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burg sind überwiegend Frauen und Mädchen beschäftigt, die 50, 70 und 80 Pf. verdienen, günstigstenfalls 1 Mt. 20 Pf. Kom­mentar zu diesen Löhnen überflüssig. Die Arbeiterinnen, die in der Dampfziegelei von J. Spohn offenbar echt weiblichen" Hanti­rungen nachgehen, werden pro Stunde mit 17 und 20 Pf. entlohnt. Ihre Beschäftigung dauert nur während der Sommermonate, In der Feinweberei von Manz& Stümmler in Ravensburg   können die Frauen bei Bedienung von 1-3 Webstühlen täglich 50, 60, 70 Pf. und 1 Mt. 30 Pf. verdienen. Besonders ungünstig sind auch die Arbeiterinnen der sogenannten Schornreuter Bleiche daran. Sie schaffen bei schier unerträglicher Hize bis 30 Grad und werden dafür mit 10 Pf. pro Stunde entlohnt. Das Zuwenig an Lohn paart sich mit einem Zuviel an grober Behandlung seitens der Aufseherin. Im Punkte Reinlichkeit und Ordnung läßt der Be­trieb sehr viel zu wünschen übrig. In dem kellerartigen Erdgeschoß liegen Hadern, altes Eisen und Holzabfälle durcheinander, Moder= geruch erfüllt die Luft. Das Zimmer, das den Arbeiterinnen während der Pausen zur Verfügung steht, ist schmutzig. Besonders ungünstig beeinflußt es die Gesundheit der Frauen und Mädchen, daß dieselben bald in drückender Hize, bald in der Nässe der Bleicherei   arbeiten müssen. Die Arbeiterinnen der Bleicherei   fallen denn auch durch ihr schlechtes Aussehen auf, sie gleichen Gespenstern". Beschwerden ihrerseits werden wie üblich mit der protzigen Redensart abgewiesen: Wenn es Ihnen nicht recht ist, können Sie gehen, ich bekomme Leute genug." Der Verdienst der Arbeiterinnen in der Leinenspinnerei Schornreute ist zwar auch kein hoher er beträgt höchstens 1 Mt. 30 Pf. täglich dagegen ist wenigstens ihre Behandlung eine anständige und menschenwürdige. Es ist eine der Hochburgen des Zentrums, wo Arbeiterinnen so hart ausgebeutet werden, daß mit ihrem Leib auch ihre Seele" vielfach Noth leidet. Wie nämlich behauptet wird, sollen Ravensburger Arbeiterinnen gezwungen sein, sich in der Straße nach einem Nebenverdienst umzusehen. Wo aber bleibt das thatkräftige Eintreten des Zentrums für gesetzlichen Schutz der Arbeiterinnen gegen übermäßige kapitalistische Ausbeutung? Wann immer die Frage des gesetzlichen Arbeiterschutzes zur Debatte gestanden, hat das Zentrum den Mund wohl arbeiterfreundlich ge= spitzt, aber kapitalistenfreundlich gepfiffen. In der Theorie erklärt es sich für die Beseitigung der industriellen Frauenarbeit und will die Frau ausschließlich dem Hause erhalten wissen. In der Praxis aber hat es sich bis jetzt dem wirksamen Schutz der Frauenarbeit widersetzt und damit die Arbeiterin der schrankenlosesten Ausbeutung und dem Nebenverdienst in der Straße überliefert. Wenn die kirch­lich mittelalterliche Seele des Zentrums in Konflikt geräth mit seiner modernen kapitalistischen   Seele, so triumphirt stets die Letztere. Denn auch die Herren vom Zentrum sind allzumal Sünder" und mangeln lieber des Ruhms, den sie vor ihren Grundsägen haben sollen, als der politischen Vortheile, die den parlamentarischen Lakaien des Kapitals zufallen!

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Ausbeutungspraktiken in der welschen Schweiz  .

