dem Streif gegründet, der vor kurzer Zeit stattgefunden und viel zur Aufklärung der Arbeiterinnen beigetragen hat, so daß jetzt reges Leben unter ihnen herrscht. Die Debatte, die sich in der Versamm lung zu Rorschach   entspann und an der sich Mitglieder der katho­lischen Organisation betheiligten, war äußerst interessant. Sie förderte die obenstehenden und noch andere Thatsachen zu Tage, welche ein helles Streiflicht auf die kapitalistische Ausbeutung der Arbeiterinnen in der angezogenen Fabrik und auf die Rolle katholischer Geistlicher und Schwestern warfen. Der Erfolg der Versammlung war ein Zu­wachs von 22 Mitgliedern für die Gewerkschaften. Vom benach­barten Goldach   war der Präsident des Schiffchenstickervereins mit den weiblichen Mitgliedern zur Versammlung gekommen.

Auch in St. Gallen  , wo die sechste Versammlung stattfand, steht dem Arbeiterinnenverein, der in dem Boden der modernen prole­tarischen Bewegung wurzelt, ein Katholischer Arbeiterinnenverein gegenüber. Der Besuch der Versammlung war ein mäßiger, jedoch dürfen wir hoffen, auch hier etwas gewonnen zu haben, nämlich die Mithilfe der Genossen bei der Agitation für den Arbeiterinnenverein, dem diese bisher kein Interesse entgegen brachten. In Uzwil   war wieder ein sehr reger Versammlungsbesuch zu verzeichnen, und die Debatte zeugte von einem regen Geist unter den dortigen Arbeitern; der Abend brachte denn auch eine Verdoppelung der auf 20 herab: gegangenen Mitgliederzahl. Horgen   am Zürichsee   hat ausschließlich Seidenindustrie, in der sich die wirthschaftliche Krise durch zunehmende Arbeitslosigkeit, Einschränkung des Betriebs zc. geltend macht. Die Referentin hatte deshalb Die Krise in der Seidenindustrie" zu behandeln. Sie entledigte sich dieser Aufgabe auf Grund der An­gaben, welche der Bericht über Handel und Industrie der Schweiz  enthält. Auf Thatsachen und Zahlen gestützt wies sie nach, wie die Profitgier der Kapitalisten ihr großes Theil Schuld an der gegen­wärtigen Krise trägt, wie sie einerseits zur Ueberproduktion im Lande drängte, andererseits aber selbst die Auslandskonkurrenz schuf, und wie nun die Arbeiter und Arbeiterinnen die Kosten zu tragen haben. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit hat in Horgen   den Muth der Ar­beitenden leider schon sehr beeinträchtigt; Neuanmeldungen zur Or­ganisation erfolgten nicht. Das Datum für die Versammlung in Kriens   bei Luzern   war schlecht gewählt. Es fiel auf den Kirmeß­tag, den einzigen Tag im Jahre, an dem in Kriens   getanzt werden darf. So war es begreiflich, daß die Versammlung nur schwach besucht war, und daß gerade die fehlten, die es besonders zu gewinnen gilt: die jungen Leute. Die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Maccaronifabrit, aber auch die Erwerbsverhältnisse in anderen Be­trieben sollen derart sein, daß Arbeiterinnen wie Arbeiter auch in Kriens   dringend der Macht der Organisation bedürfen, um eine bessere Existenz zu erringen. Soweit Genossin Ihrer auf ihrer Agitations­tour mit den Verhältnissen bekannt wurde, zeigte sich, daß in der Schweiz   die Arbeiterin im Allgemeinen die gleiche Noth und Plage trägt, wie die Arbeiterin in Deutschland  , daß auch sie noch sehr der Aufklärung bedarf; und daß ihren Organisationen Kräftigung und Wachsthum noth thut. Auch in der Schweiz   steht der vorhandene staatliche Arbeiterschutz in vielen Fällen nur auf dem Papier. Wenn­gleich es in dieser Beziehung besser aussieht, wie bei uns, so ist doch der Ausbeutung Thür und Thor noch mehr als genug geöffnet. Ist aber die Ausbeutung der Arbeiterinnen international, so muß auch ihre Aufklärung, ihr Kampf international werden! In allen Ländern müssen sich die Genossinnen gegenseitig anfeuern und mit heiligem Eifer der guten Sache widmen, die Arbeiterinnenbewegung muß aller­seits mehr gefördert werden. Wenn jetzt die Frauen und Mädchen des deutschen Proletariats für erweiterten Arbeiterinnenschuß fämpfen, so muß gleichzeitig auch der Schweizer   Gewerkschaftsbund gemeinsam mit den Arbeiterinnenvereinen für die geforderten Reformen eintreten. Arbeiterinnenaufklärung und Arbeiterinnenschutz ist Volks­

wohlfahrt!

Notizentheil.

( Von Tily Braun und Klara Betkin.)

