und der Herrlichkeiten hinter den Schaufenstern gedachten. Drückenderals an den übrigen Tagen empfinden sie heute die Leiden der Armuth.Ihr Herz ist voll von Liebe, aber ihre Hände find leer von Geschenken, fast scheu weicht ihr Blick dem Auge der Kinder aus. Düstervor sich hjnbrütend sitzt der Mann in dem Zimmer, in welchem keinWeihnachtsschein erglänzt, das vielleicht kalt und halbleer ist. Ergedenkt der Pracht, des Viel-zu-Viel in den Villen und stattlichenHäusern seiner„Brotherren", alles sein Werk, das seiner Brüderund Schwestern. Was hat er sich erarbeitet? Seine dürftige Umgebung, der traurige Weihnachtsabend, sie geben die Antwort. Grimmig ballt der Mann die Faust. Still geht die Frau ihren Hausgeschäftennach oder schuftet noch an der Maschine, um ein paar Pfennige mehrzu verdienen. Das bleiche, verhärmte Gesicht erzählt von den Müh-salen und Sorgenbürden, die sie in diesen Wochen getragen, und diesie als Heldin begeistert und opferfreudig getragen. Sie weiß, daßihr Mann für sein Recht streitet, für das Brot und das Wohl derFamilie; sie weiß, daß auch ihr Muth die Schlacht gewinnen hilft.Keine Thräne darum ob des freudlosen Weihnachtsabends! Tröstende,hoffnungsreiche Worte auf die Frage der Kinder nach dem Weihnachtsmann:„Der wird Euch heute wohl vergessen haben, dafüraber bringt er nächstes Jahr um so schönere Sachen." Und wenndie Kinder alt genug sind, so versucht die Mutter ihnen zu erklären,warum es Heuer zu Weihnachten nicht frischgebackenen Kuchen giebt,warum kein harziger Tannenduft durch die Wohnung weht, warumkeine geheimnißvollen Packete aus Schrank und Kommode zc. geholtwerden. Und an die Erklärung des Warum der heutigen Roth knüpftdie Mutter Hoffnungen auf eine schöne Zukunft, die allen MenschenFrieden auf Erden und ein Wohlgefallen bringt, auf eine Erlösung,die nicht vom Himmel herabsteigt, die auf Erden erkämpft werden muß.Nicht mehr wie bitterer Hohn, wie die Bestätigung froher Kundehallt nun das Glockengeläut in die Wohnung der Streikenden. Es klingtnicht Verzweifelnden, es klingt Muthreichen, Kämpfenden, die überzeugt sind, daß ihnen in nächster Zukunft ein ehrenvoller Friedewinkt, in ferner Zukunft die endgiltige Befreiung. Der ehrenvolleFriede im jetzigen wirthschaftlichen Kriege nicht ein großmüthiges Geschenk der protzigen Rheder, vielmehr ein Zugeständniß an die Machtder Habenichtse von Hafenarbeiter. Die endgiltige Befreiung nichtdas Werk edler Menschenfreunde, sondern eine Errungenschaft desKampfes aller Ausgebeuteten wider das Ausbeuterthum. Die Saatder Empfindungen und Gedanken, welche der Weihnachtsabend in dieSeelen der streikenden Hafenarbeiter, ihrer Frauen und Kinder gestreuthat, ist nicht auf steinigen Boden gefallen. Sie schießt üppig in dieHalme, sie reift. Die Zeit wird sich erfüllen, wo das kämpfendeProletariat, sein eigener Messias, die frohe Botschaft verwirklicht:Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.„Laß mich los!"„Was soll ich noch mit Dir schwatzen, sitz still. Du bist beimir, verstehst Du? Siehst Du nicht, daß ein Herr hier ist?"Der Unglückliche ließ den Kopf hängen; der Förster abergähnte und legte sein Gesicht auf den Tisch; draußen strömte derRegen unablässig, ich wartete, was wohl kommen werde.Der Bauer richtete sich plötzlich gerade auf, seine Augenglänzten wie im Fieber und sein Gesicht röthete sich.„Nun, so verschlinge mich, überliefere mich", begann er dieAugen zusammenkneifend und die Mundwinkel öffnend,„Seelenverkäufer, verwünschter; trinke Christenblut, trinke es!"—Der Förster wandte sich ab.„Dich meine ich, Dich, Asiat, Blutsauger!"„Du bist betrunken, weshalb willst Du mit mir Haderhegen?" sagte der Jäger erstaunt,„Du bist von Sinnen."„Trunken! Von Deinem Gelde nicht, verwünschter Blutsauger,-Thier, wildes Thier!"„Ach kbas willst Du— ich werde Dich!"—„Mir ist alles gleich! Und wenn ich fallen muß! Wohinsoll ich ohne Pferd? Schlag mich doch nieder, es ist doch alleszu Ende! Ob vor Hunger oder so, das ist gleich. Mögen siedahinfahren, Weib und Kinder, aber Dich wird es noch treffen!"Der Förster erhob sich.„Immer schlag' zu, schlag' zu!" rief der Bauer mit wilderStimme„schlag'".— Das kleine Mädchen war jetzt aufgesprungenund stand bei ihrem Vater.