Nr. 16.

Die Gleichheit.

10. Jahrgang.

Zeitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 3122) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart  

Mittwoch den 1. August 1900.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

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Inhalts- Verzeichniß.

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Politik und Kochtopf. Der Internationale Kongreß für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Paris.  - Die Thätigkeit der weiblichen Gewerbe­aufsichtsbeamtinnen in Hessen  . Die Bewegung der Berliner   Wäscherinnen und Plätterinnen. Aus der Bewegung. Stellungnahme der Genossinnen zum Internationalen Kongreß zu Paris  . Feuilleton: Bettina von Arnim.  ( Schluß.)

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Notizentheil von Lily Braun   und Klara Zetkin  : Sozialistische Frauen­bewegung. Weibliche Fabrikinspektoren.- Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

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Frauenbewegung.

Politik und Kochtopf.

Was geht Euch Frauen die Politik an? Steckt Eure Nase nicht in die Zeitung, um Euch über die Vorgänge in China   zu unterrichten, nehmt lieber den Kochlöffel zur Hand und vertieft Euch in den, Wegweiser zum häuslichen Glück', allwo , wohlmeinende Fabrikanten und Geistliche den Arbeiterfrauen die Kunst lehren, aus Wasser, Knochen und Gemüsereſten mit einem Aufwand von ganzen 28 Pfennigen deutscher Reichswährung für vier Personen eine wohlschmeckende, nahrhafte und reichliche Mittags­mahlzeit zu bereiten. Besucht keine Versammlungen, wo von Frauen­wahlrecht, Gewerkschaftsbewegung oder gar von dem ††† Sozialismus die Rede ist, widmet Euch besser dem allein ewig- weiblichen Strümpfestopfen. Der Frau, in der Theorie wenigstens, nichts als Kinderpflege und Wirthschaftsbesorgung. Der proletarischen Frau in der Praxis vor Allem die harte Frohn zur Mehrung fremden Reichthums. Politik ist allein Männersache und schiert die Frauen nichts."

Wer von uns hat nicht schon bis zum Ueberdruß diese Sal­baberei gehört, welche der biedere Philister von seinem Lieblings­spruche am Stammtisch zu einem sozialen Dogma erheben möchte? Doch gemach, liebes Spießbürgerlein, stimmen auch die Thatsachen zu deinem Glauben? Erweisen sie, daß wirklich Politik nur Männerfache" ist und die Frau nichts schiert? Laß uns das an einem Beispiel sehen.

Die Zeitungen berichten in den letzten Wochen häufiger und häufiger von Stockungen des wirthschaftlichen Lebens. Es mehren sich die Industrien, welche von einer Krise ergriffen werden; es mehren sich die Unternehmungen, welche der Besizer ganz oder für einige Tage der Woche schließt, oder in denen er die tägliche Arbeitszeit um Stunden verkürzt. In der Textilindustrie des sächsischen Voigtlandes und Erzgebirges, der thüringischen Zaun königreiche und anderwärts stehen Tausende von Stühlen still, in der Spiegelglas- und Nadelindustrie kriselt es, in der Musikwerk­und Möbelfabrikation fehlt es an Aufträgen, ja selbst in der bisher so flott gehenden Eisen- und Metallindustrie treten Stockungen ein.

Dieser ungünstige Stand des Erwerbslebens ist sicher nicht blog Männersache", welche die Frauen nicht fümmert. Nach der Berufs- und Gewerbezählung waren 1895 in der Textilindustrie allein 347010 Arbeiterinnen beschäftigt, in der Metallverarbeitung 31779, in der Fabrikation von Maschinen, Werkzeugen, Instru menten und Apparaten 10 109. Die hausindustriellen Arbeiterinnen find dabei nicht einmal mitgerechnet.