E. J.

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

Erwerbsarbeit der Frauen in Deutschland  . Auf Grund der jüngsten Berufs- und Gewerbezählung im Deutschen Reich  ( 1895) untersucht der Prager Professor Dr. Rauchberg im Archiv für Gesetz­gebung und Statistik" die weibliche Erwerbsarbeit im Deutschen Reich und findet in der Zunahme dieser Arbeit eine Erscheinung, die durch den ungeheuren Aufschwung von Industrie und Handel Deutschlands  verursacht wird. Die meisten Frauen sind beschäftigt( und zwar haupt­

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berufsmäßig) in der Landwirthschaft( 2 745 840, gleich 38,67 Prozent aller hier Erwerbsthätigen); im Handelsgewerbe( 299 829, gleich 24,88 Prozent aller hier Erwerbsthätigen); im Gast- und Schank­gewerbe( 261450, gleich 53,07 Prozent aller hier Erwerbsthätigen); in den Nahrungs- und Genußmittel herstellenden Gewerben( 140333, gleich 15,38 Prozent aller Erwerbsthätigen); in der Textilindustrie ( 427 961, gleich 45,28 Prozent aller Erwerbsthätigen); in den Ge­werben für Bekleidung und Reinigung( 713 021, gleich 47,12 Prozent aller darin Erwerbsthätigen). Die Zahl der gewerblich thätigen Frauen und Mädchen, denen diese Arbeit Hauptberuf ist, betrug im Jahre 1895 zusammen 4853 880 Personen oder 25,67 Prozent aller Erwerbsthätigen; in diese Berechnung ist die Landwirthschaft ein­geschlossen. Fabrikarbeiterinnen gab es 1895 739 755 und 1897 deren 822 462. Bei der Herrschaft lebende Dienerinnen zählte Deutschland  im Jahre 1895 1313 957; sie bildeten 98,11 Prozent aller häuslichen Dienstboten. Die überraschende Erscheinung, daß in einigen weib­lichen Berufen die Zahl der Männer sehr stark zugenommen hat so in der Putzmacherei um 50 Prozent, in der Kleider- und Wäsche= konfektion um 98 Prozent legt Professor Rauchberg dahin aus, daß sich viele dieser Erwerbe vom Kleinbetrieb zum großen, kauf­männisch organisirten Betrieb entwickelt haben: die kaufmännische Thätigkeit ist den Männern zugefallen, die gewerbliche aber, die Herstellung der zu verhandelnden Waare den Frauen geblieben.

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Weibliche Beamte im Dienste der deutschen Reichspost sind gegenwärtig etwa 700 etatsmäßig angestellt. Das Gehalt dieser uniformirten Beamtinnen beträgt mindestens 1100 Mt. und steigt alle drei Jahre um 100 Mt. bis zu einem Höchstbetrag von 1500 Mt. Zu dem Gehalt tritt noch ein Wohnungszuschuß, der für Berlin   sich auf wenigstens 540 Mt. beläuft. Daß die berüchtigte Sparpolitit" von wesentlichem Einfluß auf die Verwendung von Frauen im Post­dienst ist, beweisen die vorstehenden Zahlen.

Frauenstimmrecht.

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Das Frauenstimmrecht befürwortete Genosse Vandervelde  neuerlich nachdrücklichst in einem Artikel unseres belgischen Bruder­organs ,, Le Peuple", der die Frauen zu zahlreicher Betheiligung an der sozialistischen   Kundgebung vom 11. November zu Gunsten der Amnestie und des allgemeinen Wahlrechts aufforderte. Ihre Gegenwart im Demonstrationszug, so führt Vandervelde   aus, würde den Eindruck der Forderung, die sich von allen Seiten zu Gunsten der Verurtheilten erhebt, wesentlich erhöhen, sie würde aber auch bezeugen, daß in der arbeitenden Klasse die Frauen einzusehen beginnen, daß sie durch das Wahlrecht ihre Interessen in der Familie und in der Gesellschaft vertheidigen müssen.

" In der That", so erklärt Vandervelde  , ist die Frau nicht un­mittelbar interessirt als Wirthschafterin an den Gesetzen gegen den Alkoholismus   oder über die Erziehung der Kinder, als Arbeiterin an der Fabrikgesetzgebung, oder allgemein als Mensch an den Ge­setzen, die den Personenstand oder die Organisation der Familie regeln? Wir kennen sehr wohl die Einwürfe, die man hiergegen macht. Man findet sie nicht nur auf den Lippen und unter der Feder unserer Gegner, sondern sehr häufig auch im Herzen unserer Freunde. Wir sehen ab von den Arbeitern, die sich für Sozialisten halten, weil sie für uns stimmen, und die keine Gelegenheit ver­säumen, ihre Frau so zu behandeln, wie sie es sich von ihrem Arbeit­geber oder Meister nie gefallen lassen würden. Wie viele unserer besten Genossen giebt es aber, die mit uns einig im Prinzip- über dieses streiten wir hier nicht es dennoch als ein wirkliches Unglück betrachten, wenn das Stimmrecht für beide Geschlechter aus unserem Programm auch in das Gesetz überginge.

Vor einigen Wochen, als der internationale Kongreß in Paris  eine Resolution in diesem Sinne faßte, hörte ich neben mir einen englischen Delegirten murmeln: Wir fordern das Stimmrecht für unsere Frauen; gut, aber hoffen wir um des Himmels willen, daß man es uns nicht giebt, das wäre für unsere Sache ein Rück­gang von einem halben Jahrhundert."

Wenn Leute so im protestantischen und den Frauen geneigten England denken, um wie viel mehr ist das der Fall in einem Lande wie Belgien  , wo alle Frauen, mit geringen Ausnahmen, klerikal ge= stimmt sind und in verschiedenem Grade der geistigen Herrschaft des Priesters unterliegen. Für sie unter solchen Umständen das Stimmrecht fordern, das heißt die Ruthe binden, die uns eines Tages züchtigen soll!

Wer so denkt oder spricht, sollte nicht vergessen, daß die libe­ralen Bourgeois ehemals dieselbe Sprache führten in Bezug auf die Arbeiter und Bauern, den Auswurf der Städte" und die Barbaren  vom Lande". Danach zu urtheilen, müßte das allgemeine Stimmrecht