Nachdem die Rednerin scharfe Kritik an dem ganzen System desMilitarismus geübt, zeigte sie an der Hand reichen statistischen Materials, in welche Schuldenlast Deutschland durch sein„herrliches"Kriegsheer und seine„gräßliche" Flotte gestürzt worden ist. Sieforderte die Versammelten auf, schon von heute an kräftig der nächsten Reichstagswahl vorzuarbeiten, damit dieses System und dieganze Reaktion gebrochen werde. Lebhafter Beifall bewies, daß diemeisten Besucher mit den sozialdemokratischen Ausführungen einverstanden waren. In seinem Schlußwort tat Herr Kuhlmann unfreiwillig noch ein übriges, um die Sympathie für die Sozialdemokratie zu verstärken. Genossin Zieh hatte in ihren Ausführungen auf den Ausspruch verwiesen, daß die Soldaten eventuellauf Vater, Mutter und Bruder schießen müßten. Herr Kuhlmannmeinte, das betreffende Wort sei ja ein böses Wort, doch müßte manfolgendes bedenken. Ein junger Mann, Soldat, habe einen Bruder,der ein Taugenichts sei und womöglich Häuser anzünde.(!?> DerSoldat werde gegen den Taugenichts gesandt. Natürlich habe erzunächst zu versuchen, denselben zu verhaften, gelänge dies nicht, nundann müsse er erschossen werden. Genossin Zieh unterstrich dieseWorte mit einem lauten hört! hört! Durch die Versammlung aberging ein lautes Murren. Beide Versammlungen haben gut für dieSozialdemokratie gewirkt und manchem die Augen geöffnet.I-.In Sachsen und Thüringen hielt Genossin Kühler in derersten Hälfte Dezember eine Reihe von Versammlungen ab. InGlauchau sprach sie in einer großartig besuchten Versammlungder streikenden Textilarbeiter, der sogar Zuhörer aus Meeranebeiwohnten, über„Die Arbeiterorganisation der Gegenwart". Das gleiche Thema behandelte sie in Kallenberg ineiner gut besuchten Versammlung der Stoffhandschuhnäherinnen.Dieselben sind in der Mehrzahl organisiert und haben durch die Organisation bereits einen Lohntarif zur Anerkennung gebracht. In eineröffentlichen Versammlung der Tabakarbeiter von Frankenbergreferierte Genossin Kühler über„Die Schäden der Hausindustrie". Die meisten der Anwesenden haben dieselben wohlschon am eigenen Leibe erfahren, da die Heimarbeit in der Franken-berger Tabakindustrie eine große Rolle spielt. Sieben Achtel derbeschäftigten Arbeitskräfte sind Frauen, die fast durchweg zu Hauseschaffen. Die Versammlung hatte den Erfolg, dem Tabakarbeiterverband achtzehn neue Mitglieder zuzuführe». Die Zahlstelle desFabrikarbeiterverbandes zu Altenburg hatte eine Versammlung einberufen, in der eine Vertrauensperson zur Entgegennahmevon Beschwerden der Arbeiterinnen und Übermittlung derselben andie Fabrikinspeklion aufgestellt werden sollte. Genossin Kühler sprachin dieser Versammlung über„Arbeiterinnenelend und Arbeiterinnenschutz". Die öffentliche Versammlung der Fabrikarbeiter in Gotha war leider so miserabel besucht, daß nur eineBesprechung über die Arbeitslosenunterstützung stattfinden konnte.In Ohrdrufs bot die Versammlung ein lebhaftes Bild. Die Referentin behandelte„Die Organisationsbestrebungen der Arbeiter im zwanzigsten Jahrhundert". Gut besuchte Versammlungen tagten in Chemnitz und in Plauen i. V., wo GenossinKühler über die Botschaft sprach:„Friede auf Erden und denMenschen ein Wohlgefallen". Überfüllt war die Versammlungin Radeberg. Hier behandelte die Referentin das aktuelle Thema:„Der Umsturz im Reichstag". Mögen die Anregungen, welchedie Agitation in viele Köpfe und Herzen getragen, lebendig bleibenund Frucht tragen, so daß die moderne Arbeiterbewegung immersiegreicher, unwiderstehlicher vorwärts schreitet. VV. K.Chemnitz. Auch wir hatten große Freude, als Genossin Popp-Wien bestimmt zusagte, uns einen Vortrag über die wirtschaftlichenund politischen Aufgaben der Frau im Klassenkampf zu halten, aberwie wurden wir enttäuscht, als drei Stunden vor Eröffnung der sehrgut vorbereiteten Versammlung ein Telegramm einlief des Inhaltes:„Komme nicht, muß in Dresjden Versammlung abhalten."Es war gewiß von den Dresdener Genossen sehr unrecht, GenossinPopp von ihrem Vorhaben, nach Chemnitz zu fahren, mit der Begründung abzuhalten, in Chemnitz giebt's genug Redner. Auch inDresden dürfte es wohl an solchen nicht mangeln. Für uns war dieAbsage in letzter Stunde doppelt peinlich, weil schon kurz vorher ineiner Versammlung an Stelle der erkrankten Referentin ein Genossesprechen mußte. Bei den Chemnitzer Frauen findet es aber mehrAnklang, wenn eine Genossin spricht. Wir hoffen, wenn GenossinPopp wieder nach Sachsen kommt, so wird Chemnitz nicht wieder sostiefmütterlich behandelt werden. IS. Ü.Islzresberichl der weiblichen Vertrsuenspersonvon Hamburg.Im zweiten Jahre der planmäßigen