Was

glieder des Streitkomitees an den Verhandlungen teilnahmen. Vor Tische hatte man's anders gelesen! Prozig und voll Haß gegen die Organisation war jede Einmischung fremder Elemente", das heißt der Vertreter des Verbandes und der Streikleitung zurückgewiesen worden. Jeder Fabrikant wollte sich nur mit seinen Arbeitern und Arbeiterinnen" verständigen. Die Verhandlungen selbst brachten die Anerkennung fast der gesamten Forderungen. Allerdings mußten die Ausständigen in einige unwesentliche Abstriche willigen, doch errangen sie in vielen Positionen erheblich mehr, als der ihnen seinerzeit von den Fabrikanten vorgelegte Tarif festgesetzt hatte. Die durchschnitt­liche Erhöhung der Löhne wird auf 20 bis 25 Prozent geschätzt, bei einzelnen besonders gangbaren Waren soll sie über 30, ja bis zu 40 Prozent betragen. Angesichts der bisher in Meerane   üblichen Jammerlöhne ist die Tatsache hocherfreulich, nicht minder erfreulich ist aber die Anerkennung eines festen Tarifs überhaupt. Ihn gilt es, durch treues Festhalten an der Organisation zu behaupten, damit spätere Kämpfe die weitere Erhöhung der Lohnsätze bezwecken können. Den materiellen Errungenschaften des Ausstandes stehen seine mo: ralischen Folgen an Wichtigkeit ebenbürtig zur Seite. Es ist nicht hoch genug anzuschlagen, daß diese dem bittersten Elend überlieferte Arbeiterbevölkerung aus stumpfsinniger Ergebung zum Bewußtsein ihrer Lage und ihres Menschenrechtes erwacht ist und gelernt hat, an Stelle geduldigen Weiterschleppens ihres Kreuzes Widerstandsgeiſt und Kampfesmut zu setzen. Der Streit hat das Persönlichkeits- und Klassenbewußtsein der Meeraner Weber und Weberinnen wesentlich gehoben und gestärkt. Er hat ihnen jede Woche aufs neue den Segen der gewerkschaftlichen Organisation durch Taten gepredigt. wäre trotz der betätigten Sympathie aller Bevölkerungskreise von Meerane   und Umgegend aus den Streifenden geworden, ohne die 180 000 Mart Unterstützungsgelder, welche der Verband hinter ihre Forderungen gestellt und durch welche er dem Hunger gewehrt hat? Und mit der treuen Fürsorge des Verbandes durch klugen Rat und hilfsbereite Tat haben die Ausständigen die Solidarität des gesamten deutschen   Proletariats kennen gelernt. Sie und ihre Kinder werden nicht sobald das Weihnachtsfest vergessen so herrlich und schön, wie es die meisten von ihnen noch nie erlebt haben, das ihnen die Schwestern und Brüder der Arbeit rüsteten, die zu diesem Zwecke 12000 Mark zusammengebracht, von anderen Gaben zu schweigen. Aber wie der Wert der Organisation und die Solidarität der Ar­beiterklasse, so hat sich auch die Kampfestüchtigkeit der Streifenden glänzend bewährt. Die ausdauernde, ernste Entschlossenheit, die Opfer­freudigkeit, Begeisterung und wunderbare Disziplin und Ruhe, mit welcher der lange und heiße Kampf geführt worden ist: haben das Ihrige zu dem Erfolg beigetragen. Im Laufe des dreizehnwöchigen Krieges hat es auf rund 2000 Ausständige kaum ein Händchen voll Streitbrecher gegeben, die öffentliche Ruhe und Ordnung wurde nicht einmal gestört. Wenn man den Kampfestugenden der Streifenden Anerkennung widerfahren läßt und diese haben sie im reichsten Maße verdient, so muß die musterhafte Haltung der Frauen rühmend hervorgehoben werden. Daß der Streit geführt und ein Vierteljahr lang gehalten werden konnte, ist wesentlich das Verdienst der vielen Hunderte von Proletarierinnen, die als Arbeiterinnen oder Hausfrauen, oft als beides, an ihm beteiligt waren. Ihre bewunde­rungswürdige Haltung ist ein Beweis mehr gegen die hier und da noch festgehaltene Auffassung, daß die Arbeiterinnen unfähig seien, geduldig, ruhig und diszipliniert einen langwierigen wirtschaftlichen Kampf mit seinen vielerlei Opfern zu tragen. Wir hoffen, daß die tapferen Meeraner   Textilarbeiterinnen diesem Beweis noch einen anderen hinzufügen und durch begeistertes Festhalten an dem Verband die Organisationsfähigkeit der Arbeiterinnen dartun. Geschieht das, so wird die Bewegung der Weber und Weberinnen zu Meerane   nur ein Vorwärts und nie ein Rückwärts kennen lernen und von Erfolg zu Erfolg fortschreiten.

