Nr. 10
Die Gleichheit
Die soziale Republik mit der ihr zugrunde liegenden kom munistischen Wirtschaftsordnung ist die Hoffnung der Frauen der ganzen weiten Welt. Und wenn die sozialistische Gesellschaft verwirklicht sein wird, dann wird der Name des Genoffen Bebel auf jedem Dentmal eingegraben sein, das die Arbeiter und die Frauen denen errichten werden, die die Grundsteine der neuen sozialen Ordnung gelegt haben.
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setzte Barismus zu den tückischsten und bestialischsten Mitteln griff, um die revolutionäre Bewegung niederzuwerfen, war es da nicht Bebels Stimme, die sich zur Verteidigung der Interessen des russischen Volkes erhob? Waren es nicht Bebels Reden, die vor der ganzen Kulturwelt die heuchlerische Politik des russischen Henkerfonstitutionalismus" enthüllten?
Es ist unmöglich, Bebels große Verdienste um die Freiheits
Dora B. Montefiore, London . kämpfe in Rußland in einem gedrängten Artikel auch nur an
Das ist auch unser Festtag!
Es gibt Persönlichkeiten, die nicht nur einem bestimmten Volk zu eigen sind, die vielmehr ihrer internationalen Bedeutung nach allen Völkern, der ganzen Menschheit gehören. Es gibt Namen, bei deren Klang sich das Herz der Proletarier selbst in den entferntesten Ländern mit Stolz und hoher, reiner Freude erfüllt. Der weltbekannte Name August Bebel gehört zu ihnen; Bebel ist eine der seltenen Persönlichkeiten, die internationaler Besitz geworden sind.
Der tiefgehende Einfluß ist begreiflich, welchen die Werke, Reden und Taten dieses großen Mannes auf die Arbeitermassen eines Landes ausüben, wo die Preßfreiheit besteht, wo der polizeilichen Willfür Grenzen gezogen sind, wo die feste, organisierte Verbindung zwischen den Genossen nicht zur Unmöglichkeit gemacht wird. Kaum glaublich erscheint es dagegen, daß August Bebel auch zu den beliebtesten, populärsten Bersönlichkeiten für die Arbeiter des Landes gehört, wo die Arbeit des Henters fein Ende nimmt, wo jede freiheitliche Bewegung mit barbarischer Grausamkeit unterdrückt wird, wo die Vertreter der Arbeiter noch heute für die bloße Beteiligung an einem zahmen bürgerlichen Kongreß der Antialkoholiker ins Gefängnis wandern müssen.
Und doch ist es Tatsache: die Namen der eigenen Abgeordneten in der Duma können einem russischen Proletarier unbekannt sein, den Namen Bebel dagegen kennt auch in Ruß land jeder aufgeklärte Arbeiter. An der Wand der bescheidensten Arbeiterstube in St. Petersburg und Moskau , in den falten Wüsten Sibiriens , in den industriellen Städten Polens , im Bergbaurevier des halbasiatischen Urals: überall findet man das Bildnis dieses Vorfämpfers für die Befreiung des Proletariats. Wie oft wurde nicht ein Arbeiter wegen des bloßen Besitzes dieses Bildes in den Kerker geworfen. Die Begeisterung für die Ideen, die Bebel in seinen Reden und Werfen vertritt, konnte dadurch ebensowenig gedämpft werden wie die Liebe und Verehrung für seine Person.
