Nr. 25
Die Gleichheit
Bewegung berührt rund 33000 Mitglieder. Kommt es zu keiner Einigung, so steht ein großer Kampf in Aussicht.
In der Tabakindustrie machen sich die Folgen der neuen Steuer immer stärker bemerkbar. In allen Gegenden Deutschlands find Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen worden, oder es wird mit verkürzter Arbeitszeit geschafft. Die Bestimmungen, die die Polizeipräsidenten betreffs des Antrags auf Unterstützung aus dem Biermillionenfonds des Reichs erlassen haben, find so engherzig und bureaukratisch, daß es den ausgepowerten und aufs Pflaster geworfenen Tabalarbeitern aufs äußerste erschwert wird, an den Reichssäckel heranzukommen. Aus Westfalen wird gemeldet, daß die arbeitslosen Tabafarbeiter in ihrer Not als Landarbeiter Beschäftigung suchen, natürlich ohne Erfolg. So wirkt die Herrlich feit der neuen Steuergefeßgebung! Jhr Fazit heißt: Füllung der Taschen der Reichen und Steigerung der Not und Sorge für die Armen!
Die Brauindustrie hat anscheinend nicht so start unter der " Finanzreform" zu leiden. Hier haben die Arbeiter- und Unternehmerverbände Verträge geschlossen, die einen Ausgleich schaffen und plögliche große Arbeiterentlassungen verhüten sollen.
Notizenteil.
Dienstbotenfrage.
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Werben Dienstmädchen gute proletarische Hausmütter? Zu dieser Frage, die in Nr. 23 der„ Gleichheit" von E. U. bes handelt wurde, möchte ich einiges aus den Erfahrungen mitteilen, die ich in den vielen Jahren gesammelt habe, seit ich in der Leis tung des Vereins sozialdemokratischer Frauen in Wien tätig bin. Die Mitglieder dieses Vereins sind vorwiegend verheiratete Frauen, beren Hauptbeschäftigung die Hauswirtschaft bildet. Ein großer Teil der Funktionärinnen in allen sechs Ortsgruppen besteht aus ehemaligen Dienstmädchen. Ich habe zahllose Diskussionen an Vereinsabenden und Privatgespräche über hauswirtschaftliche Dinge, Erziehungsfragen und Organisationsangelegenheiten mit einzelnen dieser Genossinnen gehabt, und so konnte ich mir eine Meinung darüber bilden, nicht nur, wie sich die ehemaligen Dienstmädchen zu Hausmüttern, sondern auch wie sie sich zu tätigen Parteigenofsinnen qualifizieren. Auch ich bin nicht imstande, die Meinung zu teilen, gegen die E. U. polemisiert. Ich habe den bes sprochenen Artikel nicht gelesen und kann mich also nur an die einzelnen Stellen daraus halten, die in der„ Gleichheit" wiedergegeben sind. Manche der darin behaupteten Tatsachen scheinen mir der Wirklichkeit vollkommen zu entsprechen, aber die Folgerungen, die der Autor des Artikels daraus abgeleitet hat, halte ich nicht für richtig.
Gewiß hat das Dienstmädchen im Bourgeoishaushalt nicht Ge legenheit, sich in der peinlichen Sparsamkeit zu üben, welche die traurige Pflicht der Proletarierfrau ist. In der Regel aber hat das Mädchen, ehe es daran geht, einen Dienstplatz zu suchen, schon im elterlichen Haushalt alles erlernt, was es dort überhaupt zu erlernen gibt. Welche Mutter würde nicht das Kind, das sie hinausschicken muß unter fremde, rücksichtslose Menschen, wenigstens so weit mit Kenntnissen für seinen Beruf ausstatten, als es in ihren schwachen Kräften steht? Auf dem Dienstplatz aber lernt das junge Mädchen alles, was zu Hause mit dem allergeringsten Aufwand an Geld und Zeit geschehen mußte, besser und gründlicher zu besorgen. Kein Zweifel, daß ihm das für den fünftigen eigenen Haushalt von Nutzen sein muß, denn zu wissen, wie eine Arbeit gut und gründlich gemacht wird, ist selbst dann wichtig, wenn Mittel und Zeit nicht ausreichen, um sie mustergültig zu leisten. Selbst mit minderem Material und geringem Zeitaufwand wird noch immer die Frau besser kochen, die weiß, wie die Speisen beschaffen sein und schmecken sollten, als diejenige, die das nie erfahren hat. Ein Gleiches gilt auch von der Reinigung der Wohnung, der Geräte und Wäsche ebenso wie von der Kinderpflege. Auf all das kann im Proletarierhaushalt leider nicht dieselbe Sorgfalt verwendet werden wie im bürgerlichen, aber alle diese Arbeiten werden um vieles besser von einer Frau besorgt, die weiß, wie sie gemacht werden sollten, als von einer, die keine Ahnung davon hat. Freilich ist es für die proletarische Mutter sehr schmerzlich, au wissen, wie unzureichend alles ist, was sie mit bitterer Mühe und Sorge im eigenen Heim und für die eigene Familie leistet. Gerade dieses Bewußtsein aber wirkt revolutionierend auf ihren Geist ein und macht sie um so besser zur sozialdemokratischen Kämpferin geeignet. Die junge Fabritarbeiterin hat allerdings viel mehr Gelegenheit als das Dienst mädchen, die Macht der proletarischen Solidarität tennen zu lernen
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und an den Kämpfen ihrer Klasse teilzunehmen. Trotzdem fehlt in threm Leben oft jenes revolutionierende Element, das dort am fichersten zum Vorschein kommt, wo sich die Vergleichung verschie dener Lebenshaltungen aufdrängt.