In allen Industrien, wo die Aufträge knapp, die Aussichten auf Absatz der Waaren unsicher und schwach geworden sind, da

Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Frau Klara Bettin( 8undel), Stuttgart  , Blumens Straße 34, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

sind es mithin nicht nur Männer, da sind es auch größere und Kleinere Gruppen von Frauen und Mädchen, welche unter dem Niedergang des Wirthschaftslebens leiden. Nach Tausenden und Abertausenden zählen die Tertilarbeiterinnen allein, welche ein Lied, ein traurig Lied, von der Verschlechterung ihrer Lage in der letzten Zeit singen können. Denn was bedeutet die Geschäftsflaue für die Arbeiterin? Mit der Arbeit geht die Lohnsflavin des Brotes verlustig, es schrumpft ihr ohnehin bettelhaftes Einkommen zu­sammen und wird obendrein unregelmäßig und unsicher. Je geringer aber ihr Verdienst, je schwankender und regelloser, um so härter ihr Darben, um so bitterer ihre Sorgen, um so zahlreicher die Tage, wo nicht einmal mehr Schmalhans Küchenmeister ist, wo vielmehr der nackte Hunger an ihrem Tische sißt. Kurz, die Summe des Elends der Arbeiterin wächst um so viel, als ihre Erwerbs­verhältnisse sich verschlechtern.

Aber auch dort, wo nur Arbeiter von Beschäftigungslosigkeit und Sinken des Verdienstes betroffen worden sind, stehen nicht Männerinteressen allein auf dem Spiele. Die meisten Arbeiter, welche unter dem Kriseln leiden, haben Frauen, Kinder, Eltern, Geschwister u. s. f., für die sie ganz oder zum Theil forgen müssen. Tausende von Familienvätern sind in Folge des Stockens von Handel und Wandel des Verdienstes beraubt worden oder bringen färglichsten Lohn heim. Die proletarische Hausfrau aber soll nach wie vor den Tisch bestellen. Das Wirthschaftsgeld, das der Mann ihr in die abgearbeitete Hand drückt, wird kleiner und kleiner, es bleibt womöglich die und jene Woche oder auch längere Zeit ganz aus, die Bedürfnisse der Familie jedoch machen sich nach wie vor täglich, stündlich geltend. Mag die Frau wahre Wunder der Sparsamkeit verrichten, die in ihrer Art größer sind, als die Speisung der 4000 Mann mit sieben Broten und wenig Fisch­lein, sie ist nicht im Stande, die schwarze Noth zu verscheuchen, die wie ein grimmer Wolf in das armselige Heim einbricht. Die Verschlechterung der Erwerbsverhältnisse des Mannes bringt der proletarischen Hausfrau die nämlichen bitteren Früchte wie der selbständigen Arbeiterin: eine wachsende Last von Sorgen und Elend.

Auch der Spießbürger, dem in Sachen der Frauenfrage der Zopf noch so dick und lang unter der Nachtmüze hervorbaumelt, wird nicht zu behaupten wagen, daß die Stockungen des Wirth­schaftslebens nur" Männersache" sind und die Frau nichts an­gehen. Wie kann er sich dann erdreisten, das Fragen und Forschen nach den Ursachen der geschäftlichen Flaue als Männersache" zu erklären, die Macht zur Beeinflussung der gesellschaftlichen Ver­hältnisse, welche bestimmend in das Leben der Frau eingreifen, zu einem ausschließlichen Männerrecht stempeln zu wollen?

Der Philisterweisheit lezter Schluß ist stets, die nach poli­tischen Rechten und Pflichten verlangende Frau an den Kochtopf zurückzuschicken. Sehr schön! Aber gerade der Kochtopf ist es, welcher der denkenden Arbeiterin und Arbeiterhausfrau predigt, sich um Politik zu fümmern, nach politischen Rechten zu streben, am politischen Kampfe theilzunehmen. In der That: ob der- Kochtopf leer oder gefüllt ist, ob in ihm ein leidlich Stück Fleisch brodelt, Kartoffeln gesotten werden oder Zichorienbrühe zieht: dafür sind in Dußenden und Dußenden von Fällen die politischen Verhält­nisse ausschlaggebend. Wenn gegenwärtig viele Zehntausende von deutschen Proletarierinnen am falten Herde stehen, oder wenn in ihrer Pfanne Sonntags statt zähen Stubfleisches, eines Häppchens Schweinernem nur ein Stück Hottehü schmort, wenn Wochentags