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Die Gleichheit
Aristophanes die Mißhandlung der Väter durch die Söhne, die häufig genug gewesen zu sein scheine, mit dem Beispiel des Zeus gerechtfertigt werde, der seinen eigenen Vater in Bande getan habe. Welcker erkennt also nicht, daß der Mythus , in dem Zeus den Vater in Bande tut, auf der einen Seite und das Betragen der Kinder gegen die Eltern, die Änderung im religiösen Denken und in der Philosophie auf der anderen Seite nicht im Kausalzusammenhang zueinander stehen, sondern die Folgen ein und derselben Ursache sind. Diese Ursache ist aber in jenen großen Umwälzungen im wirtschaftlichen Leben zu suchen, die im Laufe dieses Aussages dargestellt wurden, und die auch die Religionen und Mythen beeinflußten, als die damaligen Formen der Jdeologie. Das, was Welder ausführt, läßt uns das eine Mal die Folgen veränderter Lebensverhältnisse in aller Wirklichkeit sehen, das andere Mal den ideellen Ausdruck dieser Veränderungen im Kopfe der Menschen.
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Welcker aber fommt am Ende seiner Abhandlung zu einer rein ideologischen Erklärung des Prometheus , deren Schluß ich zitieren will: Dem Zeus ist nun( nach dem Sturze des Uranos, der Verf.) zu huldigen als der höchsten Weisheit, der den Menschen durch Leiden Lehren zuteil werden ließ.... Das Leiden scheint auf Prometheus hinzudeuten... Unter Zeus , dem Nachfolger des Uranos und Kronos , muß die höchste Idee verstanden werden."
In unserer Betrachtung wurde versucht, ohne eine solche ideologische Erklärung zum Verständnis des Mythus zu kommen. Zu diesem Zwecke legten wir seine Gestaltung durch die natür lichen und sozialen Erscheinungen klar, die das Leben der Alten als Mächte beherrschten, die ihnen mehr oder weniger dunkel blieben, und mit deren Wesen sie sich in ihren Götter gestalten und Mythen auseinandersetzten. Auf diese Weise er geben sich für uns ganz von selbst auch die Ursachen für den Bedeutungswandel der Prometheussage. Wir haben verfolgt, wie die Wandlung des Prometheus von dem als Feuererzeuger verehrten Gotte zum Revolutionär möglich wurde unter den Einwirkungen des Auflösungsprozesses des urwüchsigen Kommunismus. Wir sahen, wie unter dem Eindruck der diesen Auflösungsprozeß begleitenden Kämpfe und Widersprüche, der Unterdrückung entrechteter Klassen, durch eine zum erstenmal sich bildende herrschende Klasse aus dem Feuerbringer der Feuerräuber wurde; wie in der Prometheusgestalt immer mehr der revolutionäre Drang und Trotz der Unterdrückten sich verförperte; wie schließlich dieser Trotz gebrochen ward und die Versöhnung zwischen Revolutionär und Gewalthaber durch die Erlösung des Prometheus ihren Ausdruck fand.
IV.
Prometheus als Gott und Beschützer der Kunst und als Menschenbildner.
Ich habe schon angedeutet, daß Prometheus nicht nur als Feuererzeuger, sondern später auch als Gott und Beschützer der Künste und endlich als Menschenbildner verehrt wurde.
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Die Anfänge einer Kunstfertigkeit, einer bildenden Künstles rischen Betätigung stehen wie weiter oben gezeigt wurde- im engsten Zusammenhang damit, daß der Mensch das Feuer in seine Hand bekam und sich nußbar machte. Erst mit der Anwendung des Feuers sind die Töpfer- und Schmiedekunst entstanden, die für die Entwicklung der Bildhauerei usw. so bedeutsam werden sollten. In dem Maße, wie der Mensch die Natur sich nutzbar zu machen lernt, wie ihm durch Erfindung befferer Werkzeuge, durch Vervollkommnung der Arbeitsmittel die Arbeit, die Bewältigung des Materials immer leichter wird, wächst seine Lust und seine Fähigkeit, schöne Formen zu gestalten. Er wird nun darauf sehen, daß seine Gebrauchsgegenstände, seine Gefäße, Waffen und Werkzeuge eine gefällige Form erhalten, und er versucht, sie zu verzieren. Er schmückt seinen Hausrat, seine Waffen und seine Häuser selbst mit Ornamenten und Bildern, der Natur und seinem eigenen Leben entlehnt.
