Arbeitspersonals. Aehnlich äußert sich auch der Barmer Gewerbe­inspektor. Nach ihm sind die Frauen wegen ihrer größeren Ersah­rungen, ihres Fleißes und ihres guten Einflusses auf die jüngeren Arbeiterinnen kaum zu entbehren. In den Fabriken, welche grund­sätzlich keine verheiratheten Arbeiterinnen annehmen, werden doch die in der Fabrik beschäftigten Mädchen»ach ihrer Verheirathung häufig so lange behalten, bis sich der Hausstand vergrößert, weil die Ver­ehelichung oft erfolgt, bevor der Mann die Frau ernähren kann. In vielen Fabriken sind aber auch Nebenarbeiten zu verrichten, die oft täglich nur gewisse Stunden in Anspruch nehmen oder nur einige Tage der Woche. So z. B. das Fitzen der Garne in den Bleichereien und Färbereien, das Abziehen der Litzen und Bänder. die Putz- und Reinigungsarbeiten der Fabrikräume u. s. w. Für diese unregelmäßigen Arbeiten sind unverheirathete Arbeiterinnen selten zu haben, siedürften aber auch unbedenklich von Frauen geleistet wer­den können". Das trifft zu. nur sollte ausgeschlossen sein, daß die Roth zu diesen Arbeiten auch solche Frauen zwingt, welche kleine Kinder haben und deren Pflege und Erziehung, wie die Ordnung des Haushalts, über der Lohnarbeit vernachlässigen müssen. Daß die verheiratheten Arbeiterinnen nicht so absolut unent­behrlich und unersetzlich sind, wie manche Unternehmer in ihrem persönlichen Geschäftsinteresse erklären, nimmt das Berliner   Gewerbe­gericht in seinem Gutachten an. Hier heißt es, daß der Ersatz der verheiratheten Frauen möglich tei und daß man ihn durchführen werde, um der lästigen Kontrolle etwaiger Beschränkungen zu ent­gehen. Die Gewerbeinspektion vertritt dagegen eine andere Ansicht. Zwar bejahen auch 60 Prozent(also die Mehrheit) der von den Inspektoren befragten Arbeitgeber die Möglichkeil des Ersatzes der Frauen. Sie betonen aber vielfach, daß sie mit diesen ihren besten Stamm von Arbeiterinnen verlieren würden. Die verheiratheten Frauen seien nicht nur williger, fleißiger und zuverlässiger als die unverheiratheten. sondern wechselten auch weniger, übten namentlich einen guten moralischen Einfluß auf ihre Mitarbeiterinnen aus und seien die besten Lehrmeisterinnen für diese." Wenn es dem politischen und gewerkschaftlichen Klassenkampf der Arbeiter gelänge, die Ver. Hältnisse so zu bessern, daß die Noth keine Arbeiterfrau mehr zur Fabrikarbeit zwingt, so müßten die Unternehmer, welche die Thätig- keit der verheiratheten Frau in der Fabrik für unentbehrlich und un­ersetzlich halten, ihre eigenen Frauen, sowie diejenigen ihrerErwerbs­genossen" zur Arbeit in den Ziegeleien, in den Textil-, Schuh-, Metall- waarenfabriken u. s. w. heranziehen. Schaden könnte es den Dämchen nicht, wenn sie einmal am eigenen Leibe verspüren müßten, was es heißt, täglich zehn, elf und noch mehr Stunden anstrengende Arbeit zu verrichte». Uebrigens giebt es heute schon Fabrikanten, wie in mehreren Berichten erwähnt wird, die Frauen grundsätzlich nicht be­schäftigen, und zwar wegen der vorkommenden Störungen, sowie in Folge der Meinung, daß die Frau in Haus und Familie gehört. Zahlreiche Mittheilungen geben interessante Einblicke in die Alters- undFamilienverhältnisse der verheiratheten Arbeiterinnen. Sie zeigen, daß neben vielen jugendlichen Ar­beiterinne» solche in höherem Alter von über 40 bis über 60 und <0 Jahren beschäftigt sind. So sind von den 2680 Frauen(Ehe­frauen, Gelrennte, Geschiedene, Witwen) im Regierungsbezirk Magdeburg   bei der Vornahme der Erhebungen 10 im Alter von 16 bis 13 Jahren gestanden, 39 zählten 19 bis 21 Jahre, 1169 waren 40 bis 60 Jahre alt und 119 über 60 Jahre. Von der letzteren Altersklasse waren 26 Frauen, 9 Getrennte und 34 Witwen. 120 der Frauen standen im Alter von über 21 bis zu 40 Jahren. Das Durch­schnittsalter der 2680 Frauen betrug rund 33 Jahre. Die Zahl der Ehefrauen, welche in die Fabrik gehen, nimmt vom 40. Altersjahr an erheblich ab und zwar nach dem Bericht deshalb, weil die Frauen sich von der Fabrikarbeit zurückziehen, wenn die Kosten des Haus­haltes durch das Selbständigwerden der Kinder geringer geworden sind oder von den miterwerbenden Kindern mitgetragen werden. Da­gegen bleibt die Zahl der Witwen bis zu den höchsten Altersstufen fast gleichmäßig hoch. Die Frauen, die nach dem 40. Lebensjahr noch in die Fabrik gehen, haben entweder spät geheirathel oder haben eine ungewöhnlich starke Familie. lieber die Thätigkeit der 2630 Frauen im Magdeburger  Bezirk vor ihrer Verheirathung erfahren wir, daß 307 oder 18,9 Pro­zent der