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Frauenbewegung.

Beteiligung der Frauenrechtlerinnen an der Wahlbewegung bei der Ersatzwahl zu Danzig  . Am 13. Januar hat in Danzig  die Ersatzwahl für den verstorbenen Reichstagsabgeordneten Rickert stattgefunden, der bekanntlich zu den wenigen bürgerlichen Freunden der Rechtsgleichheit der Geschlechter gehörte. Die Danziger Frauen­rechtlerinnen benutzten diese Gelegenheit, um sich zum erstenmal in einer Wahlbewegung zu betätigen. Natürlich in friedlichster Weise", wie in den frauenrechtlerischen Organen ebenso ehrpusselig als über­flüssig versichert wird. Niemand hat sicherlich den Damen zugetraut, daß sie nach dem erhebenden Muster konservativer und zentrüm­licher Ordnungsretter" mit dem Jßkrautknüppel fämpfen würden. Die Frauenrechtlerinnen verfolgten mit ihrer Beteiligung an der Wahlbewegung zweierlei Zwecke: einerseits galt es, das Interesse

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Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Bundel) in Stuttgart.  ­

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der Frauen an dem bevorstehenden Ereignis zu dokumentieren, andererseits den Kandidaten, der von der Freisinnigen Vereinigung als Nachfolger Rickerts aufgestellt war und der neben dem Kandidaten der sozialdemokratischen Partei die meisten Chancen hatte, für die Frauensache zu gewinnen respektive festzustellen, ob er derselben ge­neigt sei. Das erstgenannte Ziel suchte man zu erreichen, indem man in den Danziger Zeitungen in längerer Ausführung darauf hinwies, daß den Frauen nach§ 21, 2 des Vereinsgesetzes der Besuch der Wahlvereinsversammlungen freistehe, die Gründe darlegte, welche ihnen die Teilnahme wünschenswert machen, und zum Gebrauch dieses Rechtes aufforderte. Eine Anzahl Frauen machte den Versuch und stieß dabei auf keinerlei Schwierigkeiten. Den zweiten Punkt betreffend, wandte man sich brieflich an den Kandidaten der Frei­sinnigen Vereinigung, Herrn Bankdirektor Mommsen, mit der An­frage, ob die Frauen hoffen dürften, daß er für ihre Interessen in ähnlicher Weise eintreten würde, wie Herr Rickert es getan. Herr Mommsen erklärte sich bereit, im Reichstag für die Fraueninteressen einzutreten, gemäß den Grundsägen des Liberalismus, und berührte auch, den Wunsch der Schreiberinnen erfüllend, öffentlich in einer Wählerversammlung seine Stellung zur Frauenfrage, wobei er be­tonte, daß er auf demselben Standpunkt stehe wie Rickert und dahin wirken wolle, daß auch den Bürgerinnen ihr Recht, zunächst auf dem Gebiet des Vereins- und Versammlungswesens, zuteil werde." Während der Kandidat der Freisinnigen mithin gemäß den Grundsäßen des Liberalismus" zunächst" nur ein Eintreten für eine teilweise Rechts­gleichheit der Geschlechter in Aussicht stellte, erklärte der sozialdemo­kratische Kandidat in seinem Wahlruf dem Programm der Partei getreu, für das Recht der Frau zur uneingeschränkten Teilnahme am öffentlichen Leben für ihre völlige Gleichberechtigung mit dem Manne" kämpfen zu wollen. Daß die Frauenrechtlerinnen trotzdem nicht für den Sozialdemokraten einzutreten wagten, ist nicht, über­raschend, aber erfreulich. Es zeigt wieder einmal unverhüllt die reinliche Scheidung", welche Sozialdemokratie und bürgerliche Frauen­rechtelei trennt und fegt dadurch manche alte Illusion fort, die im Schatten frauenrechtlerischer Phrasen noch immer ihr Dasein fristete.

