auch vergegenwärtigen, daß Mieth- und Lebensmittelpreise in Lübeck  sehr hohe sind, ferner, daß es eine lange Zeit der Geschäftsflaue giebt, wo die Verleserinnen nur halbe Wochen oder nur einen oder zwei Tage wöchentlich arbeiten können. Immerhin ist es schon als Fort­schritt gegenüber den Verhältnissen in Hamburg   zu betrachten, daß man in Lübeck   mit dem Akkordsystem aufgeräumt hat. Eine Er­höhung des Lohnes ist mit Hilfe einer guten Organisation schon eher durchzusetzen, als die Abschaffung des Systems der Akkordarbeit. Louise Zieß.

Frauenstimmrecht.

Das aktive Wahlrecht der Frauen zu der Kommunal­vertretung von Budapest   sieht der Entwurf eines neuen Gemeinde­gefeges vor. Allerdings ist der Entwurf weit davon entfernt, der Masse der weiblichen Gemeindeangehörigen die Wahlfähigkeit zu ver­leihen; nur selbständige Frauen, welche nicht von dem Ehegatten abhängig sind, sollen das kommunale Wahlrecht ausüben können. Ferner bleibt allen Frauen das passive Wahlrecht vorenthalten, die Wählbarkeit in die Kommunalvertretung. Immerhin sieht der Ent­wurf einen anerkennenswerthen Fortschritt vor.

Das Stimmrecht der Frauen in kirchlichen und kommu­nalen Angelegenheiten soll in Milwaukee( Vereinigte Staaten  ) laut Beschluß des Kirchenraths der Episkopalgemeinde eingeführt werden. Der Beschluß wurde mit 27 gegen 23 Stimmen gefaßt.

Die Bewegung für Einführung des allgemeinen Stimm­rechts in Holland   beschloß der Verein für Förderung der Fraueninteressen in Rotterdam  " kräftig zu fördern. Dieser Beschluß wurde hauptsächlich dadurch veranlaßt, daß die holländische Sozialistenpartei wie wir in letter Nummer mittheilten bei der Agitation für das allgemeine Stimmrecht auch für die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts eintritt.

-

Das Frauenwahlrecht zu den Parlamenten fordern die die Stimmrechtsvereine des Staates Jowa für 1900 in Petitionen, die zahlreiche Unterschriften erhalten.

Seit Einführung des aktiven und passiven Frauenstimm­rechts in Colorado  , vor fünf Jahren, sind durch die Initiative der weiblichen Abgeordneten Gesetze angenommen worden, welche das Schutzalter der Mädchen auf achtzehn Jahre erhöhen, die Ehegatten im Erbrecht gleichstellen, der Mutter gleiche elterliche Gewalt wie dem Vater zuerkennen und die Konzession, Alkohol zu verkaufen, für eine große Anzahl Städte strenger regeln.

Frauenbewegung.

-

Mit der ungleichen Entlohnung der Frauen- und Männer­arbeit beschäftigte sich fürzlich in Berlin   eine Versammlung, welche von den radikalen" Frauenrechtlerinnen einberufen worden war. Frl. Dr. Käthe Schirmacher behandelte die Frage unter dem viel­versprechenden Titel Das größte soziale Verbrechen des Jahrhunderts". Die Versammlung war sehr gut besucht, doch waren die Arbeiterinnen fast gar nicht in ihr vertreten, auch die Mitglieder des Hilfsvereins für weibliche Angestellte" stellten nur ein sehr schwaches Kontingent der Anwesenden. Nach den uns vor­liegenden Berichten stand die Erörterung der Frage durch die Refe­rentin im Banne der Furcht, durch ein klipp und klares Aussprechen der Thatsachen die biederen ,, Radikalen" in den Ruf+++ sozialistischer Gesinnung zu bringen. Die Hauptursache der ungleichen Entlohnung der Frauen und Männerarbeit das unstillbare Profitbedürfniß der ausbeutenden Rapitalistenklasse wurde nicht erwähnt; für das " größte soziale Verbrechen des Jahrhunderts" wurden nur Neben­umstände, Begleiterscheinungen der kapitalistischen   Ausbeutung ver­antwortlich gemacht, Umstände, deren Ausnutzung die niedrige Ent­lohnung der Frauenarbeit in manchen Fällen ermöglicht, aber nicht sie überhaupt bedingt. So schwächlich erörterte die Referentin das Thema, daß nicht einmal klar in Erscheinung trat, worauf ihre Aus­führungen in der Hauptsache abzielten. Recht deutlich bewies das die Diskussion, in der Frauenrechtlerinnen, Nationalsoziale, Egydianer 2c. sprachen. Die Versammlung stellt offenbar einen Versuch zur beschlossenen praktischen Beschäftigung mit der Arbeiterinnenfrage dar. Dieser Versuch trägt sinnenfällig das Mal des Möchte- gern und Kann- doch- nicht, das bisher fast allen einschlägigen Aktionen der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen anhaftet. Man möchte sich in diesem Lager so gern auch- arbeiterinnenfreundlich erweisen, aber man ver­mag sich nicht dazu aufzuschwingen, der kapitalistischen   Ausbeutung entschieden feindlich zu sein.