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In der deutschen Schweiz   gehört es bei der kleinen wie bei der großen Bourgeoisie zum guten Ton, das Töchterlein, das die Sekundarschule besuchte und da etwas französisch parliren" lernte, also eine höhere Tochter" ist, für einige Zeit auf ein bis zwei Jahre in die welsche Schweiz   zu schicken, um ihm daselbst den nöthigen Schliff geben zu lassen, der es berechtigt, einen besseren Mann" zu beanspruchen. Die Welschen machen sich diese Mode sehr zu Nutze und betreiben die Beibringung französischer äußerer Bildung ganz industriell. So giebt es in der Stadt Lausanne   allein nicht weniger als 72 Mädchenpensionate! Hier werden die Töchter wohlhabender Eltern nicht selten geradezu geschröpft und auch weniger bemittelte Mädchen erhalten nichts geschenkt. Die Töchter ganz unbe­mittelter Leute können ebenfalls, ins Welschland gehen", um Schliff" zu lernen. Die Pensionate brauchen nämlich Dienstboten und diese umsonst, ja noch gegen Draufzahlung zu bekommen, gehört zu dem raffinirten Betrieb dieser industriellen Unternehmungen. Da werden denn in den deutsch  - schweizerischen Zeitungen in deutscher und französischer Sprache Inserate erlassen, aber in denselben nicht mit deutscher Plumpheit Dienstboten gesucht, sondern es heißt: Volontäre zur Aushilfe in der Haushaltung und Ueberwachung der Kinder 2c. Gute Behandlung und Gelegenheit, die französische Sprache zu er­lernen." Diese Inserate sollen immer den gewünschten Erfolg haben. " Die gute Behandlung", schreibt ein bürgerliches Blatt, besteht sehr oft in strenger Arbeit von früh bis spät bei ungenügender Nahrung. und die erlernte französische Sprache, wenn das bei der Abreise blühende Kind nach einem Jahre bleichsüchtig und abgehegt heim­gekehrt, geht wenig über oui Madame und merci beaucoup hinaus! Das ist noch nicht alles. Zu allem dem gesellen sich für junge

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Mädchen noch allerhand sittliche Gefahren. Es sind in letzter Zeit verschiedene Beispiele solcher Art erzählt werden." Gern angenommen werden auch junge Schneiderinnen als Volontäre", die nach zweijähriger Ausbeutung durch die Lehrmeisterin noch schlimmer aus­gebeutet werden durch eine welsche Pensionsinhaberin. Zu einem Jahrgeld von 100 bis 200 Francs muß die Volontärin zu gewissen Zeiten bis auf 20 Stunden täglich arbeiten, je nach der Fülle der Arbeit, und wohl dem Mädchen, das kerngesund ist und von daheim noch mit Nahrungsmitteln versehen werden kann es ginge sonst zu Grunde. Sehr richtig wird zu diesen schamlosen Ausbeuter­prattifen im sozialdemokratischen Grütlianer" gesagt: Die. Waadt­ länder   sind für das Elend der Armenier so weichherzig, warum er­barmen sie sich nicht auch der armen jungen Landsmänninnen deutscher Zunge, welche sich von Morgens früh bis tief in die Nacht und ge­legentlich bis der Morgen graut, bei der Näharbeit abquälen müssen?" Da die Wirksamkeit der Arbeiterorganisationen kaum auf die privaten, schwer zugänglichen Mädchenpensionate ausgedehnt werden kann und ohne gesetzliche Handhaben wohl auch nicht viel nützen würde, so erscheint der Erlaß geeigneter gesetzlicher Schutzbestimmungen und ihre strenge Kontrolle durch behördliche Organe als der einzige Weg zur Abhilfe. Damit geht es aber sehr langsam. Seit längerer Zeit schon ist im Kanton Waadt   auf Initiative der Sozialdemokraten ein Arbeiterinnenschutzgesetz gefordert worden, aber dasselbe hat noch nicht seine parlamentarische Erledigung gefunden. Der Schuß der Ausgebeuteten ist den Verwandten und Gesinnungsgenossen der Aus­beuter auch im Waadtland nicht eilig.

