhoben. Frau Schieß- Chicago   führte aus, daß die geforderte bessere Entlohnung weiblicher Thätigkeit von höchster Bedeutung für das weibliche Ge­schlecht sei angesichts der Thatsache, daß 1893 in den Vereinigten Staaten 2747 159 Frauen ihren Unterhalt selbst erwerben mußten. Im Uebrigen vertrat sie die Ansicht, daß die erwerbenden Frauen so lange gefnechtet sein würden, als ihnen nicht das Stimmrecht gegeben und gleiche Rechte mit den Männern eingeräumt seien. Die proletarischen Frauen wissen, wie irrthümlich diese Ansicht ist, und wie sie durch die soziale Knechtschaft des stimmberechtigten Prole­tariers ad absurdum geführt wird. Mit oder ohne Stimmrecht und Gleichberechtigung mit dem männlichen Geschlecht bleibt die prole­tarische Frau unfrei und versflavt, so lange sie Proletarierin ist, so lange die kapitalistische Gesellschaft besteht. Aber wenn sie deshalb auch die frauenrechtlerischerseits übliche und erklärliche übertriebene Werthschätzung der politischen Gleichberechtigung nicht theilt, so unter­schätzt sie doch keineswegs die ungemein hohe Bedeutung, welche der Besitz der politischen Rechte auch für sie hat. Und deshalb begrüßt es die politisch aufgeklärte und geschulte Proletarierin mit Genug thuung, wenn allenthalben und gelegentlich der verschiedensten Fragen

* Sollten wir eingehendere Berichte über den Kongreß erhalten, so werden wir das Interessanteste aus ihnen nachtragen.

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betont wird, wie nothwendig die Zuerkennung des Wahlrechts an das weibliche Geschlecht ist.

Mit dieser Nothwendigkeit, mit der Frage des Frauenstimm rechts beschäftigte sich der andere amerikanische   Frauenfongreß, die 27. Jahresversammlung des Nordamerikanischen Frauen wahlrechtsvereins", welcher in Atlanta   tagte. Auch die Theil nehmer dieses Kongresses refrutirten sich aus Frauen, bezw. den Dele girten von Organisationen, welche nicht nur Vorkämpferinnen sind für das Stimmrecht des weiblichen Geschlechts, sondern Trägerinnen der verschiedenartigsten sozialen Strömungen. Den Vorsitz führte Miß Susan Anthony  , die schon seit 40 Jahren an der Spitze der Bewegung für das Frauenwahlrecht steht und durch ihre rastlose, aufopfernde und geschickte Thätigkeit viel zur Ausbreitung und dem Erstarken dieser Bewegung beigetragen hat.

Die Verhandlungen wurden allmorgentlich durch Gebet eingeleitet, welches abwechselnd von zwei weiblichen Geistlichen verschiedener Seften, einem katholischen Priester und einem Rabbiner gesprochen wurde. Die Delegirten aus verschiedenen Staaten berichteten von den Kämpfen um das Wahlrecht der Frauen, die hier und da Erfolg hatten oder in furzer Zeit solchen versprachen. Fast überall haben Frauen das Wahlrecht dadurch zu erzwingen versucht, daß sie die Steuerleistungen verweigerten. Besondere Begeisterung erregte der Bericht der Dele girten von Colorado  , welche eingehend die Wirkungen der politischen Gleichberechtigung der Frauen in ihrer Heimath schilderte. Die drei weiblichen Parlamentsmitglieder, Mrs. Holley, Mrs. Cressingham und Mrs. Bryau haben durch ihr ruhiges und sicheres Auftreten die allgemeine Achtung erworben. Die erste von einer Frau( Mrs. Holley) eingebrachte Gesetzesvorlage bezieht sich auf den Schutz der Mädchen und will die Altersgrenze für fonzessionirte Prostituirte von 16 auf 21 Jahre hinaufsetzen. Zur Förderung der politischen Bildung der Frauen wurde eine Frauenliga gegründet, deren Mitglieder zu gemein samer Lektüre und zu sozialpolitischen und nationalökonomischen Vor trägen zusammenkommen. Wie ungemein mit der Verleihung des Wahlrechts das Interesse der Frauen an öffentlichen Fragen gewor den ist, geht daraus hervor, daß seitdem mehr Bücher über politische und nationalökonomische Fragen verlangt worden sind, als in den 18 Jahren vorher. In Wyoming   führt nach dem Bericht von Miß Anthony in allen Landgemeinden eine Frau den Vorsitz im Schulrath, und bei den letzten Wahlen befürworteten alle Parteien die Berufung einer Frau, Miß Estella Reel, zum Amt des Oberaufsichtsraths für Schulangelegenheiten.

Als Vorsitzende des Nordamerikanischen Frauenwahlrechts vereins" wurde Miß Anthony wieder erwählt, und der Kongreß nahm betreffs der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts eine längere Resolution an, deren erster und wesentlicher Punkt bezeichnend genug lautet:

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Eine Regierung des Volks, durch das Volk und für das Volt muß aus Männern und Frauen gleichmäßig zusammengesetzt sein. Die gemeinsame Arbeit der Geschlechter ist nothwendig zur Begründung eines glücklichen Familienlebens, einer guten Gesell schaftsordnung, einer christlichen Kirche und eines demokratischen Staats."

Die Schulung unserer Leserinnen enthebt uns einer Kritik dieses Kampi Beschlusses. Statt ihrer noch ein Wort über den einheitlichen für Frauenrechte, der so oft bürgerlicherseits den deutschen Frauen, und nicht zum wenigsten den proletarischen, die sich als achtungs gebietende Streitmacht erweisen, als leuchtendes Beispiel empfohlen wird. Die Thatsache, daß in Australien  , daß in Amerika  , ja bis zu einem gewissen Grade auch in England der Kampf für die Gleich berechtigung des weiblichen Geschlechts in einer einheitlichen Bewegung Personen und Organisationen vereint, welche verschiedenen Schichten der Gesellschaft angehören, die verschiedenartigsten Ziele verfolgen und die Frauenrechtelei mit religiösen, philanthropischen und Tempe renzbestrebungen verquicken, ist erklärlich genug. Eine Sammelsurium Fraueurechtelei ist unseres Erachtens dort möglich, wo, wie in Australien  , um mit Mary zu reden, die Klassengegensätze wohl vors handen, aber noch nicht fixirt sind", oder wo, wie in Amerika  , die Fixirung noch nicht vor langer Zeit und zum Theil auch noch nicht vollständig geschehen ist, und die Tradition der früheren sozialen Zustände noch mächtig wirksam sich erweist. Eine Sammelsurium Frauenrechtelei kann innerhalb gewisser Grenzen und für eine gewisse Zeit auch dort fortkommen, wo, wie in England, die Klaffengegensäße zwar längst unverrückbar festgelegt sind, aber der Klassenkampf politischem Gebiete noch nicht mit dem Auftreten und der Thätigkeit einer machtvollen sozialistischen   Arbeiterpartei so schroffe Formen angenommen hat, die regsten und besten geistigen Kräfte der Nation so hervorragend absorbirt, daß alle anderen sozialen Strömungen den Hintergrund gedrängt werden, daß auch in der Welt der Frauen

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