8

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Bundel) in Stuttgart  .

-

Ueber das Familienrecht unter besonderer Berücksichti­gung des Bürgerlichen Gesetzbuchs  , hält auf Veranlassung eines frauenrechtlerischen Komites in Hamburg   Frl. Dr. jur. Anita Augspurg   eine Serie von Vorlesungen. Die Vortragende behandelt folgende Materien: das Wesen und die Geschichte der Familie; die Verwandtschaft; die Unterhaltspflicht; die bürgerliche Ehe; die Wir­fungen der Ehe im Allgemeinen; das eheliche Güterrecht; die Ehe­scheidung, die elterliche Gewalt und die Vormundschaft. Proletarie rinnen sind von vornherein von diesen Vorlesungen ausgeschlossen, zwar nicht durch ein ausdrückliches Verbot, wohl aber durch die Bestimmung, daß eine Karte zu diesen Vorlesungen 10 Mark kostet. Für das Gros der Arbeiterinnen ist das eine unerschwingliche Summe, es ist mehr als ein Wochenverdienst. L. Z.

"

Für die Zulassung der Frauen zum medizinischen Studium und zum ärztlichen Beruf erklärte sich die Jahresversammlung des Zentralverbands der Ortskrankenkassen Deutsch= lands", die in Hannover   tagte. Die Jahresversammlung be schloß, beim Bundesrath einen diesbezüglichen Antrag einzu­bringen, der damit begründet wurde, daß die Arbeiterinnen häufig aus Schamgefühl abgehalten würden, sich rechtzeitig an einen Arzt zu wenden. Für die Kassenmitglieder wie für die Kassen entstehen dadurch schwere Schädigungen. Zur Annahme gelangte ferner ein Antrag der Ortskrankenkasse Barmen, bei dem Bundesrath dahin vorstellig zu werden, daß er möglichst bald einen Entscheid darüber herbeiführen möge, daß die im Ausland approbirten Aerz­tinnen als Kassenärztinnen im Reichsgebiet angestellt werden können.

Für die Ausdehnung der Arbeiterschutzgesetze auf die Hausindustrie beabsichtigt der, Bund deutscher Frauenvereine  " in einer Petition an den Reichstag einzutreten. In der beigegebenen Begründung wird ausgeführt, daß, um mit Erfolg den Schäden ent­gegenzuwirken, welche der hausindustriellen Betriebsform anhaften, in erster Linie Bestimmungen über die Beschaffenheit aller Arbeits­räume getroffen werden müßten. Ferner wird Beschränkung der gefordert. Der Bund" ist damit für eine alte Forderung der Arbeitszeit und Ueberwachung durch die Gewerbeaufsichtsbeamten Sozialdemokratie eingetreten. Sollte der Beschluß gleichbedeutend ſein mit einem ausschlaggebenden dauernden Einfluß der sozialpoli­tisch einsichtigeren Elemente in der bürgerlichen Frauenbewegung und sollte künftighin thatkräftiges Handeln an Stelle redseliger Er wägungen treten, so wäre das nur zu begrüßen. Einstweilen bleibt indeß abzuwarten, ob die Damen die Konsequenzen des Bittgangs ziehen werden, d. h. in jeder Richtung thatkräftig für die Ver­wirklichung dieses bescheidensten Verlangens nach Arbeiterinnenschutz eintreten. H. F.

Die Einführung des obligatorischen Fortbildungsunter­richts für Mädchen betreffend, bereitet der Bund" Petitionen an die Einzellandtage vor. Die Erfüllung dieser wichtigen Forderung würde einen Fortschritt in doppelter Hinsicht bedeuten. Einmal eine gründlichere hauswirthschaftliche Vorbildung, die dem Ganzen der Wirthschaftsführung und der Behaglichkeit des Familienlebens för­derlich wäre. Und zum Andern die Nöthigung, die für den obliga­torischen Unterricht erforderliche Zeit zu schaffen, d. h. die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiterinnen so weit herabzusetzen, daß für den hauswirthschaftlichen und jeden sonstigen Fortbildungsunterricht Zeit und Aufnahmefähigkeit vorhanden sein kann. H. F.

Zur Beachtung.

Die rednerisch thätigen Genossinnen werden dringend ersucht, die Unterzeichnete von ihren jeweiligen Agitationstouren, deren Zeit­punkt und Dauer in Kenntniß zu setzen. Die diesbezüglichen Mit­theilungen sind nöthig, um die Agitation besser zu regeln und kraft­voller zu gestalten.

Dttilie Baader,

Vertrauensperson.

Berlin   0, Straußbergerstraße 28, 4 Tr.

Quittung.

Für den Agitationsfonds der Genoffinnen gingen bei der Unter­zeichneten ein: 20 Mt. von den Genossinnen in Köln  , durch Ge­nossin B. Dankend quittirt

Ottilie Baader  , Vertrauensperson, Berlin   O., Straußbergerstraße 28, 4 Tr.

Drud und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .