Fassung des§ 34 fünftig nur Personen berufen werden dürfen, welche laut§§ 31 und 32 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Amt eines Schöffen bekleiden können. Das Gerichtsverfassungsgesetz belehrt uns aber, daß Frauen, unfähig" zum Amte eines Schöffen sind! Wirkliche Richter können eben nur die Männer sein! Daran ist nicht zu deuteln, solange dieses Gesetz besteht. Die Praxis hat dagegen ergeben, daß Frauen wohl, fähig" sind, Ämter im Vorstand zu bekleiden. Weshalb sucht man dies jetzt durch einen Federstrich wieder abzuleugnen und das seitherige Recht einfach zu streichen? Gründe kann die Regierung hierführ nicht haben! Ist es Rückschrittspolitik oder der boshafte Wunsch, der Frauenrechtlerei" einen schweren Schlag zu versetzen? Eine Umfrage bei den Kassenvorständen hätte die Herren am grünen Tische leicht belehrt, daß die Frau in die Kassenvorstände nicht allein hineingehört, sondern auch da, wo sie an der Verwaltung aktiv teilgenommen, sich als fähig" erwiesen hat, diesen Posten zum Wohle der Kasse und deren Mitglieder zu bekleiden!! Die Regierung hätte auch bei einer Umfrage in größeren Warengeschäften" 2c. zum Bei­spiel wohl erfahren können, daß Frauen sich ebenfalls sehr gut eignen und fähig" sind, Kassenführerposten zu bekleiden!

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Das alles wird man der Regierung bei Beratung dieser famosen Novelle sagen müssen. Die Aufgabe der denkenden Frauen muß es aber sein, entschieden und mit allem Nachdruck gegen diesen neuen Entrechtungsversuch zu protestieren, damit dem so stiefmütter­lich behandelten weiblichen Geschlecht im öffentlichen Leben nicht auch noch diese gewiß winzigen Rechte geraubt werden. Auf ans Werk!

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Aus der Bewegung.

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E. G.

Von der Agitation. Im Auftrag des Kreisvertrauensmannes für Lippe Detmold   sprach Genossin Ziez- Hamburg in einer Reihe von Versammlungen über die, Die bevorstehende Reichs­tagswahl" und das Thema, Sind die Sozialdemokraten rechtlos?" Die Versammlung in Salzuflen   war überfüllt. Unter fast lautloser Stille, die verschiedentlich durch stürmischen Beifall unterbrochen wurde, beendete die Referentin ihren Vortrag, in welchem sie zum Schlusse scharfe Kritik an dem Vorgehen des Bürgermeisters übte, der diesmal der Referentin zwar nicht das Reden, den Salzufler Frauen aber das Zuhören verboten hatte. Die Versammlung bot infolgedessen das uns schon völlig ungewohnte Bild, daß nur Männer anwesend waren. Prächtig besucht war ebenfalls die Versammlung in Detmold  . Ein Freisinnsmann" versuchte seinen großen Eugen" in Schutz zu nehmen gegen die Angriffe der Referentin, und ein Apostel des Herrn Dr. Neumann- Hofer, des Gründers der Lippisch­Liberalen Volkspartei", suchte für diesen eine Lanze zu brechen, wobei ihm das Malheur passierte, die Landeszeitung", das Organ dieser ,, neuen" Partei, mit einer Blech fabrik in Parallele zu stellen. Beiden Diskussionsrednern wurde von der Referentin gebührend heimgeleuchtet, wobei sie unter stürmischer Heiterkeit der Versammelten dem letzten Redner zugab, daß er vollkommen im Rechte sei, wenn er die Landeszeitung" mit einer Blechfabrik" vergleiche. Eine glänzend besuchte Versammlung, in der die Frauen stark vertreten waren, der aber auch viel bürgerliches Publikum beiwohnte, tagte in Blomburg. Mit fünfundzwanzig Personen erfolgte die Gründung eines sozialdemokratischen Vereins. Stark besucht war die Versamm­lung in Lemgo  . Die übrigen geplanten Versammlungen mußten leider ausfallen, da überall die Lokale abgetrieben wurden. An sämt­lichen Orten gaben die Lipper Ziegler ihrem Bedauern und ihrer Empörung darüber Ausdruck, daß sie doppelt Steuern zahlen müssen, in Lippe   und dort, wo sie im Sommer arbeiten. Alljährlich im Frühling ziehen circa 18000 bis 20000 Ziegler aus Lippe fort, um im Herbst dahin zurückzukehren. Zur Zeit der Wahl sind sie überall außerhalb ihrer Heimat in den Ziegeleien zerstreut. Wäre das nicht der Fall, so gehörte der Wahlkreis unter allen Umständen uns. Am Tage nach unserer Versammlung fand in Lemgo   eine Versammlung ,, liberaler" Männer statt, in der Genossin Zieh dem Referenten, Herrn Dr. Neumann- Hofer entgegentrat. Die Versammlung, deren Verlauf ein überaus interessanter war, fand ein vorzeitiges Ende, worüber wir noch anderer Stelle berichten.

