Die sozialistische Mailänder   Lehrerin Linda Malnati, welcher man nicht einmal politische Aktion beweiskräftig zur Last legen konnte, wurde trotz ihres dreiundzwanzigeinhalbjährigen Dienstalters mit Ent­lassung aus dem Amte bestraft". Alle proletarischen Schöpfungen, Vereine wie Arbeitskammern, verfielen der Auflösung, ihre Leiter übervölkerten in des Wortes wahrhaftester Bedeutung die Staats­gefängnisse. Alles, was auch nur von weitem als verdächtig erschien, wurde als umstürzlerisch verfolgt.

Bei dieser Gelegenheit muß noch eines weiblichen Vereins ge­dacht werden, der, ohne ausgesprochen sozialistischen Tendenzen zu huldigen, dennoch durch die Macht der Tatsache, daß der Sozialis­mus die Führung auf allen Gebieten menschlichen Fortschritts in Italien   allein übernommen hatte, immer engere Fühlung mit der Partei gewonnen hatte und nun der Reaktion des Jahres 1898 mit zum Opfer fiel. Es war das die Federazione delle Leghe per la Tutela degli Interessi Femminili( Bund der Vereine zum Schutze weiblicher Interessen) in Mailand  .

Schon im Jahre 1881 durch die Verbindung mehrerer Gruppen gebildet, hatte er unter dem Namen der Lega Promotrice degli Inter­essi Femminili troß seines ursprünglich rein bürgerlichen Charakters von Beginn an mit starken Widerwärtigkeiten zu kämpfen. Seine Feinde die edle Dreieinheit von Spott, Frömmelei und Gleich­gültigkeit brachten ihn schon bald wieder zur Strecke. Er löste sich auf.*

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Im Jahre 1894 aber man bemerke, also im Hauptjahr der sozialistischen   Propaganda tat der Verein sich wieder auf und wuchs sichtlich schnell an Ausdehnung und innerer Stärke.

Inwieweit er nach und nach immerhin schon verhältnismäßig proletarisiert war und mit wie vielen Dingen er sich ernsthaft be­schäftigte, zeigt uns ein Blick in sein Programm, welches aus dem Bericht seiner Sekretärin, der Professoressa Paolina Schiff, an den internationalen Kongreß für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin   1896** ersichtlich ist.

1. Arbeit an den Jugendhorten. Mitwirkung an der Anstalt: Scuola e Famiglia.

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2. Erziehung und Weiterbildung unbegüterter schulentlassener Mädchen durch die Scuola Professionale Educativa Preparatoria ( gewerbliche Vorbereitungsschule). Die Schule beabsichtigte, die( in Italien   bereits mit zehn Jahren) aus der Schule entlassenen Mädchen auf ihren späteren Beruf durch Erlernung eines Handwerkes vor­zubereiten.

3. Haltung von Vorträgen über Gesundheitspflege, sowie deren Herausgabe in Broschürenform und Propagierung durch das offene

Land.

* Ersilia Majno  - Bronzini  : Die Geschichte der Frauenbewegung in Italien  " im Handbuch der Frauenbewegung", 1. Teil. Berlin   1901. S. 421. ** Kongreß 2c., loco cit., Seite 45.

Ein Windstoß fuhr durch das Gebüsch neben mir. Aus seinen Wehen   schallte es: Alles Glück entsteht durch Kampf und Mühe. Der Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit fordert seine Opfer, hat seine Gesetze! Aber ohne diesen opfermütigen Rampf wird das Pro­letariat nicht erlöst, befreit und glücklich. Nah ist der Sieg nicht müde werden! Der Frühling der Erlösung fommt! Darum kämpft, kämpft!"

nur

Ich sprang auf und ging hin, um zu kämpfen, um kämpfen zu helfen, damit jenes unbeschreiblich schöne Glück, das ich geschaut, bald allen Menschen werde!

Still war es in der Natur nun, ganz still.... Mir war so eigen in der Seele, es glühte etwas in mir die heiße Sehn­sucht nach Glück, nach Freiheit und Sonnenschein für alle, und heiße, unbezwingbare Kampfeslust.

