Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Der Stand der österreichischen Arbeiterinnenorganisation hat sich seit 1892 wesentlich gehoben. Nach der Statistik der Ge= werkschaftskommission gab es in Destereich

Organisirte Arbeiter.. Organisirte Arbeiterinnen.

1892

1896

65 780 112 203 4263 5 761

1899 148 567 9 206

Die Zahl der organisirten Arbeiterinnen ist von 1892 bis 1896 um 1498 gestiegen, von 1896 bis Ende 1899 aber um 3445; während sie sich also in dem ersteren Zeitraum um etwa über ein Drittel vermehrte, hat sie sich in den Jahren 1896 bis 1899 nahezu ver­doppelt. Eine höchst erfreuliche Entwicklung.

Von den 9206 Arbeiterinnen, die am Schlusse vorigen Jahres organisirt waren, gehörten 5556 gewerkschaftlichen Berufsorgani­sationen an, 838 allgemeinen Gewerkschaftsorganisationen und 2812 Arbeiter- und Arbeiterinnenbildungsvereinen. Die 5556 Arbeiterinnen, welche Mitglieder von Berufsorganisationen sind, vertheilen sich auf die einzelnen Industrien wie folgt:

Textilindustrie Graphische Gewerbe

Glas und feramische Industrie Bekleidungsindustrie

Nahrungs- und Genußmittelindustrie

Bergbau..

Eisen- und Metallindustrie

Baugewerbe

Chemische Industrie

Lederindustrie.

Handelsgewerbe

Galanteriewaarenindustrie Holzindustrie.

Verschiedene Gewerbe

1950

.

1147

949 433

310

187 105

104

94

76

58

52

36 55

Summa: 5556

Die Textilindustrie weist die größte Zahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen auf, doch ist ihre Zunahme in den Jahren 1896 bis 1899( inklusive) nicht größer gewesen, als in der Periode von 1892 bis 1896. 1892 waren 1040 Textilarbeiterinnen organisirt, 1899 aber 1950. Die neugewonnenen Mitglieder entfallen haupt­sächlich auf drei Orte: Brünn  , Reichenberg und Umgegend und Mährisch- Schönberg  . In Zwickau  , dessen Textilarbeiterschaft dem Zentralverein von Reichenberg angehört, haben sich ungefähr 300 Ar­beiterinnen der Gewerkschaft angeschlossen. Im Allgemeinen ist die Zunahme weiblicher Mitglieder in den gewerkschaftlichen Organi sationen der Textilarbeiter eine unbedeutende, einige Gewerkschaften haben sogar einen Rückgang ihres weiblichen Mitgliederstandes zu verzeichnen, so die der Posamentirer von Niederösterreich   2c. Wo die Textilarbeiterinnen in größerer Anzahl den Gewerkschaften beigetreten sind, da ist dies im Wesentlichen der Zehnstundenbewegung des letzten Jahres und der dadurch bedingten fräftigeren Agitation zuzuschreiben. Die 1147 weiblichen Mitglieder der Gewerkschaften im graphischen Gewerbe rekrutiren sich aus den Arbeiterinnen der Papierindustrie, der Buchbindereien und den Hilfsarbeiterinnen in Schriftgießereien und Buchdruckereien. Die Arbeiterinnen der betreffenden Gewerbe sind am stärksten in die Gewerkschaften eingetreten, denn 1892 waren nur 320 von ihnen organisirt. Die Frauensektionen im Isergebirge  und in Steinschönau   umschließen den weitaus größten Theil der organisirten Arbeiterinnen der Glas- und keramischen Industrie, deren Zahl 1892 nur 313 betrug. Die organisirten Arbeiterinnen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sind seit 1892 von 11 auf 310 gestiegen. Im Bergbau und Baugewerbe ist die Organisirung der Arbeiterinnen gleichfalls in beachtenswerther Weise fortgeschritten. Sehr schwache Fortschritte hat leider die Organisirung der Ar­beiterinnen der Bekleidungsindustrie gemacht. E3 sind die Schneiderinnen, die Arbeiterinnen der Hut-, Schuh- und Hand­schuhindustrie, welche dieser Berufsgruppe angehören, und die zusammen nur 433 Mitglieder von Gewerkschaften aufweisen. Be­sonders auffällig ist, daß die vorjährige Bewegung der Wiener  Salonschneiderinnen gegen das Ueberstundenwesen der gewerkschaft­lichen Organisation keinen nennenswerthen Zuwachs zugeführt hat, denn die ganz bedeutenden Vortheile, welche diese Bewegung errungen hat, sind nur der Organisation zu verdanken. Unser Schweſterorgan, die Wiener Arbeiterinnen- Zeitung", führt die unerfreuliche Erscheinung darauf zurück, daß die Wiener   Salonschneiderinnen zwar durchaus proletarische Existenzverhältnisse haben, nichtsdestoweniger aber in kleinbürgerlichen Anschauungen befangen sind. Die Erfolge, welche betreffs der Organisirung der Arbeiterinnen im Allgemeinen erzielt worden sind, setzt das genannte Blatt ganz wesentlich auf