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L. Z.

Im Bezirk Mühlhausen   i. Thür. hielt kürzlich Genossin Alt­mann Berlin auf Veranlassung des dortigen Agitationskomitees der Textilarbeiter mehrere Versammlungen ab. In Langen­ salza  , Schlotheim   und Mühlhausen   sprach sie über die Heiligkeit der Familie und die Industrie", in Dingelstädt  , der schwärzesten Ecke des Bezirkes, wo es zum erstenmale gelungen war, einen Saal für eine Versammlung zu erhalten, behandelte sie das Thema: Die Gesundheitsverhältnisse der Familie". Die Versammlungen waren sehr gut besucht, zum Teil überfüllt, Ropf an Kopf standen Zuhörer und Zuhörerinnen in den Lokalen

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und vor den Fenstern derselben. Die Referentin verstand es vor­züglich, die Versammelten zu fesseln und zu überzeugen. Man konnte beobachten, daß sich während ihrer Ausführungen manche ältere Frau die Tränen aus den Augen wischte. In Langensalza   wurden acht, in Schlotheim   achtzehn Neuaufnahmen für den Verband er­zielt. Überall wurde der Wille und die Begeisterung erweckt, für die Ziele der Organisation, für die Befreiung der Arbeiterklasse aus Not, Unfreiheit und Unbildung wirken zu wollen. Besonders erfreulich ist es, daß Genossin Altmann mit ihrem Vortrag in Dingelstädt   einen tiefen Eindruck erzielte. Hier wird die Bevölkerung nämlich noch derart von der Furcht vor den Geistlichen beherrscht, daß niemand im Orte gewagt hatte, die Versammlung einzuberufen, das Komitee mußte das selbst besorgen. Die meisten der zweihundert Personen, welche der Versammlung beiwohnten, trugen Gesangbücher in den Händen, weil sie direkt aus der Kirche kamen. Viele äußerten später ihr volles Einverständnis mit den gehörten trefflichen Gedankengängen. Die entfaltete Agitation hat viele Indifferente aufgerüttelt und an ihre Pflicht gemahnt, sie hat Begeisterung und Ausdauer der Organi­sierten und Kämpfenden gestärkt, kurz, sie hat die Sache des Prole­tariats in diesem Winkel Thüringens   sehr wirksam gefördert.

