Mann ehelichte. Wohl durfte sie dann das Gewerbe weiter aus­üben, aber nicht mehr mit den Vorrechten der Meisterschaft.

Ueber die Frage, die uns am lebhaftesten interessirt, über das Verhältniß des Lohnes der männlichen zu dem der weiblichen Arbeits­kräfte fehlt es leider an genügendem zahlenmäßigem Material. Blos ganz vereinzelte Angaben liegen vor, aus denen für das ausgehende 14. Jahrhundert geschlossen wird, daß der Lohn der Frauen um ein Viertel geringer war, als der der Männer. Am Ende des 15. Jahr­hunderts sank der Frauenlohn auf die Hälfte des Männerlohnes, und im 16. Jahrhundert scheint er noch tiefer heruntergegangen zu sein. Jedenfalls war auch damals, wie heute, die unorganisirte Arbeiterin im Verrufe als Lohndrückerin.

Sicher ist das eine, daß auch in jenen goldenen Zeiten unserer Reaktionäre die nichts besitzende Frau sich nicht auf das Hüten des Herdes, auf die Arbeit im Haushalt, auf die Erziehung der Kinder, auf das Verscheuchen der Sorgen des Mannes beschränken konnte, sie mußte schon zu jener Zeit hinaus ins feindliche Leben, sich als Lohnstlavin ihr Brot fauer verdienen. a. br.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Auf Veranlassung der Vertrauensperson der Genossinnen von Köln   fanden Anfang Mai im Oberrheinischen Agitationsbezirke öffentliche Frauenversammlungen statt, in denen Genossin Kähler- Dresden( früher Hamburg  ) referirte. In Köln  , Ehrenfeld, Deuß, Kalt, Duisburg  . Saarbrücken  , Kreuznach, Bonn   und Aachen   sprach die Rednerin über Die Stellung der Frauen zu dem geplanten Brotwucher". An der Hand eines umfangreichen Materials verstand sie cs, die verderbliche Wirkung der Getreidezölle, ganz besonders aber hoher Getreidezölle auf die Ernährung, Gesundheit, Bildung und Sittlichkeit der breiten Volks­massen klar zu legen. Einstimmig wurde in allen Versammlungen eine Resolution angenommen, welche sich gegen jede Erhöhung der Getreidezölle erklärt und Beseitigung derselben fordert. Die große Begeisterung, welche in einzelnen Versammlungen herrschte, berechtigt zu der Hoffnung, daß durch die entfaltete Agitation gar manche Frau im dunklen Rheinland   zum Verständniß der modernen Arbeiterbewegung geweckt worden ist. Auch hier wird allmälig das finstere Schwarz dem leuchtenden Roth weichen, das bereits hier und da herauszu­dämmern beginnt.

Notizentheil.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

W. K.

Die Vereinigung der Blumen-, Blätter- und Putzfedern­Arbeiterinnen und Arbeiter Berlins  , deren Gründung in einer ersten Versammlung am 15. Mai beschlossen wurde, ist in einer zweiten Versammlung am 1. Juni ins Leben getreten. In dieser Versammlung erfolgte die Berathung der Statuten der neuen Ge­werkschaftsorganisation, die für die Mitglieder die gleichen Vortheile, Rechte und Pflichten festlegen, wie die Statuten der meisten Fach­vereine. Der Vereinigung" traten sofort 104 Mitglieder bei. Der gewählte Vorstand besteht aus vier Arbeiterinnen und einem Arbeiter, Vorsitzende ist Genossin Rönsch. Eine Revisorin und ein Revisor stehen dem Vorstand zur Seite. Die nächste Vereinsversammlung findet am 2. Juli statt. Nach Erledigung verschiedener Einzelheiten gingen die Versammelten mit einem Hoch auf die neue Organisation in dem frohen, kräftigenden Bewußtsein auseinander, eine neue Schutz­wehr für die Interessen und die Würde der arbeitenden Frauen ge­schaffen zu haben. Verschiedene Anzeichen lassen eine gedeihliche Entwicklung der jungen Organisation hoffen. Trotz der schwülen Sommerhitze und der rein geschäftlichen Tagesordnung war die Ver­sammlung gut besucht. Eine hoffnungsfreudige, pflichtbewußte Stim­mung beseelte offensichtlich alle Anwesenden. Den ziemlich eintönigen geschäftlichen Erörterungen wurde die regste Aufmerksamkeit zuge­wendet. Ein stattlicher Stamm von 104 Mitgliedern trat der Ver­einigung" sofort bei, darunter Arbeiterinnen, die erst durch die in ihrem Beruf entfaltete gewerkschaftliche Agitation zum Empfinden der Solidarität, zum Bewußtsein der Interessengemeinschaft aller Arbeitenden gelangt sind. Die Arbeiter der einschlägigen Berufs­zweige, zwar flein an der Zahl, aber mit mehr Erfahrungen in Ge­werkschaftsangelegenheiten ausgerüstet als die Arbeiterinnen, stehen diesen rathend und helfend zur Seite. Und auf der anderen Seite predigen die gehässigen Angriffe, welche Unternehmer der Blumen­und Putzfedernindustrie gegen die eingeleitete Bewegung zur Besserung unwürdiger, unhaltbarer Verhältnisse richten, wie nöthig eine ge­