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Rechnung der seinerzeit stattgefundenen ersten Frauenkonferenz, durch die brach liegende Kräfte zum agitatorischen und organisato­rischen Wirken herangezogen wurden, die Thätigkeit der Genossinnen eine planmäßigere und einheitlichere geworden ist. Mit der Frage der Organisirung der Arbeiterinnen hat sich auch der nächste, dritte österreichische Gewerkschaftskongreß beschäftigt, der vom 11 bis 14. Juni in Wien   getagt hat. Seitens der Gewerkschaftskommission lag ihm zum Punkte Organisation" folgende Resolution vor:

,, Auf Verlangen der weiblichen Mitglieder einer Organisation ist für dieselbe eine Frauensektion zu errichten, die die Aufgabe hat, im Einvernehmen mit der Organisationsleitung und mit genauer Befolgung der jeweiligen Beschlüsse der Organisation die Agitation und Organisation unter den Arbeiterinnen gemäß deren besonderen Bedürfnissen zu besorgen. Der Vorstand der Organisation iſt be­rechtigt, an allen Besprechungen theilzunehmen."

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Die Arbeiterinnen- Zeitung" theilte diese Resolution mit dem Bemerken mit, daß die paar Genossinnen, welche wahrscheinlich dem Kongreß als Delegirte beiwohnen würden, Gelegenheit haben, sich darüber zu berathen, ob der Antrag den Forderungen entspricht, die sie auf Grund ihrer Erfahrungen für nöthig erachten. Unfere besten Wünsche den österreichischen Genossinnen, die Dank ihrer Energie und Rührigkeit den errungenen Fortschritten sicher in Zukunft neue, schätzensweithe Erfolge beifügen werden.

- Die Zahl der organisirten Arbeiterinnen Steiermarks ist 1899 nach dem letzten Jahresbericht der Landesgewerkschafts­kommission von 552 auf 716 gestiegen. Die verschiedenen Gewerk­schaften zählten 586 Mitglieder, der Arbeiterinnenverein nur 130. Während in fast allen gewerkschaftlichen Organisationen die Zahl der weiblichen Mitglieder gestiegen ist, hat sich die des Arbeiterinnen­vereins um 126 verringert. Der Bericht konstatirt ausdrücklich, daß mangelhafte Leitung die Ursache des Rückganges ist. 70 Arbeiterinnen gehören dem Allgemeinen Bergarbeiterverein" an. Ueber die Ent­wicklung der Arbeiterinnenorganisation und die im letzten Jahre geleistete Arbeit äußert sich der Bericht wie folgt:

,, Der Frauenorganisation schenkte die Kommission im Berichts­jahr eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Die Arbeiterinnen der Gewerkschaftsorganisation zuzuführen war ihr Bestreben, und nicht ohne Erfolg. Die Zahl der organisirten Arbeiterinnen in den Ge­werkschaften hat um ein Bedeutendes zugenommen, allerdings nicht in dem Maße, wie die Zahl der organisirten Arbeiterinnen überhaupt, da der Arbeiterinnenverein in Folge mangelhafter Führung eine große Anzahl von Mitgliedern verloren hat. Zur Leitung der Ar­beiterinnenorganisation wurde ein aus den verschiedenen Branchen zusammengesetztes Aktionskomite eingesetzt. Dasselbe hat mit dem Frauenreichskomite in Wien   und mit der Gewerkschaftskommission in steter Verbindung zu sein und hat mit deren Einvernehmen die Agi­tation zu besorgen. Eine große Anzahl von Versammlungen wurden zur Hebung der Arbeiterinnenorganisation veranstaltet, zu welchen Vertreterinnen des Frauenreichskomites als Referentinnen entsendet wurden. Die Kommission unterstützte alle Aktionen auch finanziell. Die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation hat sich auch bei den Arbeiterinnen Eingang verschafft."

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

Mit der proletarischen Frauenbewegung beschäftigte sich der letzte Kongreß der Norwegischen   Sozialdemokratie, der vom 24. bis 27. Mai in Christiania   stattgefunden hat. Nach einem Vortrag von Genossin Marie Larsen und gründlicher Dis­fussion nahm der Kongreß eine Resolution an, welche den Fach­und Bildungsvereinen der Frauen empfiehlt, sich zu einem Landes­verband auf sozialdemokratischer Grundlage zusammen zu schließen, um ihre sozialen und politischen Interessen besser wahrnehmen zu können. Der Kongreß forderte ferner zu reger politischer und gewerk­schaftlicher Agitation unter den Frauen auf.

Zum Mitglied des Parteivorstandes der sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei Hollands   wurde von dem letzten Partei­tag, der kürzlich in Rotterdam   stattfand, Frau Cornelie Huggens gewählt.

Frauenstimmrecht.

An den letzten Wahlen zur Schulverwaltung in Cleve­ land  ( Ohio  ) nahmen die Frauen regen Antheil  . Trotz strömenden Regens famen von 9172 eingeschriebenen Wählerinnen 7342 zur Urne, während mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Männer zu Hause blieb. Ein recht drastischer Beweis für die Richtigkeit des Geredes, daß den Frauen am Besitz des Wahlrechts nichts gelegen ist", und daß nur die Männer Bürgerpflichten zu üben