,, Was haben die Frauen von der heutigen Gesellschafts­und Staatsordnung zu erwarten?" lautete das Thema von drei Versammlungen, welche die Genossinnen Berlins   am 24. und 25. Februar abhielten. Die Versammlungen waren sehr gut besucht, namentlich erfreute uns die Anwesenheit zahlreicher Frauen. Sie ist ein Zeichen dafür, daß sich auch die Frauen in immer größerer Zahl für ihre Angelegenheiten interessieren. Und wichtig genug waren die Dinge, welche zur Verhandlung standen. Sollte doch nicht bloß den Frauen ihre Pflicht und ihr Interesse dem bevorstehenden Wahlkampf gegenüber flar gemacht werden, sondern auch Stellung genommen zu den reaktionären Bestimmungen in der Novelle zum Krankenversicherungsgeset, sowie zur Vorenthaltung des Wahlrechtes zu den Kaufmannsgerichten. Ferner wurde wieder einmal eine Generalabrechnung mit der Regierung und unseren anderen Gegnern vorgenommen, und wir können versichern, daß die Angeklagten nicht glimpflich angefaßt wurden, ist doch ihr Sünden­register so groß, daß es auch das zarteste Gemüt in flammende Em­pörung versetzt. Freudiger Beifall wurde den Rednern bei ihrem Hinweis auf die Pflichten der Frauen, bei den Reichstagswahlen mit­zuarbeiten im Dienste unserer Partei. Zum Schlusse wurde in allen Versammlungen nachstehende Resolution einstimmig angenommen. Die Versammlung erklärt sich mit den Ausführungen des Referenten einverstanden. Sie legt energische Verwahrung ein gegen die reaktionären Bestimmungen in der Novelle zum Kranken­versicherungsgeset, sowie in dem Entwurf zu den kauf­männischen Schiedsgerichten. Die Eingriffe in die Selbst­verwaltung der Kassenorgane weist sie mit Entschiedenheit zurück; die Vorenthaltung des Wahlrechtes der Frauen zu den kauf­männischen Schiedsgerichten hält sie nicht für vereinbar mit der sozialpolitischen Stellung der Frau im modernen Wirtschafts­leben. Die Versammelten verpflichten sich, bei den bevorstehenden Reichstagswahlen treu und fest zur sozialdemokratischen Partei zu halten, weil sie überzeugt sind, daß nur die Verwirklichung der Ideale des Sozialismus der Frau die ihr gebührende Stellung im öffent­lichen Leben ermöglicht." Die Referate lagen in den Händen unserer Abgeordneten Albrecht und Ledebour  , sowie der Genossin Klara Weyl  . Auch in der Umgegend von Berlin   nehmen die Ge­nossinnen an der eingeleiteten Wahlagitation durch regen Versamm­lungsbesuch und eigene Versammlungen teil. So sprach in Lichten­ berg   Genossin Ihrer in öffentlicher Frauenversammlung über Die Beteiligung der Frauen an dem bevorstehenden Reichs= tagswahlkampf". In Adlershof   hielt Genossin Gradnauer  einen Vortrag über das Thema:" Soll die Frau Sklavin sein und bleiben?" K. W.- Berlin  .

Frauen in Vertrauensposten der sozialdemokratischen Wahlvereine Hamburgs  . Bei der Neuwahl der Verwaltungs­körper der sozialdemokratischen Vereine Hamburgs   wurden zum erstenmal eine Anzahl Frauen mit zu den betreffenden Ämtern berufen. Für ein ausscheidendes Vorstandsmitglied im zweiten Kreise ward mit großer Majorität Genoffin Rost gewählt. Genossin Stein­bach trat an Stelle eines ausscheidenden Vorstandsmitglieds im dritten Kreise. Ferner wurden nach vorheriger Verständigung der Genossen und Genossinnen untereinander mehrere Frauen zu Bezirks­führern, respektive deren Stellvertretern gewählt. Damit werden in Zukunft unsere Genossinnen also auch an den Verwaltungsarbeiten der politischen Organisationen teilnehmen. Das Wahljahr wird ihnen ein gutes Schuljahr, und ihre Mitarbeit wird den Genossen besonders in diesem Jahre sehr willkommen sein. Bei den übrigen Arbeiten, wie Flugblattverbreitung, Agitation 2c., haben schon immer eine An­