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schlossene, kraftvolle Organisation für die Vertheidigung der Arbeite rinneninteressen ist. Das Organ der Arbeitgeber der Hutschmuck­branche" hatte z. B. die sehr sachlichen Ausführungen, welche Ge­nossin Ihrer in der ersten Versammlung über die Lohnverhältnisse 2c. der Arbeiterinnen gegeben hatte, als bewußte Entstellungen der Wahrheit hingestellt. Allerdings wußte es als Beweis für die vor­geblich hohen und ausreichenden Löhne in der Blumen- und Puzz­federnindustrie nichts Anderes anzuführen, als daß die Lehrmädchen gegenwärtig mit 12 Mt. Monatsgehalt anfingen. Daß es vor nicht allzu langer Zeit nur 9 Mt. gewesen sind, das können nicht nur Hunderte von Blumenmacherinnen aus eigener trauriger Erfahrung bestätigen, das ist unter Anderem auch in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik" nachzulesen( Hausindustrie und Heimarbeit in Deutschland   und Desterreich". II. Bd.: Die Hausindustrie der Frauen in Berlin  ). Und die letztgenannte Duelle tann gewiß nicht der agitatorischen Uebertreibungen" und des Aufwiegelns" verdächtigt werden. Das Unternehmerorgan hatte in Aussicht gestellt, daß zahl= reiche Arbeitgeber der zweiten Versammlung beiwohnen und die Lügen der Agitatorinnen" entlarven würden. Aber kein einziger Fabrikant meldete sich hier zum Worte. Der Verfasser des erwähnten Artikels- er hatte nicht einmal der ersten Versammlung beigewohnt -drückte sich schweigend, ehe Gelegenheit geboten war, seine An­griffe zurückzuweisen. Mit Recht kennzeichnete Genossin Ihrer diese Art des Vorgehens als ein Eingeständniß der Schwäche jener Arbeit­geber, welche den Bestrebungen für verbesserte Arbeitsbedingungen feindselig gegenüberstehen. Je weniger die junge Organisation mit dem Wohlwollen und der Einsicht des Unternehmerthums rechnen fann, umsomehr muß es gelten, ihre Kraft und Leistungsfähigkeit durch pflichttreues Wirken zu steigern. Wenn jedes Mitglied das Seinige für die Entwicklung der Vereinigung" thut, so kann diese das Ihrige leisten, ihren Angehörigen zur Ehr' und zur Wehr, Denen aber, die noch nicht organisirt sind, zur Lehr'. A. N.

Im Deutschen   Metallarbeiterverband ist zwar die Zahl der Arbeiterinnen noch immer eine sehr geringe, aber Diejenigen, die dem Verband angehören, erfüllen nach dem Rechenschaftsbericht des Haupt­vorstandes ihre Pflichten besser wie die männlichen Kollegen. Ende 1899 hatte der Verband 2202, Ende 1900 2693, also 491 mehr weibliche Mitglieder. Während von 1899 auf 1900 die Wochenbeiträge pro männliches Mitglied von 40,3 auf 38,5 fielen, stiegen die der Ar­beiterinnen von 36,5 auf 40, obgleich die Höhe der Beiträge der Männer blos um 50 Prozent, die der Frauen aber um 100 gestiegen war. Während im Jahre 1899 85,9 Prozent der beigetretenen männ lichen Mitglieder dem Verband den Rücken kehrten, war dies bei blos 28,1 Prozent der Arbeiterinnen der Fall. Von den 1900 dem Verband beigetretenen Arbeitern meldeten 77,5 Prozent, von den Ar­beiterinnen doch nur 51,7 Prozent ihren Austritt an. Reisegeld bezog in den beiden Jahren keine Arbeiterin, Ortsunterstützung erhielten 14 Arbeiterinnen 139,75 Mt. Drei Arbeiterinnen bezogen wegen Ar­beitslosigkeit, acht wegen Krankheit, drei wegen Unglück in der Familie und weitere zwei aus anderen Gründen Unterstützung von zusammen 275 Mt. An einer ganzen Reihe von Streits, so vor Allem an den zahlreichen in der Schlägerbranche, waren Arbeiterinnen betheiligt. Sie haben sich dabei ausgezeichnet bewährt. Leider läßt sich die Höhe der aus diesen Anlässen von den Arbeiterinnen bezogenen Unter­stützungen nicht feststellen. Bedauerlich ist, daß zu der in der Woche nach Pfingsten stattgefundenen Generalversammlung keine Zahlstelle eine Arbeiterin delegirt hat. Dies ist aber zum Theil Schuld der Arbeiterinnen selbst, denn der Metallarbeiterverband hat Zahlstellen, in denen die Arbeiterinnen die Mehrheit der Mitglieder bilden.

a. br.

Die Zahl der weiblichen Mitglieder des Buchbinderver­bandes ist im Jahre 1900 in höchst erfreulicher Weise gestiegen. Nach dem sehr interessanten Bericht des Verbandsvorstandes zählte die Organisation am Schlusse des Jahres 1899 neben 6525 männ­lichen, 1881 weibliche Mitglieder, im Jahresdurchschnitt kamen bei einer Gesammtmitgliedschaft von 7631 auf 6050 männliche 1581 weib­liche Mitglieder. Am Jahresschluß von 1900 umfaßte der Verband dagegen 7958 Arbeiter und 3767 Arbeiterinnen; im Jahresdurchschnitt gehörten ihm 1900 bei einem Gesammtmitgliederstand von 10 446 Per­sonen 7401 Männer und 3045 Frauen an. Am Schlusse des Jahres 1900 hatte also die Organisation gegen das Vorjahr ein Mehr von 1433 männlichen und 1886 weiblichen Mitgliedern zu verzeichnen; im Jahres­durchschnitt stellten 1899 die Arbeiterinnen nicht ganz 21 Prozent der Gesammtmitgliedschaft, 1900 dagegen etwas über 29 Prozent. Absolut wie relativ hat also die Zahl der organisirten Arbeiterinnen des Buchbindergewerbes stärker zugenommen, als die der Arbeiter, welche dem Verband beigetreten sind. Zugang, Abgang und Bestand der weiblichen Mitglieder der Organisation stellte sich in den Duartalen von 1900 wie folgt: