Nr. 2
Die Gleichheit
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gebührende Nachachtung. Es ist ja sicher, daß wie wir schon hervorgehoben haben der schlechte Geschäftsgang im letzten Jahre das Zuströmen von Arbeiterinnen zu ihrer Berufsorganisation ge- hemmt hat, ja mehr noch, daß er dieser wie männliche, so auch weibliche Mitglieder entriß. Aber die Würdigung dieses Zusammen- Hangs darf kein Schlummerkissen sein, auf dem die Genossinnen, entmutigt, von ihrer seitherigen gewerkschaftlichen Werbearbeit aus- ruhen. Umgekehrt, sie muß sie zur energischsten weiteren Arbeit anspornen. Denn wer sind die Abtrünnigen? Zum Teil doch Arbeitslose, denen es unter den Geißelhieben lange währender bitterer Not nicht mehr möglich war, ihre Zugehörigkeit zur Ge- v werkschaft aufrechtzuerhalten, die aber bei einer Besferung der wirt- sch astlichen Lage sicher wieder für die Organisation zu gewinnen sind. Zum anderen Teil Arbeiterinnen, in denen der Gedanke des ge- werkschaftlichen Zusammenschlusses, in denen das sozialistische Ideal noch nicht tiefe und feste Wurzel geschlagen hatte. Der rauhe Sturm der Krise konnte die Überzeugung leicht knicken oder entwurzeln. Welche Genossin kennt nicht Arbeiterinnen, von denen das zutrifft? Da heißt es denn für uns, mit verdoppeltem Eifer die Pflugschar der Agitation unter dem weiblichen Proletariat führen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Krise zwar auch gar manche Arbeiterin brotlos gemacht hat, daß sie aber gleichzeitig das profitgierige Unternehmertum anreizte. Männer aufs Pflaster zu werfen und statt ihrer Frauen anzustellen, deren Hände nicht bloß zart und geschickt sind, sondern den für kapitalistische Augen unschätzbaren Vorzug haben, billig zu sein. Daher ans Werk, um die Ar- beiterinnen immer mehr über die Bedeutung der Gewerkschasts- Organisation auszuklären! Daher aber auch in den Kampf für durchgreifenden gesetzlichen Arbeiterinnenschutz und das Frauen- Wahlrecht, als für Mittel, die Organisationsfähigkeit und Kampfes- tüchtigkeit der Arbeiterinnen zu steigern! Bessere Rüstung auch der Frauen für den wirtschaftlichen und politischen Klaffenkampf der Ausgebeuteten besagt ja erhöhte Stoßkraft der gesamten Arbeiter- klaffe für Reformen in der Gegenwart und für Zerschmetterung des kapitalistischen   Jochs in der Zukunft. d. tb.
Notizenteil. Dienstbotenfraqe. Die hygienische Notwendigkeit, daß Dienstboten im Hanse baden können, wurde auf der letzten Jahresversammlung derDeutschen Gesellschaft für VolkSbäder" erörtert, die in diesem Sommer zu Nürnberg   getagt hat. Der Vorsitzende, Pro- fessor Dr. Brieger-Berlin  , macht» dazu Ausführungen, die in mehr als einer Hinsicht Interesse verdienen. Er führte im wesentlichen folgendes aus:Ein großer Mangel unserer Wohnungen besteht darin, daß wir unseren Dienstboten kaum Gelegenheit geben können, sich die Wohltat des Badens angedeihen zu lassen. Welche Unzu- träglichkeiten das im Gefolge hat, ist Ihnen ja allen bekannt. Der üble Geruch, Übertragung von Krankheiten von Dienstboten auf Kinder, durch die sich manchmal das rätselhafte Auftreten von Epidemien erklären dürfte, wird wohl auf ungenügende Reinigung der Dienstboten zurückzuführen sein. Ich will bei der Kürze der Zeit auf Einzelheiten nicht eingehen und möchte nur einen einzigen Leitsatz vorschlagen, der folgendermaßen lautet: In allen besseren und mittleren Wohnungen müßte es Bade- gelegenheiten für Dienstboten geben, und in Häusern mit kleinen und kleinsten Wohnungen müßten etagenweise Einrich- tunge» vorhanden sein, daß Dienstboten zu bestimmten Zeiten immer baden können. Das mindeste wären Kaltwasserbrausen, die sich ja ohne weiteres in solchen Etagen anbringen lassen. Wie diese einzurichten sind und welchen Methoden man den Vorzug gibt, ist ja Sache der Sachverständigen."...Wenn niemand hierzu das Wort ergreift," so bemerkte Herr Prosessor Brieger weiter, dürfen wir die Frage später einmal ausführlicher behandeln." Was da gesagt wurde, lenkt die Aufmerksamkeit nicht bloß dar- auf, daß es im Interesse der Gesundheit von Hausangestellten und Herrschaften notwendig ist, dem Mädchen die Möglichkeit häufigen Badens im Hause zu sichern. Es ist auch äußerst bezeichnend für das hochmütige Fühlen und Denken, mit dem die bürgerliche Welt auf die Dienenden herabblickt, wie auf die mangelnde Fürsorge, die diesen zuteil wird. Inbesseren und mittleren" Wohnungen wird den Hausangestellten die Benützung des herrschaftlichen Bade- zimmers nicht gestattet. Der Herr Prosessor sagt»S, es muß also wahr sein! Es ginge ja auch nicht an, daß die nämliche Bade- wanne, der soeben dieGnädige" entstiegen ist, bald darauf dem plebejischen Mädchen dient. Wo bliebe dabei die Ordnung und Zucht! Das Mädchen darf zwar die Badewanne reinigen und
