Hören wir noch, was der Inspektor des dritten Bezirks über die Zustände in der Hausindustrie mitzutheilen hat:„ Einen Einblick in das Erwerbsleben der Hausindustriellen, wie es im Oberland noch anzutreffen ist, gewährt folgendes Bild. In Mengen, DA. Saulgau, und Umgebung werden für schweizerische Firmen Gardinen in der Hausindustrie verfertigt. Eine 35jährige Heimarbeiterin aus einem eine Stunde von Mengen entfernten Orte hat drei Kinder und einen 70jährigen Vater so gut wie ausschließlich zu versorgen. Außer der Besorgung der Haushaltung bleiben der Frau 8 Stunden für die Heimarbeit, in welcher Zeit sie normal 30 Pf., und wenn es besonders lohnende Arbeit ist, 40 Pf. verdienen kann. Diese in Gegenwart des Geschäftsleiters der dortigen Gardinenstickerei( Ablieferungsstelle) gemachten Angaben sind von diesem unwidersprochen geblieben." Wenn in Deutschland Polizei, Staatsanwälte und Brüsewiße nicht schon längst Beweise dafür geliefert hätten, daß wir in einem Kulturstaat leben, Thatsachen wie die mitgetheilten würden den augenscheinlichen Beleg dafür erbringen!
Die Zustände in den Fabriken stehen übrigens an Jämmerlichkeit hinter denen in der Hausindustrie nicht weit zurück. Aus dem dritten Bezirk wird mitgetheilt, daß Akkordarbeiterinnen in Fabriken der Bekleidungsindustrie in vierzehntägigen Zahltagsperioden 9, 12 und 13 Mt. verdienten; eine andere Arbeiterin erhielt 10, 9 und 7 Mt. Der Bericht bemerkt dazu:„ Es ist nun ganz undenkbar, daß ein Mädchen auf die Dauer von vierzehn Tagen mit 7 Mt. ehrlich durchkommen kann." Da bei diesen Hungerlöhnen der Wechsel des Arbeitspersonals begreiflicherweise ein starker ist, so ist versucht worden, die Mädchen durch die Arbeitsordnung zu fesseln. Der Gewerbeinspektor hat das jedoch verhindert.- In einer Korsettschließenfabrik wird den Mädchen beim Eintritt 1 Mt. Taglohn versprochen, den sie auch 12 Tage lang erhalten. Dann aber tritt Akkordarbeit an Stelle des Taglohns, und die Arbeiterinnen verdienen in der Folge nur noch 8 Mt. in 14 Tagen. In einer Schäftefabrik wurden die Mädchen vom Steppmeister angestellt und entlohnt, wobei der Herr ein sehr gutes Geschäft auf Kosten der hungernden Arbeiterinnen machte. Der Inspektor sorgte für Beseitigung dieses Lohnsystems, wodurch die Mädchen pro Zahltag 4-5 Mt. gewannen.
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Wie gewissenlos die Profitgier einzelne Unternehmer mit der Gesundheit und guten Sitte ihrer Arbeiterinnen umspringen läßt, dafür seien nur einige der zahlreichen im Bericht verzeichneten Fälle angeführt: In einem großen Spinnereisaal wurde eine Temperatur von 23% Grad Reaumur mit nur 35 Prozent Feuchtigkeitsgehalt angetroffen. Die Luft war unerträglich heiß und trocken, denn die
Jack.
I.
Ich habe da vor mir auf dem Tische, an dem ich das Folgende schreibe, eine Photographie von Nadar stehen, das Bild eines jungen Menschen von 18-20 Jahren, ein sanftes, kränkliches Gesicht mit unklaren Zügen, mit hellen, leuchtenden Kinderaugen, deren Lebhaftigkeit mit der Schlaffheit eines weichen, welfen, gleichsam spannkraftslosen Mundes kontrastirt. Das ist Raoul D..., der" Jack" meines Buches, wie ich ihn im Jahre 1868 fennen gelernt habe, wie ich ihn zu mir in das kleine Haus kommen sah, das ich in Champrosay bewohnte: zitternd, fröstelnd, mit rundem Rücken, ein dünnes Mäntelchen über der schmalen Brust, in der der Husten wie ein Todtenglöcklein klang.
Wir waren Nachbarn. Schon frank, von dem Berufe angewidert, zu dem ihn die Laune des Mannes zwang, den seine Mutter liebte, wollte er sich auf dem Lande in einem einsamen und verfallenen Hause ausruhen, wo er wie Robinson von einem Sack Kartoffeln und einem Kredit auf Brod beim Bäcker von Soisy lebte. Er hatte keinen rothen Heller, besaß nicht einmal so viel, um nach Paris fahren zu können. Wenn es ihm allzu schwer fiel, seine Mutter nicht zu sehen, dann legte er die sechs Meilen bis zur Stadt zu Fuß zurück und kehrte erschöpft, aber entzückt heim, denn er betete diese Mutter an und sprach von ihr mit zärtlicher Ueberschwänglichkeit, mit bewundernder Achtung für die herrliche Frau, das höhere Wesen.
