Welche Unterstützung können die Krankenkassen diesen an Bleich sucht und Nervosität leidenden Frauen gewähren? Abgesehen von Medikamenten als Höchstleistung ein Liter Milch pro Tag, für Arbeitsunfähige eine Flasche Wein pro Woche.
Hier sollte entschieden ein Modus gefunden werden, um die Leistungsfähigkeit der Kassen zu erhöhen, sei es, wie Gertrud Dyhrenfurth vorschlägt, durch Zentralisation der Kassen, sei es, indem man die Unternehmer zwingt, die Kassenbeiträge für ihre Arbeiterinnen, auch für die Heimarbeiterinnen ganz oder theilweise zu leisten. Dem Einwand, daß häufig Arbeiterinnen für mehrere Geschäfte zugleich arbeiten, wäre durch eine genaue Listenführung der Heimarbeiterinnen, gegebenenfalls durch eine Vertheilung der Krankensteuer auf die einzelnen Betriebe nach ihrer Größe zu begegnen.
Das Kapitel über das Zwischenmeisterthum fügt dem bereits bekannten Bilde neue Züge nicht hinzu. Hervorgehoben sei nur, daß hier die alte Forderung der Arbeiter acceptirt und des Näheren begründet wird, warum der Freitag als Lohntag dem Sonnabend weitaus vorzuziehen ist. Es erübrigt sich, die bereits bekannten Gründe hier nochmals auseinander zu setzen.
Wir kommen zu den gesetzgeberischen Reformen, die die Verfasserin auf Grund ihrer Erfahrungen durchgeführt sehen möchte. Können wir ihren Ansichten bezüglich des Wohnungswesens, der Ausdehnung der Gewerbeinspektion auf die Heimarbeit, der Einführung weiblicher Fabrikinspektoren und der Schaffung eines obligatorischen Arbeitsnachweises durchaus zustimmen, so gilt nicht dasselbe in Bezug auf das, was über Heimarbeit und gewerkschaftliche Organisation gesagt wird. Nach den Eigenerfahrungen der Berichterstatterin sollte es ausgeschlossen scheinen, der Heimarbeit unter irgend einer Form das Wort zu reden. Und doch geschieht dies. Da wird geltend gemacht, daß manche Frauen etwas verdienen müssen, die zu Hause unabkömmlich sind, da wird wieder einmal darauf hingewiesen, daß durch die Entwicklung der Technik häusliche Arbeitskraft der Frau freigeworden ist 2c.
Nun soll gewiß nicht verkannt werden, daß die Heimarbeit sich nicht von heute auf morgen abschaffen läßt, und daß es bei einer solchen Abschaffung nicht ohne empfindliche Schädigung Einzelner
* Bekanntlich gilt als Kriterium der Versicherungspflichtigkeit des Unternehmers der Umstand, daß eine Heimarbeiterin das ganze Jahr hindurch ausschließlich für einen Arbeitgeber arbeitet. Das aber ist selten der Fall. Seltener noch allemal nachzuweisen.
Die Proletarierfrau
in der neueren französischen Tyrik. Von H. Thurow.
Vielleicht hat in keinem Lande das Weib einen so hervor ragenden Antheil an den geschichtlichen Kämpfen der neueren Zeit genommen, als in Frankreich . Wer erinnerte sich nicht des famosen Versailler Zuges der Fischweiber", der Theilnahme der Pariser Frauen an der großen Revolution, der Barrikadenkämpfe während der ,, Kommune", in denen das weibliche Element eine so hervorragende Rolle spielte? Die Ideen der politischen Freiheit und der sozialen Gleichberechtigung haben im flassischen Lande der Volkserhebungen auch jederzeit das Herz der Frauen entflammt und diese zu sehr gefürchteten Kämpen im Befreiungskampfe der unteren Stände gemacht.
Damit haben sich die Frauen einen ehrenvollen Platz nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der neueren Literatur gesichert. In der Politik ist ihr Einfluß zeitweilig von allergrößter Tragweite geworden. Die Stellung und das Loos des Weibes haben in und seit der bürgerlichen Revolution die meisten gesetz gebenden Versammlungen beschäftigt. Den Reformern in allen Lagern hat sich die Frage der Frauenemanzipation aufgedrängt. Es erübrigt sich fast, an Beispiele zu erinnern. Saint- Just , der mit Robespierre im Verlauf der Revolution die religiös- reaftionäre Strömung derselben in ihren schlimmsten Auswüchsen verkörperte, machte den Frauen die weitgehendsten Konzessionen:„ Wer eine Frau schlägt, wird verbannt.... Die Frauen dürfen nicht bevormundet werden."* In der„ Erklärung der Menschenrechte" wird die Gleichberechtigung des Weibes garantirt. In den Schriften
* Celui qui frappe une femme est banni.... Les femmes ne peuvent être censurèes. Saint- Just , Fragments sur les Institutions republicaines.