Diese schmückende Tätigkeit ist noch Hauskunft, solange jede Wirtschaftsgemeinschaft ihrem Bedürfnis danach selbst genügt. Mit der fortschreitenden Arbeitsteilung, der aufkommenden
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Warenproduktion wird diese primitive Kunst von den Handwerfern übernommen. Noch weitergehende Arbeitsteilung, mit der sich die Fähigkeiten der Menschen immer mehr spezialisieren, führt dazu, daß sich von den Handwerkern die Künstler absondern.
Der Mensch beginnt nun auf seinen Gefäßen wie sich selbst, so auch seine Götter darzustellen, menschenähnlich, da er sie sich menschlich vorstellt, sie nach seinem Bilde geschaffen hat. Er formt Götterbilder aus Ton und verehrt in ihnen seine Götter. Für diese Götter oder Götterbilder errichtet er später Bauwerke, Tempel, in denen er sie aufstellen und ihre Feste feiern, ihnen opfern fann. Bei dem Bau dieser Götterwohnungen sieht er viel mehr auf Größe und Schönheit als bei dem Bau seiner eigenen Wohnstätte, und an diesen Bauten entwickelt sich die Kunst in besonders reichen Formen. Die Menschen mußten ihre Gaben und Erscheinungen immer mehr als etwas Großes und Schönes empfinden, als etwas, was ihr Leben bereicherte.
Da lag es in der Entwicklung der Dinge selbst, daß sie dem Gotte, der erst nur als Feuererzeuger und als Gott der Schmiede- und Töpferkunst verehrt wurde, dann auch als dem Gotte und Beschützer der Kunst überhaupt huldigten.
Schon bei Aeschylos rühmt sich Prometheus, der Beschützer und Spender der Künste zu sein; in späteren Sagen wird dies Moment noch besonders betont, um schließlich ganz in den Vordergrund zu treten. Es war dies in jener Periode der griechischen Geschichte der Fall, in der die Kunst eine große Rolle im Leben des Volkes spielt, während die Sage des feuerbringenden revolutionären Prometheus in seinem Bewußtsein immer mehr verblaßt.
Aus der Verehrung des Prometheus als Gott der Kunst geht auch die Gage hervor, die ihn als Bildner und Schöpfer der Menschen schildert. Als solchen sehen wir ihn in späteren Zeiten besonders auf römischen Kunstwerken abgebildet.
Die Auffassung des Prometheus als Menschenbildner konnte aber erst dann aufkommen, als mit der Ablösung der fommunistischen Gentilverfassung durch den antifen Staat die ursprüngliche Verehrung der Muttergottheiten Demeter , Themis , Gäa als Gestalterinnen allen Lebens und der Menschen in die Verehrung der Vatergottheiten Zeus , Apollo überging. Die vaterrechtliche Verfassung stellt den Mann über das Weib. Der Vater, nicht mehr die Mutter nimmt im Klassenstaat die erste Stelle ein; die Rolle der Frau wird untergeordnet, und so wird auch der Vater als der Erzeuger des Lebens verehrt. Während auf den ältesten Bildwerken, die die Schaffung des Lebens und der Menschen ausdrücken, immer das weibliche Prinzip in den Vordergrund tritt, wird erst in der späten griechischen Zeit, vor allem aber in römischen Kunstwerken der Mann als Menschenschöpfer gebildet.
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Als die Römer in die Geschichte eintraten, ruhte ihre Ge sellschaft auf dem Prinzip des Vaterrechts, das, wie Bachofen sagt, außer den Gallograeci Asiens fein anderes Volk in gleich entschiedener Weise durchgebildet und festgehalten hat". Das erklärt uns, warum die Römer dem Prometheus vor allem als Menschenbildner huldigten. Auf einem römischen Sarkophage sehen wir, wie Prometheus einen Menschen aus Ton knetet; neben ihm steht eine vollendete Tongestalt, die von Athene lebendig gemacht wird, indem sie die Psyche zu ihr herabsendet. Rechts und links ist der Kreislauf des Lebens dargestellt, die verschiedenen Lebensalter, von der Geburt bis zum Tode, und zwar in ihren Beziehungen zu bestimmten Gottheiten. Auf anderen Bildwerken wird der von Prometheus geformte Mensch nicht von Athene beseelt, sondern der Feuererzeuger und Menschenbildner selbst haucht ihm mit der Flamme die Seele ein.
Diese Auffassung kommt besonders schön zum Ausdruck in einem Kunstwerke der Antikengalerie des Fürsten Torlonia in Rom . Es ist zweifelhaft, ob es ein spätgriechisches oder römisches Werk ist. Auf einem Sockel steht eine sieben Fuß hohe,
der Alten.