„Schweig!" grollte dieser und that zwei Schritte vorwärts.„Genug, genug, Thomas!" rief ich, ihn festhaltend.„Laßihn fort, Gott sei mit ihm!"Aus der Bewegung.Von der Agitation. Auf Wunsch der Genossen und Genossinnen im Rheinland hielt Genossin Zieh daselbst in der Zeitvom 18. bis 2S. November eine Reihe von Versammlungen ab, undzwar in Mülheim a./Ruhr, Köln, Oberstein, Kreuznach undAachen. In Düsseldorf, Duisburg und Elberfeld konntendie geplanten Versammlungen Umstände halber nicht stattfinden. VonOsnabrück ab sieht man, daß man sich in einer industriell hochentwickelten Gegend befindet. Schlot um Schlot ragt empor, die Feuerder Hochösen leuchten weit hinaus in die Nacht. Tausende und Abertausende von Arbeitern ringen dem Schoß der Erde Schätze ab:Eisen und Kohle. Doch von dem reichen Ertrag ihrer Arbeit kommtden Schaffenden nur ein winzig kleiner Theil zu Gute. Niedrige Entlohnung und lange Arbeitszeit sind in der Gegend durchgehend zusammenzufinden. Dieser Umstand in Verbindung damit, daß das Zentrummeist dominirt, ist wohl die Hauptursache, daß man nur an den Hauptorten von einer intensiven Arbeiterbewegung reden kann. Und dochgeht's auch im Rheinland unaufhaltsam vorwärts, das bewiesen auchdie stattgehabten Versammlungen. In Mülheim war der Besuchder Versammlung ein guter, trotzdem die Bekanntgabe derselbenerst am Tage zuvor erfolgte, auch eine ganze Anzahl Frauen folgteden Ausführungen der Referentin mit Interesse. In Köln war die„Krone" schon vor der Eröffnung der Versammlung überfüllt. Hierstellten die Frauen ein sehr hohes Kontingent der Versammlungsbesucher, denn erfreulicher Weise hat sich in Köln ein Stamm recht intelligenter, überzeugter Genossinnen zusammengefunden, welcher dieAgitation nach besten Kräften betreibt. Auch in Oberstein undKreuznach fanden gut besuchte Versammlungen statt, leider warenhier jedoch sehr wenig Frauen anwesend, obgleich gerade sie alleUrsache hätten, sich an der Arbeiterbewegung zu betheiligen. Verdienen doch die Kettenarbeiterinnen bei der Hausarbeit in Obersteinoft nicht mehr wie 80-40 Pf. täglich. In Aachen war trotz desströmenden Regens und trotzdem das Versammlungslokal weit außerhalb der Stadt liegt, die Versammlung sehr gut besucht. Eine zweiteVersammlung der Tabakarbeiterinnen fand einige Tage später statt;sie war ebenfalls gut besucht, und es gelang, mit SS Personen eineZahlstelle des Tabakarbeiterverbands zu gründen. Eine desondereFreude bereitete es, daß eine Tabakarbeiterin, die noch nie in einerVersammlung gewesen war, noch keiner Organisation angehört hatte,in schlichter, aber eindringlicher Weise ihre Kolleginnen aufforderte,einig zu sein und für den Verband zu agitiren, denn, so schloß sieihre Ausführungen,„wir haben es doch Alle so sehr nöthig, unserVerdienst ist gar zu gering". Ein Bericht über die Arbeitsverhältnisse der Tabakarbeiterinnen folgt demnächst an anderer Stelle.„Ich werde nicht schweigen", fuhr der Unglückliche fort.„Mir ist alles gleichgiltig. Du Seelenverkäufer, Thier, für Dichgiebt es keinen Untergang! Aber warte nur. Du sollst nicht mehrlange prahlen! Sie werden Dir die Zunge aus dem Halsereißen!"Der Murrkopf faßte ihn an der Schulter, ich eilte demBauern zu Hilfe.„Rührt mich nicht an. Herr!", rief dröhnend der Förster.Ich würde seine Drohung nicht gefürchtet haben und streckteschon die Arme aus, da— zu meinem höcksten Erstaunen, streifter mit einer einzigen Bewegung von den Armen des Bauern dieFessel, ergriff ihn beim Kragen, drückte�ihm seine Mütze auf denKopf, öffnete die Thür und warf ihn hinaus.„Scher' Dich zum Teufel mit Deinem Pferd!" rief er ihmnach,„aber hüte Dich für ein andermal!"Er wandte sich wieder um und begann in der Ecke etwaszu suchen.„Nun", sagte ich zu ihm,„Du hast mich in Erstaunen gesetzt, ich sehe, Du bist ein braver Mensch!"„Ach ja, Herr", unterbrach er mich mürrisch,„sprechet nurnicht davon.— Es ist doch besser, wenn ich Euch nun fortbringe?" fügte er hinzu,„den Regen werdet Ihr nicht abwartenkönnen."Draußen hörten wir den Wogen des Bauern davonrollen.„Da, er macht sich davon", brummte der Förster,„ichwerde ihn"—Eine halbe Stunde später verabschiedete ich mich von ihmam Rande des Waldes.