Mit einigen Ausnahmen erfreuten sich die Versammlungen eines sehr guten Besuchs; verschiedene waren so überfüllt, daß Leute wieder umfehren mußten. Dem Wunsche der Komiteeleitung entsprechend behandelte die Referentin folgende Fragen: Die Frau in der Industrie" Das Ende des Meeraner Weberstreife" Der Zusammenschluß der sächsischen und thüringischen Kleiderstoff- Fabrikanten und was lernen die Arbeiter daraus?" Vor allem war es der Meeraner   Kampf, der die Textil­arbeiter und Arbeiterinnen interessierte und in großer Anzahl in die Versammlungen führte. In mehreren Orten waren besonders die Arbeiterinnen so zahlreich in denselben vertreten, wie nie zuvor. In Pausa   war es das erstemal, daß Arbeiterinnen eine Versamm­lung besuchten. Mit großem Interesse folgten sie den Ausführungen der Rednerin und außer 10 Arbeitern ließen sich die ersten 11 Ar­beiterinnen in den Verband aufnehmen und versprachen, treue Mit­glieder zu bleiben, aber auch dafür zu wirken, andere Kolleginnen für die gerechte Sache zu gewinnen. Wie notwendig der Zusammen­schluß aller männlichen wie weiblichen Arbeiter ist, kam in Elster­ berg   durch das Vorgehen des Fabrikanten Riek, der drei Arbeiter ge­maßregelt hatte, recht drastisch zum Ausdruck. Zum Zwecke einer gegenseitigen Aussprache war der Herr zu der Versammlung einge­laden worden und auch der Einladung gefolgt. Nachdem der Sach­verhalt der Entlassung klar gestellt worden, rechtfertigte Herr Riek sein Vorgehen damit, daß er mit erhobener Stimme erklärte, er sei Fabrikant und nehme für sich das Recht in Anspruch, zu entlassen, wen er wolle, er werde sich von niemand Vorschriften machen lassen. Als hierauf einem anderen Redner das Wort erteilt wurde, benützte der tapfere Herr Riek den Augenblick und ergriff leise aber schnell das Hasenpanier; seinem Beispiel folgte der gesamte General­stab, den er zu seinem Schutze mitgebracht hatte. Das Verhalten dieses humanen" Arbeitgebers hat dazu beigetragen, daß dem Ver­bande eine Anzahl neuer Mitglieder beitraten. Von seiten des Über wachenden wurde in die Verhandlungen störend eingegriffen. Er gab nicht zu, daß noch andere Fabrikanten namhaft gemacht wurden, die es dem Herrn Riek gleich tun. Überhaupt hatte es den Anschein, daß dem Beamten die Diskussion zu lange dauerte, denn sonst hätte er sicherlich nicht Redner unterbrochen, die vollständig zur Sache sprachen. Eine große Fürsorge für die Gesundheit der Versamm­lungsbesucher zeigte die vorgesetzte Behörde von Öderan  . Tort hatten die Arbeiter bis dato kein Lokal zur Verfügung, um größere Versammlungen abhalten zu können. Diesem Übel abzuhelfen mieteten sie eine Turnhalle, die Privatbesitz war. Nun gingen die Echerereien los Zuerst wurde der Fußboden beanstandet, weil er nicht gedielt Dem Mangel wurde abgeholfen durch Schütten von seinen Schlacken. Dann hieß es weitere Vorschriften berücksichtigen. Als allen Anforderungen Rechnung getragen war und kein Anschein eines Grundes mehr vorlag, die Versammlung nicht zu genehmigen, sandte die Behörde einen Arzt, der untersuchen sollte, ob die Wände ge­sundheitsschädlich seien. Er fand die Genossen an der Arbeit, Decke und Wände zu weißen. Da noch für gute Beleuchtung gesorgt war, konnte Abends die Versammlung ohne Zwischenfall abgehalten werden. Sie war ungefähr von 400 bis 500 Personen besucht, darunter eine große Anzahl Frauen. Die Versammlung in Rußdorf zeitigte für die Arbeiterinnen von Ober- Frohna, die