..

Hak und Liebe.

Nicht der Liebe sollst du dich versagen Aber auch dem Hasse nicht! Soll der Liebe Licht dir tagen, Mußt du auch zu hassen wagen, Das ist Ehre, das ist Pflicht. Willst du Göttlichem und Reinem Ganz und innigft angehören, Mußt du Niederm und Gemeinem Haß aus voller Seele schwören!

4. Gründung von Gegenseitigkeitsversicherungsanstalten für die Mutterschaft( Casse di Assicurazione mutua per la Maternità).

5. Organisation von Berufsgenossenschaften, speziell für Tele­graphiſtinnen und Lehrerinnen.

6. Agitation auf dem Gebiet der Lohnfrage. Durchsetzung der gleichen Bezahlung weiblicher und männlicher Arbeit.

7. Agitation zwecks offizieller Anerkennung der gleichen Rechts­stellung der Frau im bürgerlichen Gesetzbuch wie im Handels- und Gemeinderecht.

8. Anschluß an die Friedensbewegung.

9. Vorschlag der Bildung eines ohne jegliche Rücksicht auf Partei­unterschiede zu bildenden Komitees aller frauenfreundlichen Parla­mentsabgeordneten.

Dieser Verein, dem es bereits gelungen war, in Turin  , Florenz  und Rom   Nebengruppen zu gründen, fiel also der Reaktion zum Opfer, trotzdem er sich davon fern gehalten hatte, offen ein bestimmtes Parteiprogramm zu bekennen Es schien eine Zeitlang, als ob es ein für allemal mit Arbeiter- und Frauenbewegung in Italien   zu­gleich aus sei.

Während in Turin   die sehr gemäßigte Lehrerin Emilia Mariani  gemaßregelt wurde, erscholl aus Ferrara   die Botschaft, daß die Reis­mädchen von Molinella mit Waffengewalt an einem etwaigen Arbeitsausstand verhindert werden sollten: Nächsten Montag be­ginnt die Ernte und der General Mirri hat deshalb zweckdienlicher­weise angeordnet, daß nach den einzelnen Ortschaften Truppen zu verteilen seien, damit die Ernte ihren geordneten Verlauf nimmt. Die Kavallerie wird in unvorhergesehenen Streifzügen und nächtlichen Märschen alle Lotalitäten besuchen."**

Die königliche Kavallerie konnte wohl reiten, um der letzten proletarischen Freiheit den Garaus zu machen, schneller aber noch als sie ritt der sozialistische Gedanke, trotz aller Hemmnisse, durchs Land, denn sein Gaul hieß: menschlicher Fortschritt. Wie schnell er aber ritt, das sollen die nächsten Kapitel zeigen.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Um die Proletarierinnen aufzuklären, sie politisch wie gewerkschaftlich zu organisieren, hielt Genossin Wack­wih- Dresden in letzter Zeit mehrere Versammlungen ab. In Leutewih sprach sie in einer Mitgliederversammlung der Partei­organisation über Die Frauenbewegung". In öffentlichen Versammlungen der Fabritarbeiter zu Oschatz   und Deuben   bei Dresden   lautete die von ihr behandelte Tagesordnung: Der wirt­** Professor Vilfredo Pareto  : La grande Battaglia del Lavoro", Rom   1898, S. 8.

Nicht zum Frieden, glaub mir, ist geschaffen Diese vielgespalt'ne Welt!

Ihrem Druck dich zu entraffen

Führe tapfer deine Waffen;

Willst du Mensch sein, sei auch Held! Uur aus Schlachten, nur aus Kämpfen Leuchten deines Glückes Sterne; Nicht die Liebe sollst du dämpfen, Aber auch zu hassen lerne.

Seine Blige hat der Maienregen Und die Rose ihren Dorn; Spende denn auf allen Wegen, Spende du mir deinen Segen, Frommes Hassen, heil'ger Born. Schmach und Hohn der glatten Miene, Die beim Unrecht bleibt gelassen, Da ich recht der Liebe diene, Will ich zürnen, will ich hassen!

Robert Pruk.