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abgehen würde. Eines aber ist gewiß: Die bei Abschaffung der Heimarbeit vorausgesetzten Schädigungen und Störungen des häuslichen Lebens könnten sich nicht schlimmer geltend machen, als dies bei der heutigen Arbeitsweise der Fall ist, die die Frau ihrem " Heim", ihrer Familie" erhält, wie man sich wohlgefällig auszudrücken pflegt. Ja, die Verewigung dieser Art von Arbeit wäre zu bekämpfen, selbst wenn es möglich wäre, die von Gertrud Dyhrenfurth an die Wohnung gestellten Anforderungen zu befriedigen. Da soll die Werkstätte des Hausindustriellen durch ihre Beschaffenheit erstens nicht die öffentliche Gesundheit gefährden, zweitens weder seine eigene Lebenshaltung noch drittens die des Werkstättenarbeiters herabdrücken". Wie sich die Verfasserin wohl das Einkommen eines hausindustriellen Arbeiters vorstellt, der in der Lage sein soll, solch eine Werkstatt zu beschaffen, und ob sie es in der That alleweg billig findet, daß die höhere Miethe, welche die den familiären Anforderungen entsprechende häusliche Werkstatt kosten würde, bei dem Zuschnitt z. B. der städtischen Unterstüßungen in Rechnung gebracht werden müßten?" Schlechte Löhne durch Armenunterstützung ausgleichen! Dies Jdeal von Sozialpolitik ist ja schon da und dort im Schwange. Es erübrigt nur, es in ein System zu bringen!
Der Frage der gewerkschaftlichen Organisation steht Gertrud Dyhrenfurth wenig sympathisch gegenüber. Sie glaubt, daß es den Frauen dazu an allen erziehlichen Vorbedingungen fehle. Sie mag recht haben bis heute. Dann aber gilt es, diese Vorbedingungen zu schaffen. Schwimmen lernen kann man nur, wenn man ins Wasser geht, und nur wer sich daran gewöhnt hat, seine Einzelinteressen im Zusammenhang des Ganzen zu betrachten, der wird ein brauchbarer Kämpfer für das Ganze und damit zugleich ein erfolgreicher Schützer des Eigenen werden. Wer nur hoffen darf, durch Massen zu wirken, der muß die Massen schulen. Dies aber läßt sich nur durch gewerkschaftliche Arbeit erreichen.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Im Auftrage der Agitationskommission der Norddeutschen Zahlstellen des Fabrikarbeiter Verbandes unternahm Genossin Ziez- Hamburg in der Zeit vom 12. bis 30. September eine Agitationstour durch Schleswig- Holstein . Versammlungen fanden statt in Hammwärde, Elmshorn , Uetersen , Wilster , Kellinghusen , Jhehoe, Neumünster , Schleswig ,
der großen Begründer des sogenannten utopistischen Sozialismus zeigt sich die Sorge um die Wohlfahrt des schwachen Geschlechts" auf jeder Seite.
In der schöngeistigen Literatur hat es natürlich niemals- in Frankreich ebensowenig wie in anderen Ländern- an Erörterungen und Deklamationen über die Geschicke des Weibes gefehlt. Soweit die meist politisch tendenzlosen Genre der Posse, der Epik u. s. w. in Betracht fallen, kann natürlich von einer Vertheidigung der Rechte der Frauen aus dem Volke kaum die Rede sein. Die epische Dichtung des Mittelalters hat zwar im Kultus des Weibes das denkbar Höchste geleistet. Was indessen die ritterlichen Kriegsund Liebeshelden den Text zu ihren romantischen Weisen lieferte, waren die angeblichen Herzenstugenden und die reiche Mitgift der adeligen Schloßdamen, nicht aber das Leben und die Leiden der Frauen und Mädchen des Volkes. Die Minnelieder verbargen nur schlecht die Sklaverei, des Weibes.
Doch auch in den anderen Gattungen der Dichtkunst, der Erzählung und dem Drama begegnen wir nur sehr vereinzelt einer Frau aus dem Volke. Die„ gelehrten Frauen" Molières gehören der Patrizierkaste oder doch wenigstens den Schichten der wirthschaftlich unabhängigen Bourgeoisie an. Wo es Beaumarchais gelingt, lebenswahre weibliche Typen zu schaffen, sind diese, wie im„ Clavigo ", vorzugsweise dem besser situirten Handelsstande entlehnt. Die größten Frauengestalten Racines:„ Athalie " und " Esther" sind der biblischen Königslegende entnommen. Madame de Sevigné macht in ihren geistvollen Briefen an ihre Tochter die Prinzessinuen, Gräfinnen und Kammerzofen am Hofe Ludwigs XIV. zum Gegenstand ihrer Plaudereien. Im Allgemeinen darf man wohl behaupten, daß uns während des ganzen 17. und dem größten Theil des 18. Jahrhunderts in der dramatischen und unterhaltenden Literatur Frankreichs kaum ein Weib entgegentritt, das die Ideen und Bestrebungen des sogenannten lezten Standes in ihrem innersten Wesen verkörpert.