Anna Maria Mozzoni, Anna Kulischoff. Die ersten größeren Lohnbewegungen der italienischen Arbeiterinnen.
Die italienische Arbeiterpartei( Partito Operaio Italiano) hatte sich binnen kurzem zur ausgesprochen sozialistischen Arbeiterpartei ( Partito Socialista dei Lavoratori Italiani) verdichtet.-
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Auf dem Mailänder Parteitag im Jahre 1891 erschien Anna Maria Mozzoni als Parteigenossin. Es wurde ihr sogar die Ehre zu teil, zu einigen Sigungen auf den Präsidentenstuhl gehoben zu werden. Trotzdem erreichte sie zunächst nichts. Der Kongreß sprach sich für den gesetzlichen Kinderschutz aus. Der Schutz der Arbeiterin und die Agitation für Frauenstimmrecht wurde übergangen. Die Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne wurde angedeutet, aber nicht offen ausgesprochen. Berechtigung zum Eintritt in die Partei", heißt es in den Kongreßbeschlüssen, haben alle Arbeitervereine, städtische wie ländliche, männliche wie weibliche, Lohnarbeiter der Kopfarbeit und der Handarbeit( salariati o stipendiati) und auch unabhängige Privatleute, falls sie nicht einen Beruf haben, in welchem sie die Arbeit anderer ausbeuten oder leiten."* Mehr erreichte die Mozzoni nicht. Da sie aber in den aus sieben Personen bestehenden Parteiausschuß gewählt wurde die erste Frau in der sozialistischen Partei Italiens , welcher dieses Vertrauen zu teil wurde, so war ihr auch fernerhin die Möglichkeit geboten, im Rahmen der Partei, also von innen heraus, für ihre Sache zu fechten. Der größte Gewinnst für das Weiterwirken feministischer Ideale, welchen die Mozzoni erreichte, war aber der Ansporn, welche sie auf eine andere Frau auszuüben wußte, die nicht wie sie selber sich vom Feminis mus zum Sozialismus entwickelt hatte, sondern deren Frauenrechtsideen stets auf dem Boden eines revolutionären Sozialismus gestanden hatten.
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Hatte zur Erreichung des gemeinsamen Zieles die Mantegazza mit vorzugsweise realen und die Mozzoni mit vorzugsweise idealen Mitteln gekämpft, so trat um die Mitte der achtziger Jahre in Italien eine dritte Frau auf, welche beides in reichstem Maße vereinte und der es, obgleich sie nicht einmal von Geburt Italienerin war, gelang, Frauenrechtsbewegung und Sozialismus in Italien auf das engste zu verbinden. Diese Frau ist die russische Emigrantin Anna Kulischoff.
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Angiolini, loco cit., S. 163.
Der Garten.
Don Albert Gnuhmann.
Autorisierte übersehung von Wilhelm Thal.
( Schluß.)
Es verging einige Zeit. Die zwölf Kronen, die Marie monatlich verdiente, schienen Mogensens Hoffnungen auf die Zukunft gestärkt zu haben. Der große Garten, den sie eine zeitlang vergessen zu haben schienen, spielte in ihren Gesprächen wieder eine Rolle. Aber er wurde immer kleiner und kleiner. Mogensen war jetzt schon so weit gekommen, daß nicht einmal ein Haus dabei zu sein brauchte. Nur ein Fleckchen Erde , wo er das allergewöhnlichste Grünzeug bauen konnte.
So war es denn wieder Frühjahr geworden. Obwohl sie in der letzten Zeit vielfach ihre Zuflucht zum Leihhaus hatten nehmen müssen, sah Mogensen der nächsten Zukunft gewissermaßen ruhig ins Auge. Denn nun begann ja die gute Zeit, da gab es für die Grünkramhändler etwas zu tun. Er hatte bereits neue Radieschen ins Fenster stellen lassen.
Außerdem hatte Marie davon zu sprechen angefangen, es wäre vielleicht ganz vernünftig, wenn man sich eine Rolle anschaffte. Er sträubte sich indessen dagegen. Es kam ihm vor, als würde ein solcher brutaler Gegenstand den letzten Rest von Vornehmheit im Geschäft zu nichte machen. Und wenn sie einmal den Garten bekommen würden, und Marie allein auf den Laden acht geben mußte, wie sollte sie dann auch noch das Rollgeschäft besorgen?
Er stand jezt in seiner Kellertür und rauchte seine Pfeife, während er diese Frage erwog. Gleichzeitig bemerkte er ein paar Kinder, die sich draußen vor das Ladenfenster hingepflanzt hatten. Es sah aus, als hätten die Zuckerstangen ihre Begehrlichkeit erwedt.
