müssen. Wie ober, wenn dies nicht der Fall ist? Wer suhlt sich genug Prophet, um eine sechzehnjährige Dauer des jetzt noch Herr- schenken wirthschaftlichen Aufschwungs zu verkünden und in der Folge anhallend hohe Steuereriräge? Die Regierung selbst deutet denn auch zart den Fall an, daß dieordentlichen Einnahmen" nicht genügend groß sein können, um die Wünsche der Kolonialfexe, Weltmachtsutopisten und Kanonengewaltigen zu verwirklichen. Eni- weder heißt es dann nach ihr neue Einnahmequellen erschließen oder Pump auf Pump anlegen. Für das arbeilende Volk ist das gehüpft wie gesprungen. Mag die längst ersehnte Erhöhung der Bier- und Branntweinsteuer eintreten; mögen noch andere Abgaben erhöht oder neue eingeführt werden; mögen Anleihen die Kosten fürdie Flotte auf Pump" beschaffen: die arbeitende Masse wird in jedem Falle die Hauptträgerin der neuen, erdrückenden Lasten sein. Die Kreise, aus denen sich die brünstigsten Rufer nach der Flottenvermehrung rekrutiren, lassen gern demPlebs" die Ehre, aus seinem schmalen Beutelchen für ihre Liebhabereien und Bor- theile aufzukommen. Die paar flottenfreudigen Männlein, welche von ihrem Ueberfluß eine Gabe auf den Altar der Flottenvermehrung niederlegten, sind verlassene Eingänger geblieben. Weder Fürsten von Gottes Gnaden noch Fürsten von Geldsacksgnaden haben an ein Aegiropfer aus ihrem Einkommen gedacht. Niemand hat davon gehört, daß Herr von Krupp   auch nur eine Gedenk-Panzerplatte unentgeltlich liefern will. Die Aussichten aber, durch eine Reichs- steuer auf den Besitz die Deckungsmiltel für die deutsche unüber- windliche Schlachtflotte aufzubringen, sind mehr als gering.Die Masse muß es bringen." Die Masse der Lasten und damit der Zwang zu härterer Frohn, zu schmelzenderen Entbehrungen, ihr die Verschlechterung der Lebenshaltung, ihr aber auch noch obendrein eine Verkümmerung ihrer Rechte. Indem der Floltenplan den Bau einer bestimmten Anzahl von Schiffen gesetzlich festlegt, macht er das Budgetrccht der Volksvertretung illusorisch. Ehe noch die Schlachtflotte die deutschen Küsten und den deutschen Handel schützt, vernichtet sie mittelbar ein Recht des Volkes. Wie die Entscheidung über die Flottenvorlage ausfallen wird, ist nicht vorauszusehen. Die ausschlaggebenden Parteien. Kon- servative und Zentrum, stehen sowohl dem Für wie dem Wider in der Haltung des Möchte-gern-und-kann-doch' nicht gegenüber. Und an der Haltung einer großen Partei ist kein Zweifel. Die Sozial- demokratie beantwortet die Vorlage durch ihre alte Losung:Keinen Mann, keinen Groschen." Ihre Stellungnahme wird nicht blos bedingt durch die Rücksicht auf die diückenden Lasten, welche dem werkthäligen Volke drohen. Vielmehr auch durch ihre grundsätzliche Auffassung von Kolonial- und Weltpoluik; durch ihren grund­sätzlichen Kampf gegen die absolutistischen Ueberlebsel, denen der Marinismus neue Säfte zuführen soll; durch ihren grundsätzlichen Kampf gegen den Militarismus zu Lande und zu Wasser. Zur Gewerbegerichtsnovelle. Im Laufe der nächsten Wochen wird voraussichtlich die im vorigen Jahre eingebrachte Novelle zum Gewerbegerichlsgesetz be- rathen. Im Namen der arbeitenden Frauen erheben hierzu die Sozialdemokratinnen ihren alten Anspruch auf Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts vor diesem Gesetz. Möge diesmal dieserForderung, die bereits 189» mit aller Entschiedenheit von der sozialdemokratischen Fraktion vertreten worden ist, ihr Recht werden. Als die Gewerbegerichtsvorlage im Jahre 189» nach längerer Berathung Gesetz geworden war, bedeutele dies im Ganzen un- zweifelhast einen Fortschritt gegenüber den bisherigen Verhältnissen. So wurde das neue Gericht auch willkommen geheißen, trotz mancherlei Mängel und Unvollkommenheit, die ihm anhasteten. Die einfachere und raschere Rechtsprechung Sachverständiger in gewerblichen Fragen an Stelle des umständlichen und kostspieligen Versahrens der gewöhn- lichen Gerichte empfanden die Betheiliglen als eine Wohlthat. Mir verständnißvollem Eifer bemächtigte sich das arbeitende Volk alsbald des neuen Rechtsmittels, und seine lebhafte Theilnahme an den Wahlen zu den Beisitzerstellen, sowie die häufige Inanspruchnahme des neugeordneten Gerichts beweist schlagend, daß hier ein Roth- stand vorlag, dem mit der alten Form des Rechtes nicht abzuhelfen war, dem die neuen Bestimmungen für die Mehrzahl der Fälle Er- leichterung schufen. Aber ohne die Vortheile der Neuschöpfung zu verkennen, konnte man sich gegen deren Mängel nicht verschließen, sie lagen offen vor aller Augen. Einer der ersten und unleugbarsten trifft, wie dies bei unseren Einrichtungen nur zu häufig, den schwachen, in der Gesetz- gebung wehrlosen, weil rechtlosen Theil des Volkes die Frau. Und doch gab es gerade bei dem