putzen, in der die Herrschaft ihren Schmutz und recht oft ekelhafte Krankheitsstoffe zurückgelassen hat, aber sie selbst benutzen? Pfui, welch' gräßlicher Gedanke für einebessere" oder auch nurmittlere" Familie. Sollte es nicht in manchen Fällen und in nicht allzu wenigen heißen: Umgekehrt wird ein Schuh daraus? Wir meinen, ja. In mehr als einer nicht bloßbesseren", nein,besten" Familie wäre die Hausangestellte vollauf berechtigt, mit Schaudern an die Gnade" zu denken, die herrschaftliche Badewanne benützen zu dürfen. Denn sie kennt nur zu gut die schmutzigen Gepflogenheiten, die ansteckenden, widerlichen Übel, mit denen die Damen und Herren behaftet sind. Es wirft auch helles Licht auf die Wertschätzung. die die Hausangestellten bürgerlicherseits erfahren, daß der Herr Professor regelmäßige Badegelegenheit für sie nicht bloß als ein selbstverständliches Recht auf Reinlichkeit und Hygiene forderte. Da müssen nochschwerwiegendere" Gründe heran: derüble Geruch" der abgerackerten Dienstmädchen, der diebesseren und mittleren" Nasen beleidigt, und die Furcht vor Ansteckung, die respektlos auch Herrschaften erfassen könnte. Bei der Ansicht, die bürgerliche Herren und Damen von den Dienstmädchen haben, ist es auch nicht be- fremdlich, daß für diese statt des Vollbades eine Kaltwasserbrause genügen soll. Eine solche ist gewiß nicht zu unterschätzen, aber daß sie ein Bad ersetzt, davon kann nicht die Rede sein. Wer seinen Mädchen kein Bad im Hause geben kann und geben will, der biete ihnen genügend Lohn und lasse ihnen die nötige freie Zeit, daß sie regelmäßig und oft eine öffenlliche Badeanstalt besuchen können. Das Baden ist ein Recht, das sie im Namen der Reinlichkeit und Gesundheit reklamieren müssen, ein Recht, auf das gerade diejenigen allen Anspruch haben, die tagaus, tagein für die Reinlichkeit und Gesundheit anderer sorgen. b.
Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Wie das Kapital sich die billige weibliche Arbeitskraft dienstbar macht, dafür findet man heute auf Schritt und Tritt Beweise. Sie lassen deutlichst erkennen, daß es meist die Not ist, welche die Frau zur Lohnarbeit treibt, zur Sklavin des Kapitals macht. Und diese Not wird ihrerseits erst von dem ausbeutenden Unternehmertum geschaffen, sie ist nicht in der Natur begründet, sondern in der Wirtschaftsordnung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Dafür ein Beispiel aus dem Hannöversche». In Warstade-Hemmoor gibt es eine Zementfabrik, in der die Arbeiter von Westersode und anderen Orten der Umgegend sronden. Tagelöhne von 2,40 Mk. sind dort keine Seltenheit. Eine verbesserte Technik hat es ermöglicht, daß die Zahl der Arbeiter vermindert wurde. Die in der Folge erzielte Lohnersparnis genügte den Unternehmern noch nicht. Auswärtige Arbeiter wurden herbei- gezogen, die ihre Familien daheim lassen müssen. Bei den geringen Löhnen der Männer ist es notwendig, daß die Frauen mitverdienen. Neben ihre Haus- und Gartenarbeit tritt die Erwerbsarbeit für die Zementfabrik. Da gibt es Zementsäcke zu flicken. Das geschieht als Heimarbeit. Die Frauen müssen die Säcke von der Fabrik holen und in ihrer Wohnung ausbessern. Nicht täglich ist solche Arbeit vorhanden, und die Zahl der zu flickenden Säcke ist verschieden. Sie schwankt zwischen 20 und 100 Stück. Die Säcke starren von Schmutz, sind oft naß und wenn trocken sehr steif. Jede Berüh- rung wirbelt dann eine Wolke Staub aus ihnen auf. Das Flicken und Stopfen bringt reichlichen Schmutz in die Woh- nungen und insbesondere wird die Luft verunreinigt. Die Frauen erhalten für das Ausbessern pro Sack ganze-j Pfennig, wenn die Arbeit auch noch so groß, mühsam und ungesund ist. Die kapita- listische Prositsucht macht vor dem Heim der Familie der Arbeiter nicht Halt. Im schreienden Gegensatz zu dem kargen Verdienst der Leute steht die Verteuerung der Lebensmittel und anderen Bedarjs- artikel durch Zölle und Steuern. Die Lebenshaltung wird immer kostspieliger und bürdet gerade den Frauen die schwersten Sorgen auf. Müssen sie da nicht zu der Einsicht kommen, daß dies System des Kapitalismus auf die Dauer unerträglich ist, daß der Aus- powerung und Knechtung der Massen Einhalt getan werden muß? Und das Mittel dazu? Männer und Frauen müssen in der gewerk- schafllichen und polUischen Organisation zusammenstehen und ge- meinsam für Verbesserung ihrer Lage und einstige volle Freiheit kämpfen._ Linchen Baumann. Landarbeiterfrage. Wie das Kapital in der Landwirtschast das arbeitende Volk ausbeutet, zeigen die Verhältnisse in den Kreisen Kalbe  und Wanzleben  , Regierungsbezirk Magdeburg  . Zumal in den Ortschaften Altenmedingen  , Atzendorf  , Biere, Bleeken