Für die Berufstätigkeit im Bibliothekwesen wurden Ende Dezember letzten Jahres zum erstenmale in Deutschland   Frauen ge­prüft. Es waren acht junge Mädchen, die Professor Wolfstieg, Ober­bibliothekar des preußischen Abgeordnetenhauses, fünf Monate lang in den einschlägigen Fächern vorbereitet hatte und nun vor einem geladenen Publikum von Frauen und Männern prüfte. Das Examen umfaßte Latein, Bibliothekslehre, Geschichte, Literatur und praktische Uebungen. Es fiel im allgemeinen recht günstig aus.

Für die Gleichberechtigung von Frau und Mann sprachen sich die Bürgermeister von Lyon   und der Unterrichtsminister Chaumié bei der Einweihung des Mädchengymnasiums der genannten Stadt aus. Der sozialistische Maire, Herr Augagneur  , erklärte zunächst, daß die Durchführung des allseitigen, weltlichen Unterrichtes für das Aufblühen der Gerechtigkeit und Freiheit un­umgänglich ist, und schloß mit den Worten: Unsere Aufgabe besteht darin, die Frauen den rückschrittlichen Vorurteilen zu entreißen, damit sie ihren Beruf als Mütter erfüllen können." Der Unterrichtsminister Chaumié führte diesen Gedanken noch weiter aus, indem er dar­legte, daß der neue Unterricht auf das Verschwinden der Ungleichheit der Geschlechter hinarbeite. Der Mann muß in seinem Heime nicht nur ein sanftes Weib finden, sondern auch eine Intelligenz, die ihm das Haus angenehm gestaltet", fuhr er fort. Die Frau ist nicht nur bestimmt, Frau zu sein, sondern sie muß in erster Linie Mutter sein und als solche dem Kinde die erforderliche Erziehung geben können."

Frauen im Schiffereibetrieb. Nach einer Liste der eingetragenen Schiffe, welche das Marine- und Fischereiamt von Kanada   ver­öffentlicht hat, waren daselbst 70 Frauen Besitzerinnen, respektive Ge­schäftsführerinnen von Dampfschiffen, 56 von Segelschiffen.

Als Apothekerin an einem Kinderhospital wurde Miß Fizz­gibbon aus Brisbane   im Staate Queensland  ( Australien  ) nach glücklich bestandener Prüfung angestellt.

Änderungen und Ergänzungen der Adressen weiblicher Vertrauenspersonen. Dresden   N.: 4. Kreis: Frau Bertha Lungwiz, Konkordienstraße 48. Dresden  : 5. Kreis: Fräulein Magdalene Petermann, Hertelstr. 29, III. Halberstadt: Frau Ziegenberg, Hüpstr. 34. Köln   a. Rh.: Frau Müller, Jabachstr. 4. Nauen  : Frau Krull, Wallgasse 21. Posen: Frau Heyne, Töpfergasse 3.

Ditilie Baader, Zentralvertrauensperson Berlin   W., Belle- Alliancestraße 95, Hof, 3 Tr.

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart  .