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

d. z.

Für unsere tapfere Genoffin Kulischoff haben sich am 1. Januar die Kerkermauern geöffnet. Der König begnadigte alle politischen Verurtheilten, die nicht mehr als zwei Jahre Gefängniß zu verbüßen hatten, sowie alle Frauen, die wegen der Maiunruhen pro­zessirt worden waren. Hoffentlich ist die edle Vorfämpferin des Sozialismus noch früh genug aus dem Gefängniß entlassen worden, daß das tückische Leiden wirksam bekämpft werden kann, das an ihr zehrt und das sich während ihrer Haft ganz bedeutend verschlimmert hat. Nicht zum Wenigsten ist die besondere Härte dafür verantwort­lich zu machen, mit welcher Frau Kulischoff gegenüber die Bestim­mungen der Gefängnißordnung beobachtet wurden. Ihr blieben so­gar die kleinen Erleichterungen versagt, die man den politischen Ver­urtheilten in den Zuchthäusern gewährte. Nicht einmal Lektüre war ihr gestattet, sie erhielt Abends kein Licht, die Tochter wurde nicht zu ihr gelassen 2c. Wie der Avanti" schreibt, ist unsere Genossin sehr schwach und leidend in die Freiheit" zurückgekehrt. Ihre Tochter Andreïna, die ihr erstes Semester als Studentin der Medizin in Rom  absolvirt, ist zu ihrer Pflege herbeigeeilt. Möchte unsere Genossin nicht blos der magern italienischen Freiheit zurückgegeben sein, sondern auch der Gesundheit und Kraft. Das ist der aufrichtige Wunsch Aller, die ihr Leben, Wirken und Streben fennen und wissen, daß ihr Bestes und Stärkstes jederzeit dem Kampf für die Befreiung des Proletariats gehört.

Frauenbewegung.

Das Eintreten der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen für den Arbeiterinnenschutz regt Frau Jeanette Schwerin  - Berlin   an. Sie hat an den Beirath des Bundes deutscher   Frauenvereine" fol­genden Antrag versendet: Mit Genehmigung des Vorstandes und im Namen der Kommission für weibliche Fabrikinspektion ersuche ich die Delegirten der Bundesvereine, ihre Zustimmung zu geben, daß die Kommission für weibliche Gewerbeinspektion erweitert werde zu einer Kommission für Arbeiterinnenschuh. Die Begründung betont u. a., daß der Bund" bisher nur durch seine Aktion für Einfüh­rung der weiblichen Gewerbeaufsicht für den Arbeiterinnenschutz ge­wirkt hat, daß aber auf diesem Gebiete für die beiden Arten des Schutzes die Selbsthilfe durch die Organisation und die Staats­hilfe durch die Gesetzgebung seinerseits nichts gethan worden ist. Diese Begründung enthält das Eingeständniß, daß die auf dem Inter­nationalen Frauenkongreß zu Berlin   so pomphaft verkündigte neue Aera der deutschen Frauenrechtelei die Aera der sozialen Reform­arbeit im Interesse der Arbeiterklasse  - bis heute noch nicht ange­brochen ist. Als ungläubiger Thomas stehen wir der Hoffnung gegen­über, daß sie durch die geplanten Arbeiten eingeleitet wird. Wir wollen nicht blos Worte hören, arbeiterinnenfreundliche Gesten sehen, wir wollen unsere Finger versichernd auf Thaten legen. Sind nicht die radikalen" Berliner   Frauenrechtlerinnen in ängstlicher Unthätig­feit verharrt, als es galt, das Recht der Arbeiterin auf Selbsthilfe, auf Organisation gegen die lex Recke   zu vertheidigen? Und doch stand

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