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völkerung des Reiches den jüngsten weiblichen Säugling ein­gerechnetsteht außerhalb der Familie, im feindlichen Leben", im Kampfe um die Existenz. Je nachdem die Handelsbeziehungen mit dem Auslande das industrielle Leben aufblühen lassen oder lahmlegen, werden sich unter dem unmittelbaren oder mittelbaren Einfluß der dadurch geschaffenen Zustände die Erwerbsverhältnisse der meisten dieser Frauen, zumal aber der Arbeiterinnen, der Handels­angestellten, kurz der weiblichen Lohnarbeitenden, verbessern oder verschlechtern. Der flotte oder flaue Gang von Handel und Wandel läßt jedoch auch die Existenzverhältnisse jener Frauen nicht un­berührt, welche nicht durch eine Berufsthätigkeit der Familie ent­rissen sind, welche noch als fleißige Hausmütter am häuslichen Herde schalten und walten oder als Drohnen der Gesellschaft im geschäftigen Müßiggang   den Tag todtschlagen. Er steigert oder senkt das Einkommen, das der Mann oder ein anderes Glied der Familie durch Arbeit oder Ausbeutung der Arbeit erwirbt; er steigert oder senkt mithin die Summe, mit welcher hier hausgehalten werden muß, welche dort vergeudet werden darf.

So sind die Handelsbeziehungen so frei, ohne erst die gütige Erlaubniß des Bierbankphilisters einzuholen, mit festem Griffe in der einen oder anderen Weise, unmittelbar oder mittelbar in das Leben jeder Frau hineinzufassen, und zwar in Deutschland  , wie ander­wärts. Und weil dem so ist, so tummelt die Frau nicht etwa als emanzipirter Blaustrumpf" ein theoretisches Steckenpferd", sie gehorcht vielmehr als Erwerbsthätige und als Hausmutter einem hervorragend praktischen Interesse, wenn sie sich um so ttt " politische" Fragen und Dinge wie Handelsverträge fümmert. Denn wie wir in dem folgenden Artikel zeigen werden die Handelsverträge sind mit von ausschlaggebender Bedeutung für das Wie der Handelsbeziehungen, für ihre vortheilhafte oder un­günstige Gestaltung, für die Entwicklung des gesammten Wirth­schaftslebens. Sie kommen folglich auch für die Frau, ganz be­sonders aber für die Arbeiterin, die Proletarierin, als Mächte in Betracht, die mitentscheiden, was diese verdienen kann, und was sie verbrauchen darf. Spießbürgerliche Weisheit kann das leugnen, zu ändern vermag sie es nicht.

Die Fabrikarbeit verheiratheter Arbeiterinnen in

Preuken.

Von D. Binner- Winterthur  .

II.

Der Einfluß der Fabrikarbeit wie der Lohnarbeit der verheiratheten Frauen überhaupt auf die Gestaltung des Familienlebens, wie des förperlichen und moralischen Gedeihens der Kinder, ist ein durchaus schädlicher und alles, was darüber die Fabritinspektoren berichten, ist zugleich eine unbeabsichtigte Recht­fertigung der Auffassung und Beurtheilung dieser Verhältnisse durch die Sozialdemokratie. So wird in dem Potsdamer Bericht kurz ausgeführt: Daß dem Arbeiter, dessen Frau in einer Fabrik thätig ist, ein eigentliches Familienleben fehlt, ist eine anerkannte Thatsache." Und er reproduzirt dann das Gutachten eines erfahrenen Geist­lichen", in dem dargelegt wird, daß sowohl äußerlich, in Kleidung, Haltung, Sprache, aber auch in sittlicher Beziehung sich die Arbeiter: finder, deren Mütter in Fabriken arbeiten, deutlich von den anderen Kindern unterscheiden. Das Fehlen des mütterlichen Einflusses ist hier unverkennbar. Eine Mutter, auch wenn sie noch so ungebildet ist, nimmt zu ihren Kindern eine ganz eigenartige Stellung ein, und es kommt immer wieder gelegentlich zur Geltung, ob ein Kind dieſen mütterlichen Einfluß erfahren hat oder nicht."

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Im Bericht aus dem Bezirk Frankfurt   a. D. vertritt der Ge­werberath die gleiche Anschauung. Er führt aus, daß die Kinder, deren beide Eltern zur Arbeit gehen, ein richtiges Familienleben nicht kennen lernen. Solange sie nicht schulpflichtig sind, werden sie den Tag über bei fremden Leuten untergebracht, und sie sehen die Eltern nur, wenn diese müde und abgearbeitet nach Hause kommen. Selbst dann aber hat die Mutter noch wenig Zeit für die Kinder, da sie die Hausarbeit verrichten muß. Manchmal sehen die Kinder ihre Eltern auch nur Sonntags. Eine sehr große Zahl von Kindern stirbt schon früh­zeitig und entgeht so einer freudlosen und bitteren Jugendzeit, sowie den Gefahren einer ungenügenden oder gänzlich fehlenden Erziehung. So beträgt im schlesischen Inspektionsbezirk Reichenbach, speziell in dem Langenbielauer Industriezentrum, die Zahl der gestorbenen

