Schicht nicht mehr zur Arbeit zugelassen. Arbeiter und Arbeiterinnen, die dreimal bald hintereinander zu spät kommen, werden entlassen. Damit des Lebens Ernst nicht verloren geht, verfällt Jeder, der bei Scherzen und Neckereien betroffen wird, in eine Strafe von 50 Pf. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend; Mädchen unter 16 Jahren werden nicht beschäftigt. Die zweite Fabrik, in dem Nachbarort Bredow, hat Saisonbetrieb. Die Arbeit beginnt im Oktober und dauert bis zum Januar oder Februar. Beschäftigt werden je nach Bedarf 200 bis 300 Arbeiterinnen gegen einen Tagelohn von 80 bis 90 Pf. Die Arbeitszeit währt von 6 bis 6 Uhr mit stün diger Frühstücks- und Vesperpause und einer Stunde Mittag.

In den Bonbonsfabriken, deren es in Stettin   und nächster Umgegend 4 oder 5 giebt, ist die Arbeitszeit die übliche, jedoch be­trägt in mehreren die Frühstücks- und Vesperpause nur je eine Viertel­stunde. Der Lohn der Arbeiterinnen stellt sich auf 4,50 bis 6 Mt. pro Woche. Zuspätkommen wird mit 25 Pf. bestraft. In einer Fabrik werden 50 Pf. pro Woche vom Lohn einbehalten.

Für einen Wochenlohn von 7,50 Mt. sind 25 Arbeiterinnen in einer Zichorienfabrik beschäftigt. Auch ihr Einkommen wird durch Strafgelder vielfach und zwar manchmal bedeutend geschmälert. So wird u. a. das Zuspätkommen zur Arbeit mit 25 Pf. Buße geahndet 2c. Eine zweite Zichorienfabrik in Züllichow zahlt ihren mehr als 30 Arbeiterinnen einen Wochenlohn von 5 bis 7 Mt. Hier, wie in dem erſterwähnten Betriebe und in den meisten anderen Unter­nehmen hat die Arbeitszeit die gesetzlich festgelegte Dauer, nur daß sie in manchen Fabriken um 7, in anderen um 6 Uhr beginnt. Eine Kaffeefabrik beschäftigt mit dem Sieben, Auslesen und Rösten des Kaffees 35 Mädchen gegen einen Wochenlohn von 7,50 Mt. Die 14 Arbeiterinnen einer Rollmopsfabrik verdienen wöchent lich 6 bis 9 Mt. Eine sehr bedeutende Anzahl von Frauen wer­den auch in den großen Heringsniederlagen mit Packen, Sor­tiren 2c. beschäftigt. Ihr Lohn beträgt meist 1 Mt. pro Tag, hin und wieder auch 1,25 Mk.

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In der staatlichen Patronenfabrik sind zur Zeit zwar nur 35 Frauen und Mädchen thätig, doch ist sie für Einstellung einer vielfach größeren Arbeiterinnenzahl eingerichtet. Der hier übliche Wochenlohn beträgt 9 Mt. Die Arbeit beginnt um 6 Uhr Morgens und endet um 4½½ Uhr Nachmittags. Die Mittagspause beträgt 1 Stunde, die Frühstückspause eine halbe Stunde. Zuspätkommen

Wie der Huber ungläubig ward. Von Ludwig Anzengruber  .

( Fortsetzung.)

Der Mann galt für eine der christgläubigsten Seelen des Kirchspieles und er mochte sich wohl selbst dafür halten. Schon als Knabe lernte er seinen Katechismus und dachte dabei an nichts, als wie er die Lehrsäge und Erläuterungen behalte, für den Fall, daß die Frage danach an ihn fäme. Er besuchte fleißig die Kirche, machte alle Bräuche mit, wie es" hergebracht" war und enthielt sich der Hochfahrt des Denkens über derlei Dinge, er dachte überhaupt nur, wo sich ihm die Gedanken unabweisbar aufdrängten, und das war bis­her meist Handels und Wandels wegen, in Beziehung auf seine Wirth­schaft und den Verkehr mit Freund und Feind da in der Gegend. Er bog an der Kirche ein und schritt auf das Gitterthor zu, dasselbe war nur angelehnt, er rückte es auf, es kreischte in den verrosteten Angeln, und der Kies, über den es wegstrich, fuirschte; er trat ein und warf es in das Schloß, er dachte nicht daran, hinter sich etwas auszusperren.

Er war allein. Die Sonne lugte über die Mauer. Das Gras lag im Thau. Die Vergoldungen, auf welche das Morgen­licht fiel, brannten, die glatten Steine, das glatte Eisen glänzten feucht, winzige Tröpfchen hatten sich wie eine Staubschichte auf sie niedergeschlagen. Auf den Bäumen lärmten die Vögel, hie und da schwirrten ein paar aus dem Laub nieder und balgten sich auf dem Kieswege, daß ein leichtes Staubwölkchen aufschlug, dann stoben sie auseinander.

Der Huber ging nach einem frischaufgeworfenen Grabhügel, nahm den Hut ab, faltete die Hände und betete ein Vaterunser. " Hast auch nicht mehr vom Leben gehabt als die Anderen und im Tod schwermüthig leiden müssen, Anne Marie", sagte er leise. Jezt hast Du es überstanden."