Gesammtzahl sofort nach Verlassen der Schule in die Fabrik gegangen sind und als Fabrikarbeiterinnen geheirathet haben. Die vorher im Elternhaus gewesenen 549(20,4 Prozent) Arbeiterinnen sind zumeist durch den Verlust ihrer Ernährer, durch Auflösung oder Verkleinerung des elterlichen Haushaltes in die Fabrik getrieben worden. Der weitaus größte Theil der Frauen jedoch, 998 oder 37,2 Prozent, sind solche, die als Mädchen in einem Haushalt thätig waren. Von den 384(oder 14,3 Prozent) Frauen, die aus der Land- wirthschaft stammen, wird die Mehrzahl in landwirthschaftlichen Kampagnebetrieben, Zuckerfabriken u. s. w. beschäftigt, arbeitet also nur vorübergehend in der Fabrik. Ter Rest der in der Tabelle auf­geführten Arbeiterinnen ist durch mißliche Lebensumstände der ver­schiedensten Art zur Fabrikarbeit genöthigt worden. Im Regierungs­ bezirk Kassel   waren von den 1512 Frauen nur 11 unter 20 Jahren. 28 waren 20 Jahre alt, dagegen 67 über 60 Jahre und davon wieder 6 über 70 Jahre, eine Greisin zählte gar 83 Jahre! In litten, mehr denn einmal. Er hatte Feuersbrunst, Aufruhr, Meuchel­mord, Krieg, Duelle, Lebensglanz, Hunger, Cholera, Liebe und , Liebeiff in seinem Tagebuch stehen. Er hatte viele Länder besucht und Umgang gehabt mit Leuten von allerlei Rasse und Stand, Sitten, Vorurtheilen, Religionen und Gesichtsfarbe. Und alle die Frauen und Mädchen, welche seinen Lebens­weg kreuzten, in nähere oder fernere, dauernde oder flüchtige Be­rührung mit ihm kamen, verstanden ihn. Wo ich Anhänglichkeit fand", schreibt er einmal,war es meistens bei Frauen. Ganz natürlich. Sie sind die Samariter dieses Judäas  ! Die Parias dieser Gesellschaft. Sie dürfen nicht dies, sie dürfen nicht das.... Sie sind prädestinirt(vorher be­stimmt), jeder frohen Erlösungsbotschast ihr Ohr zu neigen. Und ich mit meiner.unsinnigen Begier', die Schmerzen der Welt zu tragen, ich war dazu berufen, zu leiden unter ihrer Entbehrung der Freiheit. So haben Viele mich lieb gehabt und ich Viele." Begreiflicherweise hat die Welt die freien Ansichten und die denselben entsprechende Handlungsweise Dekkers wegverketzert. Man nahm ihm seine Feldzüge gegen die Prüderie, die Scheintugend und Scheinschämigkeit ganz gewaltig übel. Wie konnte er auch Lehren ertheilen wie folgende: Des Menschen Beruf ist, Mensch zu sein! Wer Euch Selbsterniedrigung anpreist als Tugend, der ist ein Betrüger... Genuß ist Tugend... Es ist kein Gott, oder er muß gut sein! Wenn einer ist, so dienen wir ihm am besten durch Genießen... Ich will den armen Menschen, die da so verdrossen liebelos zurückbleiben, sagen, daß Genuß Tugend ist und daß nichts mehr Genuß giebt, denn Liebe." Natürlich sahen die gemeinen Naturen der Femde und Ver­leumder Dekkers in seiner Vertheidigung edler Freiheit in der Liebe nur Entschuldigung der Zügellosigkeit und Unsittlichkeit, die ihm so himmelweit fern lag, ihm, der mit aller rücksichtslosen Schärfe erklärte:Wahrlich ich sage Euch! der Adel und die Ehre des Menschen wohnen über dem Nabel!" Den Zionswächtern und Tugendbolden ruft er zu:Seid wahr, Ihr alle, die Ihr schuldig seid der unmenschlichen Sünde der Sündlosigkeit, die Ihr meint, eine Heldenthat verrichtet zu haben durch das Ertödten einer Sinnlicheit... die vielleicht nicht lebensfähig geboren war,... an Blutarmuth oder anderem Mangel in Zusammensetzung der Säfte starb. Lasset die Steine liegen, die nicht dazu da sind, um von einem unmöglichen.Ersten' geworfen zu werden(Anspielung auf das Wort Jesu:.Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.' Johannis 8, 7). Setzet den Fuß darauf, stoßet den Nachbar bei Seite, der nach ihm greifen will und sprechet zu ihm: Bruder, sollte die Sünde des Werfens nicht größer sein, als die Sünde, die uns ärgert?" Mit bitterem Hohne spottet Multatuli   über eineplumpe Ord­nung, die sich vermißt, Schutzprämien auf die Unnatürlichkeit aus­zuschreiben", über einefilzige, hagere, rohe Tugend", dieda ist, um in Marter zu wenden, was ohne sie lieblich sein würde..." Doch ich breche ab in meinen Anführungen; so abgerissen könnten auch sie Mißverständnisse erwecken. Multatulis Werke sollten auch bei uns viel bekannter werden, ganz besonders den Frauen und Mädchen, als sie es zur Zeit sind. Mein Freund Derossi hat vor Jahren in der Nürnberger  Arbeiter-Chronik" und dann imFreidenker"(Milwaukee) den Max Havelaar  " und Auszüge aus denIdeen" übersetzt, lind neuerdings erscheint ein Uebersetzungswerk von Wilhelm Spohr   in Minden   bei Bruns, das auf das Wärmste empfohlen sei.