gesetzwidrige Sonn­tagsarbeit leisten mußten, eine erfreuliche Folge. Wir berichten darüber an anderer Stelle. Zu den Versammlungsbesuchern in Großenhain   gehörte auch ein Herr Steinberg, der Teilhaber. einer Fabrik, welche die schlechtesten Löhne zahlt und das miserabelste Material zum Verarbeiten gibt, so daß Differenzen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern an der Tagesordnung sind. Nachdem das Gebahren der Firma ins richtige Licht gerückt worden war, nahm auch Herr Steinberg das Wort. Er betonte, daß er nicht gekommen sei, um die Firma zu verteidigen, sondern einzig, weil er sich sehr für soziale Fragen interessiere. Durch mehrere Redner in die Enge getrieben, mußte der gute Mann sein wahres Gesicht enthüllen, es war nicht dasjenige eines verständigen Arbeiterfreundes, Herr Steinberg versocht als sozial", daß die Arbeiter erst dafür sorgen sollten, daß die Fabrikanten vorwärts kämen, dann würden diese auch für die Ar­beiter ein Ohr haben! Die Organisation bringe die Arbeitgeber noch soweit, daß sie sich amerikanische Stühle anschaffen würden und dann überhaupt keine Arbeiter mehr brauchten! O, süße Einfalt! Als ob die Unternehmer mit dem Anschaffen verbesserter Maschinen warten, bis sie von der Organisation dazu getrieben werden. Jeden­falls scheinen die Herren Steinberg entschlossen, aus der Arbeit ihrer " Hände" genügend hohen Profit herauszuprefsen, um ohne Schmäle­rung des eigenen kapitalistischen   Entbehrungslohnes" amerikanische Webstühle anschaffen zu können. Dabei ist ihnen die Organisation höchst unbequem und hinderlich, denn sie strebt darnach, bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Erfreulich ist es, daß immer

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mehr Arbeiter und Arbeiterinnen zu der Erkenntnis kommen, wie notwendig die Organisation ist. Die Agitation in Sachsen   hat dem Deutschen   Textilarbeiter und Arbeiterinnenverband eine stattliche Anzahl neuer Mitglieder zugeführt. M. G.

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Mitte April fanden im 20. und 21. sächsischen Wahlkreise je zwei Versammlungen statt. Genossin Kähler aus Dresden  sprach in denselben über: Arbeiterschaft und Reichstagswahl". In Schwarzenberg   war eine sehr gute Beteiligung zu verzeichnen; sehr viele Frauen wohnten der Versammlung bei und versprachen, für die Bestrebungen der Sozialdemokratie einzutreten. Die Frau eines Genossen erflärte sich bereit, die Gleichheit" unter den Frauen zu verbreiten. Bei lachendem Sonnenschein war die Referentin in Schwarzenberg   angelangt, bei schrecklichem Schneetreiben und starker Kälte verließ sie den Ort, um sich nach Königswalde   zu begeben. Agitationstouren sind ja bekanntlich in den Wintermonaten äußerst be­schwerlich, im Gebirge aber, bei einem Wetter wie es am 19. April im Erzgebirge   herrschte, werden sie geradezu lebensgefährlich. Die Wal­purgisnacht im" Faust" kann sich an Schrecken nicht mit dem entsetz­lichen Unwetter messen, welches in der Gegend von Annaberg   tobte. Die Gleichheit" hat bereits in voriger Nummer berichtet, mit welchen Hindernissen der Weg nach Königswalde   für Genossin Kähler verbunden war. Eine großartig besuchte Versammlung lohnte daselbst für die aus­gestandenen Strapazen. Männer und Frauen lauschten mit gespannter Aufmerksamkeit dem Referat, häufige Zustimmungen und Äußerungen bewiesen, daß den Leuten zu Herzen gesprochen wurde. Die nächste