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Kinder 54 Prozent, in dem Reichenbacher Industriezentrum 44 Pro­zent. Der Hauptgrund hierfür dürfte in der schlechten Lebenshaltung und den schlechten Wohnungen in dem schnell emporgewachsenen Industrieorte Langenbielau   liegen. Leider ließen sich keine ähnlichen Zahlen aus anderen Industrieorten beibringen. Es leuchtet aber ein, daß immer die Wohnungsverhältnisse und die Lebenshaltung für das Gedeihen der Kinder maßgebend sein werden. Beides liegt in stark bevölkerten Industrieorten und in großen Städten gewöhnlich sehr. im Argen. In Breslau   pflegen verwitwete oder geschiedene Frauen mit ihren Kindern meist nur ein Zimmer als Wohnung zu haben; die Wohnung arbeitender Eheleute mit Familie besteht gewöhnlich aus einer Stube und einem als Küche dienenden Vorraum, vereinzelt auch noch in einem Alkoven oder Kabinet. Für ein Zimmer wird nach Lage, Größe und etwaigem Zubehör in der Regel 6 bis 9 Mt., durchschnittlich 7 Mt. den Monat, für eine Wohnung letzterer Art. 10 bis 17 Mt. bezahlt. Die Pflege eines kleinen Kindes bei einer Pflegefrau foftet 3 Mt. die Woche, und da der Durchschnittsverdienst einer Arbeiterin 36 Mt. für den Monat beträgt, bleiben einer allein­stehenden Frau für sich und ihr Kind kaum 60 Pf. für den Tag. Die Rost besteht deshalb auch fast ausschließlich aus Graupen, Bohnen, Erbsen, Sauerkraut und Kartoffeln, hie und da aus etwas Fleisch und Hering." Der Bericht entrollt hier ein fapitalistisches Gegen­wartsbild, wie es nicht einmal der phantasiebegabte Eugen Richter  dem sozialistischen   Zukunftsstaat anzudichten vermocht hat.

Besser liegen nach dem Bericht die wirthschaftlichen Verhältnisse dort, wo Mann und Frau in der Fabrik arbeiten. Immer aber bleibt der Uebelstand bestehen, daß die Kinder durch die Vorberei­tungen für die Fabrikbeschäftigung der Eltern oder der Mutter schon gegen 5 Uhr früh im Schlafe gestört werden, und daß, falls kein An­gehöriger ihre Wartung übernimmt oder die Kinder in Spielstuben untergebracht werden können, die Schulkinder bis zum Schulanfang sich selbst überlassen bleiben oder bei Nachbarn untergebracht werden müssen. Ist es weit bis zur Fabrik, so wird sich die Mutter Mor­gens und Abends auch nur wenig ihren Kindern widmen können." In ähnlicher Weise äußern sich über diese Verhältnisse andere Auf­sichtsbeamte, insbesondere derjenige in Aachen  . Er erwähnt eben­falls die große Sterblichkeit der Pflegefinder und den Mangel an Beaufsichtigung, sowie Erziehung der schulpflichtigen Jugend. Eine Mutter antwortete ihm auf seine Frage, wo die Kinder außerhalb der Schulzeit, während ihrer Abwesenheit, sich aufhalten: Die Kinder wissen ja, wo der Schlüssel zur Wohnung ist." Die Kinder sind also den ganzen Tag sich selbst überlassen und müssen dabei verkümmern und verderben.

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In Berlin   führten von 2193 Frauen 11,8 Prozent überhaupt feinen Hausstand, sie besaßen allerdings meist auch keine Familie. Einige von ihnen hatten Kinder, die anderweitig untergebracht waren. Die Hauptmahlzeit wird von 62 Prozent dieser Frauen erst des Abends genossen. Es geschieht dies, damit die Familie gemeinschaftlich die Mahl­zeit daheim einnehmen kann. Aber die Gepflogenheit hat meist eine üble Folge: namentlich die Frauen und Kinder müssen sich den ganzen Tag über mit durchaus ungenügender Nahrung behelfen. Von den 38 Prozent Arbeiterinnen, welche die Hauptmahlzeit zu Mittag ein­nehmen, thun dies nur 12,8 Prozent in der Wohnung, dagegen 16,85 Prozent in der Fabrik, 5,25 Prozent in Speisewirthschaften und 3,1 Prozent an verschiedenen anderen Orten. Aeußerst noth­dürftig ist für die Erziehung und Verpflegung der Kinder gesorgt. Von 732 Kindern unter 12 Jahren fand die 3. Inspektion Berlin  31 Prozent durch Ueberlassung an Verwandte versorgt. Zu ver­wandten Familien wurden während der Arbeitszeit 21 Prozent ge­schickt, 11 Prozent waren fremden Leuten und 7 Prozent Spielschulen und dergleichen übergeben. In der Wohnung sich selbst über­lassen blieben endlich nicht weniger als 30 Prozent dieser Kinder. Von 566 Müttern hatten sich 67 oder 11,8 Prozent der Erziehung ihrer Kinder durch dauernde Fortgabe entledigt. Die an­deren Inspektionen machen ähnliche Angaben. Die Aerzte bestätigen aus ihrer Erfahrung die schlimmen Zustände. Sie betonen, daß sich die Frauen nicht nur den Tag über ungenügend nähren, sondern auch Abends die Mahlzeit oft nur mangelhaft zubereiten. Die Frauen leiden darunter um so mehr, als sie dann sehr ermüdet sind und des­halb auch mangelhaft verdauen. Wohnungen und Kinder wurden von den Aerzten oft in vernachlässigtem Zustand vorgefunden. Mittel­bar wirkt die Fabrikarbeit sowohl gesundheitlich wie sittlich schwer schädigend auf die Frauen und ihre Familien ein, weil sie die Zeit und Kraft einer Frau fast vollständig in Anspruch nimmt. Diese vermag dann nur ganz ungenügend für sich und ihre Angehörigen zu sorgen. Versucht sie durch großen Fleiß diesen Uebelstand zu heben, so ist Ueberanstrengung die Folge davon."

Ueber die Lohn verhältnisse der Frauen wie auch der Männer enthalten die Berichte sehr reiche, aber wenig erfreuliche Angaben.