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Es war im November 1879, gelegentlich des großen Verschwörungsprozesses in Florenz , als der Name dieser Frau, zusammen mit der florentinischen Sozialistin Luigia Pezzi, einer Herrenschneiderin und verdienstvollen Propagandistin, zum erstenmale genannt wurde. Schon damals gewann sie, die später eine so große Rolle in der Geschichte des italienischen Sozialismus zu spielen berufen war, die Herzen aller. Ästhetisch und moralisch machte sie einen gleich gewaltigen Eindruck auf ihre Umgebung.* Sie war nur wenig über zwanzig Jahre alt. Mit ihrem aschblonden, etwas strähnigen Haare erschien sie den Italienern als echter Typ einer slawischen Jungfrau.„ Mit dem Madonnenköpfchen", versichert ein Augenzeuge des Prozesses,„ mit ihrer weißen, von der Gesundheit geröteten Gesichtsfarbe, mit ihren langen, den Rücken herabfallenden Zöpfen und deren glänzendem Blond mußte man bei ihrem Anblick unwillkürlich an die graziösen Frauenköpfe der Präraphaeliten denken.***
Mehr noch, als ihr Äußeres entzückte, imponierte aber die unendlich selbstbewußte Haltung, welche die Angeflagte ihren Richtern gegenüber annahm. Da war kein Funken von Furcht in ihren Augen zu sehen. Sie schien gegen jedes Schicksal von vornherein gewappnet. Paola Lombroso hat jüngst ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, in welchem sie den Versuch unternommen hat, aus den Physiognomien der Individuen auf deren Charaktereigenschaften zu diagnostiziren. Unter den Beispielen befindet sich auch Anna Kulischoff. Das Auge dieser Frau hat ein ganz besonders selten anzutreffendes Charakteristikum: wenn sie jemanden ansieht oder von jemandem angesehen wird, so bleiben die Lider mehrere Augenblicke lang ganz bewegungslos, so daß es schwer fällt, den Blick dieser Frau auszuhalten, der wie ein plötzliches und blendendes Licht dem Beschauer entgegenstrahlt und ihm bis in die innerste Seele hineinzuschauen scheint. Nicht mit Unrecht hält Paola Lombroso diesen
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Luigia Pezzi wurde später 1884 zusammen mit ihrem Manne und dem bekannten ehemaligen Anarchisten Rechtsanwalt F. Saverio Merlino und Enrico Malatesta in einem Prozeß„ wegen Aufreizung der Massen" verwickelt und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Es gelang ihr aber mit ihrem Manne zu entfliehen. Sie entkam nach Amerika und ließ sich in Buenos Aires nieder, wo sie noch jetzt leben soll. Der Bewegung ist diese tapfere Frau leider verloren gegangen.
** Die historische Skizze von Carlo Monticelli im ,, Avanti della Domenica" I, 1.( Januar 1903.)
*** Angiolini, loco cit., S. 113.
Doch auf einmal kam ein Möbelwagen um die Ecke gefahren. Er hielt vor Mogensens Laden, und ein Mann sprang vom Kutsch bock und trat auf ihn zu.
„ Ich komme vom Möbelhändler Lassen", sagte er.„ Hier sind ja wohl einige Möbel, die ich holen soll."
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Was für Möbel?" Mogensen sah ihn an, ohne zu verſtehen.
Ja, das waren die Möbel, die er auf Abzahlung gekauft hatte. Er war mit der letzten Rate vierzehn Tage in Rückstand geblieben, das wüßte er wohl. Und der Mann holte einen Kontrakt heraus, unter dem der Name P. Mogensen mit großen, trozigen Buchstaben geschrieben stand.
Da war es Mogensen, als wenn die Steinbrücke plötzlich zu zittern begann. Ja, ganz recht; er hatte die letzte Rate nicht bezahlt. Aber das war so häufig vorgekommen, daß er die Frist der Abzahlung überschritten hatte, und der Möbelhändler, der im ganzen genommen ein humaner Mann zu sein schien, hatte bloß gelächelt und gesagt, das schade nichts. Nun war fast die ganze Summe bezahlt. Es waren nur die Raten für die letzten beiden Monate im Rückstand, und da...
Mogensen fing an, um Aufschub zu bitten. Er würde das Geld am nächsten Tage ganz bestimmt schaffen, und sie konnten ja vom Warenlager des Ladens nehmen, was sie als Pfand haben wollten, nur die Möbel, nur die Möbel nicht.... Sie mußten doch wissen, ein Mann wie er, es war rein unmöglich, das mußte ein Versehen sein
Doch als seine Bitten nichts halfen, wurde er von heftigem Zorne ergriffen. Er tanzte fast vor Wut, ballte die Fäuste und schrie in wildem Zorne, sie sollten seine Möbel stehen lassen, sie möchten es nur probieren, das Geringste anzurühren, das Zuchthaus würde ihnen dann sicher sein...