Versammlung fand in Olbernhau   statt. Dem ,, Amtsanzeiger" des Ortes war von der Amtshauptmannschaft Marienberg die Aufnahme einer Versammlungsannonce verboten worden. Trotzdem war das Lotal fast überfüllt. Männer und Frauen nahmen an der Versamm­lung teil und gelobten, mit aller Kraft für die Wiederwahl des Genossen Rosenow   einzutreten. Die letzte Versammlung tagte in Ehren­ friedersdorf  . Hier war dem Einberufer im letzten Augenblick das Lokal entzogen worden. Es gelang jedoch, einen Wirt zu veran­lassen, ein Lokal für eine Gewertschaftsversammlung zur Verfügung zu stellen Die Referentin befleißigte sich, auch in dieser Gewerk schaftsversammlung" den erschienenen Frauen und Männern zu sagen was notwendigerweise gesagt werden mußte. In feiner der vier Versammlungen besaßen die Gegner den Mut, ihre Meinung öffent­lich zu vertreten, obgleich sie wiederholt dazu aufgefordert wurden. Taß der Grimm der Elemente die sozialdemokratische Agitation nicht zu hindern vermochte, möge ein gutes Omen dafür sein, daß auch die schlimmste grünweiße Reaktion den Sieg der Sozialdemokratie am 16. Juni nicht zu vereiteln vermag.

Daß die Teilnahme der Frauen an der Maifeier mit jedem Jahre wächst, zeigte sich auch in diesem Jahre. Kein Zweifel, der Mai­gedanke, der Gedanke der Befreiung der Arbeit, schlägt auch in den Frauenherzen Wurzel. In Offenbach   a. M. lauschten vormittags gegen 1500 Männer und Frauen geradezu in seierlicher Andacht dem Vortrag über die Bedeutung der Maifeier. Aus manchem trotzig blickenden Männer- und Frauenauge stahlen sich Tränen. Ein wahrer Beifallssturm durchtøbte den Saalbau, als die Referentin Genossin Kähler- Dresden ihre Ausführungen beendete. Nachmit­tags durchschritten die Maidemonstranten in wohlgeordnetem Zuge die Straßen Offenbachs. Der Verband der ungelernten Arbeiter hatte eine hübsche Frauen und Kindergruppe gestellt. Musikkapellen, rote Fahnen, Wappen mit Inschriften, sowie eine Tafel, die auf leuchtendem, roten Grunde die Worte zeigte: Auf zur Reichstags­wahl! und die dem Zuge vorangetragen wurde, gaben der Demon­stration etwas ungemein Erhebendes und Feierliches. Abends fand die Maifeier in Neu- Isenburg   statt. Hier nahmen etwa 600 Per­sonen, darunter sehr viele Frauen, an ihr teil. Die Festrede hielt Genossin Kähler, die auch am 2. Mai bei der Maifeier in Langen referierte. In einem hübsch dekorierten Saale waren hier etwa 300 Personen versammelt. Nicht endenwollender Beifall, sowie ein wundervolles Bouquet aus Rosen und Nelken bezeugten, daß die Versammelten den gehörten Ausführungen von Herzen beipflichteten. Möge der Geist, der am Maientag die Herzen beseelte und aus den begeistert gesungenen und aufgenommenen Freiheitsliedern ertönte, möge dieser Geist zur Anspannung aller Kräfte im Wahlkampfe führen, so daß der 16. Juni ein glorreicher Siegestag wird. W. K.

Magdeburg  . Endlich, nach jahrelanger Pause und vielen Be­mühungen ist es gelungen, auch in die Indifferenz der Magdeburge­rinnen Bresche zu schlagen. Wie den älteren Leserinnen der Gleich­heit" noch bekannt sein dürfte, bestand bereits früher am Orte eine stramme Frauenorganisation, die aber der famosen Polizeiwirtschaft zum Opfer fiel. Und das war sehr bedauerlich. Die Magdeburger  Industrie steht bezüglich der Frauenarbeit zwar nicht gerade mit an erster Stelle, aber immerhin sind Hunderte und Aberhunderte von Proletarierinnen in der Schuhfabrikation, in den Zuckerfabriken,