Agitation unter den proletarischen Frauen Hamburgs war die Arbeit schon bedeutend leichter.Man konnte an bereits Bestehendem weiter bauen, und die Zahl derMitarbeiterinnen war eine bedeutend größere geworden, so daß eineweitgehende Arbeitsteilung möglich war. Oeffentliche Versammlungenwurden im Berichtsjahr 21 abgehalten. Davon waren sieben Agitationsversammlungen allgemeiner Natur, in denen Mitgliederfür die sozialdemokratischen Vereine, sowie Abonnenten für die„Gleichheit" und die sozialdemokratische Tagespresse geworben wurden.In sieben Versammlungen nahmen die Genossinnen Stellung zumKinderschutzgesetzentwurf und stellten dem Pfuschwerk der Regierungsvorlage ihre viel weitergehenden Forderungen an Staat undGemeinde entgegen. In einer Versammlung, in der Genosse Singerreferirte, ward scharf die politische Rechtlosigkeit der Frau gegeißeltund politisches und kommunales Wahlrecht, sowie einheitliches und freiheitliches Vereins- und Versammlungsrechtgefordert. In vier Versammlungen, in denen Genossin Zetkin sprach,erhoben die Genossinnen flammenden Protest gegen die Greueltaten und Brutalitäten des zarischen Despotismus undsprachen ihre wärmste Sympathie den russischen Freiheitskämpfern aus. Zwei weitere Versammlungen waren fast ausschließlich von Frauen besucht. Davon nahm die eine VersammlungStellung zum gesetzlichen Arbeiterinnenschutz und die anderezur Fleisch not. In allen diesen Versammlungen wurden Mitglieder für die sozialdemokratischen Vereine geworben, so daß amJahresschluß die Zahl ihrer weiblichen Mitglieder jedenfallsll<w erreichen wird. Ebenso ward eine rührige Propaganda fürdie Presse entfaltet und nicht ohne Erfolg. Im Laufe des Jahresstieg die ZahlderAbonnenten der„Gl eichheit" von 160aufIn der Propaganda für die gewerkschaftliche Organisation wurden die Schneider, die Fabrikarbeiter und dieHandlungsgehilfen unterstützt. Jetzt ist die dauernde Mitarbeitin jeder Gewerkschaft bestimmten Genossinnen übertragen worden, sodaß dieselben mit den einschlägigen Verhältnissen ganz vertrautwerden und um so Besseres leisten.Eine ganze Anzahl Uebertretungen der gesetzlichen Arbeiterschutzbestimmungen in Fabriken und Werkstätten wurdendem Gewerberat resp. der Polizeibehörde gemeldet, und es ist sofortfür Abstellung dieser Uebelstände Sorge getragen worden. Außerdemhaben die Genossinnen Erhebungen vorgenommen über die Lohn-und Arbeitsbedingungen der in Bedürfnisanstalten angestellten Frauen, wobei überaus traurige Einzelheiten festgestellt wurde». Als besonderer Mißstand macht sich die überauslange tägliche Arbeitszeit geltend, sowie daß die Frauen nur eineneinzigen freien Tag im Jahre haben. Wir wandten uns miteiner Eingabe an die Direktion der betreffenden Gesellschaft und ersuchten im Namen der Frauen um Freigabe eines einzigen freienTages in der Woche. Es erfolgte keine Antwort. Darauf schrittenwir zur Veröffentlichung des Ergebnisses unserer Erhebungen. Unterdem Drucke der öffentlichen Meinung ward mancher Uebelstand abgestellt, leider trat keine Verkürzung der täglichen Tagesfron ein.Zur weiteren Aufklärung der bereits gewonnenen Genossinnenhaben nicht nur alle diese Veranstaltungen gedient, sowie die Lektüreder Tagespresse, der„Gleichheit", kleiner Broschüren:c.. vielmehr sindjetzt eine Reihe von Leseabenden eingerichtet worden, in denendurch Lesen und Diskutiren der Gesichtskreis und das Verständnißder Teilnehmerinnen erweitert wird. Auch fanden in noch engeremKreise Besprechungen über die einzelnen Forderungen unseres Programms statt, bei denen den Anwesenden Anleitung über den Aufbauvon Vorträgen gegeben ward, deren weitere Ausarbeitung jederEinzelnen überlassen blieb. Genossin Kühl mann war die erste, dieuns einen derart vorbereiteten und ausgearbeiteten Vortrag hieltund zwar über„Die indirekten Steuern". Hoffentlich folgen baldandere ihr nach. Die Kosten der Agitation wurden gedeckt durchEinnahmen aus den Tellersammlungen in den Versammlungen, denUeberschüssen der„Gleichheit", den Einnahmen auf Sammellisten undden Zuwendungen einzelner Bezirke. Die Einnahme betrug 775,S1 Mark,die Ausgabe 457.85 Mark, mithin verblieb ein Kassenbestand von317,96 Mark. Nach Erstattung des Jahresberichtes und der Abrechnungward Genossin Zieh als Vertrauensperson für ganz Hamburg einstimmig wiedergewählt. Außerdem erfolgte für jeden Kreis die Wahleiner eigenen Vertrauensperson. Gewählt wurden für den I. Kreis Genossin Rolf, für den II. Kreis Genossin Rost, für den III. KreisGenossin Fahrenwald.Bei der weitgehenden Arbeitstheilung und einer� so' stattlichenAnzahl eifriger, tüchtiger und durchaus zuverlässiger Mitarbeite-