Nr. 4

19. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft viertelfährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

Jabres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart  

23. November 1908

Sie Schauspiel, hie Kampf! Der Arbeiterinnenschutz in der Kommission des Reichstags. I. Von g. h. Die Landtagswahlen in Niederösterreich  . Die Landtagswahlen in Niederösterreich  . Von Adelheid Popp  . Die Aussperrung in der Baumwollindustrie in Lancashire  . Von H. Jäckel.-Bon der sozialistischen   Jugendbewegung Zur Lage der weiblichen und jugend­

in der Schweiz  . Von-h.-h.

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Herenglauben und Heren­

lichen Arbeitskräfte in Baden. Von Th. H. prozesse. Eine fulturhistorische Stizze von Anna Blos.  ( Forts.)

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Von den Organisationen.

Aus der Bewegung: Von der Agitation. Sechste Konferenz für den Agitationsbezirk Frankfurt   a. M.

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Gewerkschaftliche Rundschau.

Rundschau. Von H. B. schaftliche Rundschau. Von H. Fl. Notizenteil: Dienstbotenfrage. Frauenstimmrecht.

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Politische Genossen­

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Die Frau in öffentlichen Amtern.

Hie Schauspiel, hie Kampf!

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Was die politische Situation der letzten Wochen begonnen hat, haben die Verhandlungen im Reichstag vollendet: eine Beleuchtung der schmachvollen politischen Zustände, welche das deutsche   Volk mit seiner traditionellen Schafsgeduld erträgt, wie sie unbarmherziger nicht gedacht werden kann. Die Ver­öffentlichung des Daily Telegraph  " hatte auch den stumpf finnigsten Philisterfreisen das eigenmächtige, persönliche Regis ment des Kaisers scharf zum Bewußtsein gebracht. Das Drum und Dran der Veröffentlichung hatte schleierlos das natürliche Gegenstück dieses Regiments gezeigt: die unfähige, kraft- und würdelose Amtsführung des obersten Reichsbeamten, der, wo er verantwortlicher Minister und charakterfester Mann sein sollte, nur höfischer Lakai zu sein vermag. Es hatte in der gewissenlos täppischen Aufwirbelung der friegsschwangeren Casablancaaffäre die furchtbaren Gefahren erkennen lassen, welche die unvermeid lichen Begleiter der persönlichen Regiererei sind. Hofberichte hatten das Siegel unter die Bekundung der Tatsache gedrückt, daß im Deutschen   Reiche der Absolutismus   die verfassungsgemäß bestehende Volksvertretung bei der Mitwirkung an den wich­tigsten Regierungsgeschäften nichtachtend beiseite schiebt. Wäh­rend eine tiefe Erregung ihre Wellen sogar bis in die Schichten des deutschen   Volfes hineinwarf, die gewöhnlich in beschränktem Klasseninteresse auf des Deutschen Reiches Herrlichkeit schwören und in noch beschränkterem Untertanenverstand sich in byzan­tinischer Schweifwedelei vor dem Throne überbieten: ließen sich ihre Meldungen unter dem Titel des Viktor Hugoschen Stücks zusammenfassen: Le roi s'amuse!"( Der König amüsiert sich). Wieviel Stück Wild Seine Majestät aus den ihr zugetriebenen Rudeln in Eckartsau  , in Donaueschingen   und sonstwo als un­übertrefflicher Schüße allergnädigst zu erlegen geruht hatte, welchen Brettlsängern sie abends in ihrem unvergleichlichen Kunstverständnis das Ohr geliehen, das waren die bedeutsamen Beitereignisse, welche die Hofberichte dem braven Michel fün­deten. Wem fielen dabei nicht jene geschichtlich bekannten Auf­zeichnungen ein, die der Selbstherrscher von Gottes Gnaden Ludwig XVI.   über die Zahl der erlegten Hirsche in sein Tage­buch eintrug, während in Paris   bereits die Stürme der Revo­lution erbrauften, welche den Absolutismus zerschmetterten. Aber

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin  ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

freilich: was sich in Frankreich   vor mehr als hundert Jahren auf dem Hintergrund eines der größten und schöpferischsten welt­geschichtlichen Ereignisse abgespielt hat, das ist heute in Deutsch­ land   nur eine Episode in einer erbärmlichen Posse. Dem deutschen   Absolutismus des 20. Jahrhunderts steht keine Bour­geoisie gegenüber, die von der Illusion beseelt, mit ihrer eigenen politischen Befreiung der ganzen Nation, ja der gesamten Menschheit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu bringen, in heroischem revolutionärem Ringen das Selbstherrschertum zu Boden wirft. Er hat es nicht einmal mit bürgerlichen Klaffen zu tun, deren politische Vertretung entschlossen wäre, im parla­mentarischen Kampfe unter den denkbar günstigsten Umständen die in ihren Händen ruhende Macht zur Niederzwingung des selbstherrlichen Regiments auszunuzen. Die modernisierte deutsche Spielart des Absolutismus kann sich über das mißtönige Pfeifen und Sausen im Blätterwald der bürgerlichen Presse mit den bitteren Versen Heines trösten:

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Des Deutschen Reiches Kinderstube Jst teine römische Mördergrube."

Soweit es auf die bürgerlichen Parteien ankommt, ist seine luftige Fortexistenz nicht bedroht. Der pompös angekündigte große Gerichtstag" über das persönliche Regiment ist im Reichstag   ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Die bürgerliche Mehrheit hat nicht den Mut zur Tat befundet, um den Absolutismus durch den Parlamentarismus zu überwinden. Wessen sich das Volk von den bürgerlichen Parteien zu ges wärtigen hatte, das war durch einen bezeichnenden Vorgang furz vor den Interpellationen im Reichstag angedeutet worden, zu der Zeit, als die bürgerliche Presse noch mit wortreicher Leidenschaft und heldenhafter Gebärde die Rolle eines welt­geschichtlichen Tribunals mimte, das über das selbstherrliche Regiment sein Schuldig sprach. Platt fiel die Anregung zu Boden, aus den politischen Parteien eine Deputation an den Kaiser zu entsenden, welche diesen von der Stimmung und dem Willen der ungeheuren Mehrzahl der Nation unterrichten sollte. Wir sind die legten, die von derartigen Wallfahrten vor Fürstenthrone etwas erwarten. Allein so belanglos es ist, daß die bürgerlichen Parteien der Anregung nicht näher getreten sind, so bedeutsam ist die Motivierung, warum nicht einmal der entschiedene Liberalismus" sie aufgegriffen hat. Weil die impulsive Eigenart des Kaisers Anlaß zu Besorgnissen gebe, verlautete es. Was besagt das im Grunde anders als das Eingeständnis, daß es den bürgerlichen Helden, daß es den hinter ihnen stehenden Parteien an der Überzeugungstreue, dem Mut und vor allem an dem entschlossenen Willen mangelt, in einem kritischen Augenblick auch einen impulsiven" Fürsten  gebührend in die Schranten zurückzuweisen?

Die Ursache davon ist mit Händen zu greifen. Die aus­beutenden und herrschenden Klassen, deren Vertreter die bürger­lichen Parteien sind, ziehen ein selbstherrliches Regiment, auch wenn es ihnen selbst Demütigungen, ja Schädigungen schafft und das Volk mit Verderben bedroht, mit Schmach überhäuft, doch noch bei weitem der Demokratie vor, welche die Macht des kämpfenden Proletariats stärken müßte. Das bejammerte