Richtig ist, daß die jungen Dienstmädchen im bürgerlichen Haushalt teine planmäßige Erziehung finden. Auch in der Zeit, als die bürgerlichen Hausfrauen sich selbst noch viel intensiver im Haushalt betätigt haben, fiel es ihnen nicht ein, die Dienstmädchen für deren fünftigen hausmütterlichen Beruf zu erziehen. Die tüchtigste Hausfrau kann und will das Mädchen doch nur zu einer brauchs baren Arbeiterin im bürgerlichen Haushalt heranbilden. Aber was fie planmäßig weder tun will, noch tun kann, das tun die Vers hältnisse durch sie. Damit soll jedoch durchaus nicht behauptet werden, daß der Beruf der Dienenden vom Standpunkt der geis, ftigen Entwicklung der Proletarierinnen nur Vorzüge hat. Er weist vor allem anderen den großen Nachteil auf, daß er die Mädchen verurteilt, in Vereinzelung, oft auch in Vereinsamung zu leben, und nicht nur von den Bestrebungen ihrer Klasse in der Regel abs geschnitten zu sein, sondern sehr oft auch unter dem Einfluß ihrer Brotgeber Anschauungen und Gewohnheiten anzunehmen, die in schroffem Gegensatz zu denen des kämpfenden Proletariats stehen. Trotzdem aber die Dienstmädchen in der Regel an Klassenbewußts sein hinter den Fabrikarbeiterinnen zurückſtehen, erweitert sich ihr Gesichtskreis doch erheblich durch den Einblick in fremde, von den ihren sehr verschiedene Lebensverhältnisse. Es bedarf dann oft nur eines Anstoßes, um sie auf den rechten Weg zu bringen, und dieser Anstoß wird zumeist von den jungen Männern gegeben, mit denen fie gesellig verkehren und aus deren Mitte sie sich den Bräutigam wählen. Darum finden wir es oft, daß Dienstmädchen, die noch. furz vor ihrer Verheiratung ganz im Banne bürgerlicher Anschauungen standen, binnen kurzem zu ebenso eifrigen als intelligenten Parteigenoffinnen werden. Und dabei können wir beobachten, daß die geschicktesten proletarischen Hausfrauen sehr oft auch die tätig. ften Parteifunktionärinnen sind. Es ist das leicht zu verstehen. Die Hausarbeit wird ihnen leichter und ihre Einteilung bereitet ihnen weniger Sorgen und Verlegenheiten als den im Haushalt Unge übten, und so erübrigen sie eher hier und da ein paar Stunden für Lektüre und zum Besuch von Sizungen und Versammlungen. Die für den Proletarierhaushalt so notwendige Sparsamkeit und Sorgfamkeit würde die Not auch dann dem ehemaligen Diensts mädchen bald aufzwingen, wenn sie sie nicht schon im elterlichen Haushalt erlernt hätte, aber was ihr nicht mehr verloren gehen kann, das ist die Kenntnis einer höheren Lebenshaltung und die damit verbundene überwindung der verfluchten Bedürfnislosig feit".
Allerdings, wer diejenige Arbeiterfrau für die beste hält, die sich am geduldigsten unter das harte Joch beugt, das ihr auferlegt ist, der mag finden, daß das ehemalige Dienstmädchen zur Mustergattin verdorben ist. Wer jedoch sich klar darüber ist, wie wenig im allgemeinen das Proletariat ahnt sehr zum Nachteil für die psychischen Bedingungen seines Rampfes, wie eine Lebenshaltung eigentlich beschaffen ist, die der vollen Höhe der heutigen Entwick lung entspricht, der muß trotz der schweren Nachteile und Gefahren, die der Dienstbotenberuf mit sich bringt, doch auch einen gewissen Vorteil darin erblicken, daß ein Teil des weiblichen Proletariats imstande ist, im Lager des Gegners Erfahrungen zu sammeln, die für den proletarischen Befreiungskampf nicht ganz unwichtig find. Diesen Vorteil auszunüßen und jene Nachteile und Gefahren zu vermindern, ist die Aufgabe der Dienstbotenorganisationen, wie sie sich in Deutschland so vielversprechend entwickeln.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
I. K. Die erste sozialistische Frauenkonferenz in österreichisch Schlesien hat in Jägerndorf am 22. August getagt. Von den elf Orten Schlesiens, in denen Anfäße zur politischen Frauenbewe gung vorhanden sind, waren nur zwei nicht durch Delegierte vertreten; sechs hatten je eine Genossin und einen Genossen delegiert und die Vereine von Jägerndorf wie Weißkirch die gesamten weiblichen Funktionärinnen. Das Frauen- Reichstomitee war durch die Genofsinnen Popp und Freundlich vertreten und die Brünner Genossinnen durch Genossin Klapatsch. Der Konferenz ging eine Vorbesprechung voraus, in der über ein Regulativ für die poli tischen Frauenorganisationen in Schlesien beraten wurde, wie über die Einsegung einer Frauen- Landeszentrale. Nach Genossin Jocks Bericht über den Stand der politischen Frauenorganisation in Schlesien bestehen dort fünf Vereine mit zusammen 387 Mits gliedern. Dant dem Eingreifen der Genoffin Popp in die