Gewerbegerichtsgesetz so reich- liche Gründe, Gerechtigkeit gegen das weibliche Geschlecht zu üben, statt ihm hier, wie bei anderen öffentlichen Einrichtungen die Mit- Wirkung zu versagen, das Wahlrecht vorzuenthalten. Denn hier ist es nicht der Mann als solcher, welcher die Beisitzer wählt. Es ist der Mann als Arbeiter, als Geselle und wie die weitere» Bezeich- nungen sonst noch laute», welche der Titel VIl der Gewerbeordnung anführt. Seine Erwerbsthätigkeit ist es, und diese allein, welche ihm das Recht giebt, die Richter in gewerblichen Streitigkeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu wählen oder auch selbst zum Richter gewählt zu werden. Steht aber die Frau, was Erwerbs- thäligkeit betrifft, nicht auf gleichem Boden mit dem Manne? Gleich ihm schafft sie in mühevoller Tagesarbeit neue Werthe; gleich ihm kann sie ihre Kräfte verwenden in besser gelohnter gelernter Arbeit, falls sie eine Lehrzeit durchinachte, oder in mechanischer, harter Tag- löhnerei, wenn ihr die Möglichkeit zu besserer Leistung abgeht. Gleich ihm muß auch sie ihre Arbeit kennen und verstehen, da sie mit der- selben Selbständigkeit arbeitet wenn auch oft unter erschwerten Umständen wie ihr männlicher Genosse. Und sollte die erwerbs- lhütige Frau denn nicht gleich befähigt sein, wie der erwerbsthätige Mann bei gewerblichen Streitigkeiten ein selbständiges Urtheil zu fällen? Diese Frage läßt sich sicher ohne jeden Rückhalt bejahen, wenn man nach berechtigten Gründe» urtheilt. Das Gesetz, wie es jetzt lautet, hat jedoch eine Form der Antwort vorgezogen, die uns ganz eigen anmulhet. Es bestimmt: Um zum Gewerbegericht wahlfähig und wählbar zu sei», muß man die Befähigung zum Amte eines Schöffen besitzen. Kein Wort des Gesetzes spricht von der Frau. Man könnte darnach fast meinen, daß es gewerbliche weibliche Arbeiter in Deutsch  - land gar nicht giebt, oder daß die allgemeine Bezeichnung alsAr- beiler" gleichmäßig für beide Geschlechter gilt. Mit seinem Takt gleitet das Gesetz über die unbequeme Frage hinweg und schließt die Frau ausdrücklich aus, ohne sie zu nennen. Das Wahlrecht zum Gewerbegericht wird in sonderbarer Weise an ein anderes Recht an- gelehnt, welches zu ganz anderen Zwecken geschaffen, die Haupttugend besitzt, daß es die Frauen vornweg ausschließt. Wohl fragen wir unwillkürlich, ob nicht ein späteres, fort- geschrittenes Geschlecht mit lächelndem Mitleid der Zeit gedenkt, da man es für nöthig hielt, die Frau vom Schöffenamte auszuschließen. Man wird staunen, daß sich die Justiz freiwillig der Beihilfe des oft so scharfen Verstands und feinen Verständnisses für schwierige Unterscheidungen in Rechtsfragen beraubt hat, welche die Frau zu dem Amte mitbringen konnte. Doch haben wir es hier nicht mit der Justiz zu thun und brauchen mit ihr nicht anzubinden. Sie darf ja auch, als ein altehrwürdiges, gelehrtes Fach Anspruch auf ein be- sonderes Theil Rückständigkeil machen. Eine neue Einrichtung aber, die sich für neue Verhältnisse als nothwendig erweist und die alten Normen durchbricht, sollte sich keinesfalls ängstlich an alte Be- schränkungen anklammern. Die neuen Lebens- und Arbeitsbedingungen lassen sich nicht in die alten Formen pressen. Und man empfindet es mit besonderem Mißbehagen als eine schreiende Ungerechtigkeit, daß hier nicht gleich das Ganze, statt des Halben geboten wurde das Recht des arbeitenden Menschen, statt' des Rechts des arbeitenden Mannes. Und doch wäre es nicht nur für die Frau von Vortheil, wenn hier, bei dem Volksgericht, beide Geschlechter gemeinsam ihren Sitz hätten, ihre Erfahrungen machten und die gegenseitigen Vor- urlheile, die im Konkurrenzkampf nur zu häusig Nahrung finden, in gleicher Arbeit für das Gemeinwohl vergessen und überwinden lernten. Vor Erlaß des Gewerbegerichtsgesetzes in seiner jetzigen Form hatten die Stadtgemeinden das Recht, Schiedsgerichte aus freier Entschließung zu errichten. Die Statuten konnten von jeder Gemeinde selbständig aufgestellt werden, natürlich unter Vorbehalt der Bestäti- gung vonoben". Einige dieser freien Schiedsgerichte, z. B. das von Frankfurt   a./M., zuerkannten der arbeitenden Frau das Wahlrecht, von der richtigen Erwägung ausgehend, daß in Fragen des Arbeits  - rechts das Geschlecht keine Rolle spiele» dürfe. Die unerhörte Kühn- heit solcher einfachen Folgerichtigkeit war freilich nicht Sache jeder obersten Gemeindebehörde. So wollte der Berliner Magistrat von solchem Eingriff in geheiligte männliche Vorrechte nichts wissen. Eine Abordnung des Berliner   Arbeiterinnenvereins, welche die Zulassung der Frauen zum Wahlrecht erbitten sollte, wurde nicht einmal vor das Angesicht des Oberbürgermeisters vorgelassen. Er hatte für die Arbeiterinnen ein für alle Mal keine Zeit. Daß später ein begabter