Dann wandte er sich ab und ging die Gräberreihe entlang, Kreuz für Kreuz, Stein für Stein und las die Sprüche darauf.

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wird mit Entlassung bestraft. Die Fabrik beschäftigt keine Personen unter 18 Jahren. Die ca. 75 Mädchen, welche in der Kerzen- und Seifenfabrik arbeiten, verdienen wöchentlich 4 bis 7 Mt. Für jedes Zuspätkommen müssen sie 50 Pf. Strafe entrichten. Eine größere Anzahl von Arbeiterinnen sind nach und nach auch in die Holzindustrie eingedrungen. In einer großen Stettiner Näh­maschinenfabrik sind ungefähr 90 Mädchen thätig, davon etwa 60 als Polirerinnen, die übrigen als Schleiferinnen, beim Einnähen u. s. w. Der wöchentliche Verdienst schwankt zwischen 4,50 bis 6 Mt. Affordarbeiterinnen können es auf 10 bis 11 Mt. pro Woche bringen. Die Mädchen, wie überhaupt alle Arbeiter des Betriebs, sind gezwungen, die zu ihrer Arbeit nöthigen Dinge, wie Schmirgel, Puzlappen, Spiritus u. s. w., von der Fabrik zu kaufen. Wenn diese auch die Preise dafür billig stellt, so erleidet in der Folge das Ein­kommen der Arbeiterinnen doch immerhin eine Schmälerung. Zuspät kommen wird mit einem Lohnabzug von 5 Prozent geahndet. 4,80 bis 12,50 Mt. beträgt der wöchentliche Verdienst der 25 Mädchen, die in einer Goldleistenfabrik schuften und schanzen. Der höchste Lohnsatz wird jedoch nur von sehr wenigen von ihnen erreicht, die meisten kommen nicht über 8 bis 9 Mf. pro Woche hinaus. Außerdem muß festgehalten werden, daß die Arbeit in der Goldleiſtenindustrie eine sehr gesundheitsschädliche ist. Weibliche Ar beitskräfte in nicht unbedeutender Zahl sind auch in den Holzbearbei­tungsfabriken eingestellt, welche in den Nachbar- und Vororten von Stettin   gelegen sind. Die Arbeits- und Lohnverhältnisse sind durch­gängig die gleichen, wie sie bereits geschildert worden sind. In einer Ristenfabrik arbeiten z. B. 25 Mädchen für einen Stundenlohn von 10 Pf. Eine Stettiner Wichsfabrik arbeitet mit 75 Mäd­chen. Dieselben stehen vorwiegend im Afford und verdienen zwischen 4 Mf. und 10,50 Mt. pro Woche. Wer dreimal im Monat zu spät kommt, wird entlassen. Die 30 Mädchen, welche in einer Filzpantoffelfabrik thätig sind, haben Wocheneinnahmen von 4,50 bis 6 Mt. Jedes Zuspätkommen müssen sie mit 25 Pf. büßen. Eine Besenfabrik beschäftigt 40 Mädchen, deren Wochenver­dienst zwischen 4 bis 6 Mt. schwankt.

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Die angeführten Ziffern und Thatsachen geben wohl zur Genüge einen Einblick in die Erwerbsverhältnisse der Stettiner Arbeiterinnen. Erfreulich ist dieser Einblick nicht, denn er eröffnet einen Ausblick auf eine Existenz voller Mühen und Sorgen, voller Entsagungen und

Er war an die rückwärtige Mauer gelangt, hinter welcher die Sonne heraufkam und vor der die Denkmale im Schatten lagen. Er schüttelte den Kopf und murmelte:" Es ist immer das selbe und doch nicht einerlei."

Er stand vor einem eingesunkenen Hügel, Unkraut wucherte aus der zerfallenen Scholle, zu Häupten erhob sich ein hölzern Kreuz mit einer von Regengüssen arg verwaschenen Blechtafel, auf welcher in verschnörkelter Schrift angemalt war:

Dies ist errichtet der Antonia Kaiserin,

Die sitzet nun im Himmel d'rin. Jm 62. Jahre ihres Alters. Geb. 1774,

aufgestellt im 37er Jahre

von ihrer tiefbetrübten Tochter.

Die geht jetzt selber als ein so alt' Weib herum wie ihre Mutter, die da liegt."

Daneben war ein wohlgepflegtes Grab mit grünem Rasen und bunten Blumen, welche die thauschweren Kelche sentten, und einem polirten Stein, der in goldenen Lettern die Inschrift trug:

"

Hier

ruhen in einem süssen Frieden

Johann und Anton Fürstenried, Wirthe allhier zur goldenen Waage

bis zum Auferstehungstage.

1872.

Beim alten Johann hab' ich als Bursch noch manche Halbe getrunken, mit dem Anton bin ich in die Schul' gegangen und beim Enkel fehr' ich noch manchmal ein. Brave Leut', die auf der goldenen Waag'."

Er schüttelte wieder den Kopf, blickte nach der Gräberreihe zurück, die er abgegangen und dann auf die beiden Grabstätten, an denen er eben stand. Das hebt gerade wieder so an, dort liegen sieben, die sich mit dem Zuwarten bescheiden und ihrer neun