" Mama ist Stiftsdame", sagte er zu mir eines Tages in so überzeugtem Tone, daß ich nicht wagte, ihn zu fragen, welchem
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vorzügliche Ventilations- und Luftbefeuchtungseinrichtung, die mit einem Kostenaufwand von 40000 Mt. erstellt worden war, blieb außer Thätigkeit, weil sie angeblich zu viel Kraft erfordert. Die Arbeiterschaft des Betriebes sah sehr bleich aus, und es ist kein Wunder, wenn die einheimische weibliche Arbeiterbevölkerung der betreffenden Fabrik größtentheils fernbleibt, so daß italienische und österreichische Arbeiter eingestellt werden. Selbst die Aborte lassen sehr häufig die elementarsten Bedingungen zur Wahrung des Anstands und der Reinlichkeit vermissen; die Inspektoren mußten vielfach strenge Saiten aufziehen, um die renitenten Unternehmer zu Reformen in dieser Hinsicht zu zwingen. In einer Fabrik waren z. B. an den Abortthüren die Riegel entfernt worden, damit man die Arbeiter bei ihren Unterhaltungen besser kontrolliren könne! Die Maßregel wurde von den Arbeitern und Arbeiterinnen mit Entrüstung zurückgewiesen; letztere erklärten, ihr Schamgefühl verbiete ihnen, die offenen Aborte zu benützen, und auf Anordnung des Inspektors mußten schließlich die Riegel wieder angebracht werden.
Ueber die Lebensverhältnisse lediger Fabrikarbeiterinnen werden interessante Angaben einer Textilarbeiterin mitgetheilt. Wir entnehmen denselben die folgenden Thatsachen: Von 440 Fabrikarbeiterinnen haben etwa 100 einen Weg von mehr als 20 Kilometer nach Hause und müssen in Folge dessen im Fabrikort übernachten. Das Mädchen zahlt täglich 30 Pf. Schlafgeld, je 25 Pf. für Mittagessen, Frühstück und Vesper. Als besonders tüchtige Arbeiterin verdient sie 2 Mt. täglich. Jm Durchschnitt verdienen Arbeiterinnen derselben Kategorie aber nur 1,20 M. bis 1,50 Mt. Die gleichen Verhältnisse vorausgesetzt, verbleiben also den Arbeiterinnen 8 bis 38 Pf. täglicher Ueberschuß, aus dem Kleider und sonstige Bedürfnisse bestritten werden müssen!! Dabei sagt selbst der Gewerbeinspektor, daß ein Mittagessen, bestehend aus einem Zehner Bier, einer„ rothen Wurst" ( 12 Pf.) und einem Brot( 3 Pf.) als hinreichende Ernährung für ein in elfstündiger Maschinenarbeit angestrengtes Mädchen nicht angesehen werden kann.
Die von uns mitgetheilten Einzelheiten erschöpfen keineswegs das Thatsachenmaterial der Berichte, das sehr schätzenswerthe Beiträge zum traurigen Kapitel des Arbeiterinnenelends bringt, Beiträge, die nicht als„ Uebertreibungen berufsmäßiger Heyer" verleumdet werden können. Offensichtlich haben sich die Inspektoren bemüht, ein möglichst vollständiges Bild von den Arbeits- und Existenzverhältnissen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu erhalten und zu geben. Und wenn die Herren bei der Beurtheilung der Verhältnisse nicht immer von der richtigen Anschauungen ausgehen, so sind sie eben königl. Staatsbeamte. Sie haben ihre Amtsthätigkeit
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Kapitel sie angehöre. Einige Worte dieser Art hatten mir zu be= urtheilen erlaubt, was für eine Frau diese Mutter war, die nach Adelstiteln dürstete, und doch ihr Kind Mechaniker werden ließ. Erzählte sie ihm nicht einmal, er wäre der Sohn des Marquis von P..., der einen unter dem Kaiserreich sehr berühmten Namen trug? Und der Gedanke, der Sohn eines Adeligen zu sein, beluftigte den armen Jungen und warf ein bischen eitle Freude in seine Verzweiflung und seine Trübseligkeit. Später vergaß die Mutter das erste Geständniß und gab ihm einen höheren Artillerieoffizier zum Vater. Mit elf Jahren war Raoul auf einige Monate in ein vornehmes Pensionat zu Auteuil gebracht worden. Von diesem geringen Erziehungsversuch waren ihm einige unflare Kenntnisse zurückgeblieben, Autorennamen, Büchertitel und eine große Liebe zum Studium, die er nie hatte befriedigen können. Jezt, da der Arzt ihm die körperliche Arbeit untersagte und ich ihm meine Bibliothek zur Verfügung stellte, fing er an zu lesen und verschlang alles gierig wie ein Hungriger. Mit Büchern beladen ging er fort; er hungerte und dürftete nach Lektüre für seine Abende, seine Nächte, seine langen Nächte, in denen er fieberte und hustete und in seinem falten, kaum erleuchteten Hause fröstelte. Doch ganz besonders gern las er bei mir, wo er in der Fensternische meines Arbeitszimmers saß.
„ Hier verstehe ich besser", sagte er. Manchmal half ich seinem Verständniß nach; denn eine Art Aberglauben, der Ehrgeiz seines Geistes, trieb ihn, schwierige Lektüre zu bevorzugen: Montaigne , Labruyère. Ein Roman von Balzac oder Didens amüsirte ihn zu sehr und verschaffte ihm nicht den Stolz auf das klassische Buch, das er nur langsam entzifferte.
In den Ruhepausen plauderte ich mit ihm über sein Leben, über die Arbeiterkreise, für die er ein sehr feines Verständniß hatte, das weit über sein Alter und seinen Beruf hinausging. Er fühlte