Noch ehe daß der Sturm der Revolution über Rußland brauste, in der Zeit, wo die sozialistische Arbeiterbewegung noch im geheimen, langsam, unter tausend Hindernissen und Schwierigkeiten vorwärts schritt, kanuten schon die von ihr erfaßten russischen Arbeiter den bedeutenden Führer des deutschen Proletariats. Mit lebhaftem, gespanntem Interesse verfolgten sie Bebels flammende Neden; hoffnungsvoll schauten sie auf ihn in der Überzeugung, daß der Sieg, den er erstreiten half, auch der ihrige sei. Wenn er mit meisterhaftem Geschickt der bürgerlichen Gesellschaft die Maste abriß und ihr wahres Gesicht enthüllte; wenn er seine rücksichtslosen Anklagen gegen die schamlose Politik des tapitalistischen Klassenstaats den bürgerlichen Parteien und Regierungsvertretern ins Gesicht schleuderte: brang seine gewaltige Stimme vom deutschen Parlament bis über die so gut behütete, so streng bewachte russische Grenze hinüber. Wie viele junge Köpfe wurden in Rußland durch Bebels Reden zu Sozialdemokraten erzogen, wie viele idealistische junge Männer und junge Mädchen, die von terroristischen Taten, vom Heldentum des einzelnen" träumten, lernten durch Bebel die große geschichtliche überlegenheit des Massenheldentums fennen! Wie viele schwankende Seelen, die zum Opportunismus neigten, sind durch die helle Stimme Bebels wieder auf den revolutionären Weg zurückgerufen worden! Und als die Revolution im Jahre 1905 dem Absolutismus im offenen, heißen Kampfe entgegentrat, als das rote Gespenst" seine flammenden Flügel über das ganze Reich breitete und der ent
deutungsweise zu schildern. Aber eines muß doch an dieser Stelle hervorgehoben werden: der Einfluß, den das berühmte Buch„ Die Frau und der Sozialismus" auf die Arbeiterinnenbewegung in Rußland ausgeübt hat. Noch in den neunziger Jahren erschien es in einer sehr unvollkommenen Übersetzung in Genf . Natürlich war diese in Rußland verboten und konnte nur illegal verbreitet werden. Unter Gefahren mußte das Buch über die Grenze geschmuggelt werden, heimlich wurde es mit klopfendem Herzen von der Jugend gelesen. Neue Horizonte erschloß es ihrem bezauberten Blick: den Sozialismus lernte sie durch Bebels Buch fennen, die Frauenbewegung schätzen. Die Bestrebungen der Frau nach Gleichberechtigung, nach Freiheit waren also fein leerer Wahn. Bestimmte wirtschaftliche Gründe waren die letzten treibenden Kräfte für die sozialen und poli tischen Forderungen des weiblichen Geschlechts. Es war folglich feine bloße bürgerliche Frauenrechtelei", auch die besonderen Intereffen des Weibes, der Mutter zu vertreten. Die denkenden proletarischen Frauen und Mädchen, die opferfähigen tapferen jungen Studentinnen atmeten erleichtert und befriedigt bei dem Nachweis auf, daß ihr Streben nach Hebung und Emanzipation ihres Geschlechts geschichtlich berechtigt und ein wichtiger Faktor der Kulturentwicklung sei.
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Die Revolution von 1905 ermöglichte es, daß Bebels Buch legal in Rußland selbst erschien. Nun wurde es allen Schichten der Bevölkerung zugänglich. Auch die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen befamen es jetzt in die Hände. Obwohl die sozialistische Auffassung des Verfassers sie immer wieder abstieß und ihren Widerspruch herausforderte, stützten sie sich doch auf Bebels Autorität, sobald sie ihrem Gegner dem Mann der bürgerlichen Klaffen gegenüberstanden.
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Was die proletarische Frau anbelangt, so ist sie durch Bebels Werk auch in Rußland wie überall zum Selbstbewußtsein er zogen worden. Sie lernte aus ihm, daß es auch für sie, die Gefnechtete, die Ausgebeutete, einen Ausweg aus Not und Unfreiheit gibt: den Klassenkampf des Proletariats zur Beseiti gung der kapitalistischen, zur Aufrichtung der sozialistischen Ordnung. Neben dem gemeinsamen Kampfe der Proletarier ohne Unterschied des Geschlechts und in fester, innerer Zusammengehörigkeit mit ihm entstanden auch in Rußland die ersten Ver suche einer proletarischen Frauenbewegung. Bebel war es, der der proletarischen Frau die Hand reichte und ihr den hellleuchtenden Tempel der Erlösung zeigte....
Deshalb ist Bebels 70. Geburtstag auch für die erwachte russische Proletarierin ein Festtag. Sie vereinigt ihre Stimme mit der des internationalen Proletariats zu dem tiefempfundenen Wunsche: möge August Bebel , der hervorragende Führer, der nie versagende Kampfesgenosse unter dem Jubel der sozialistischen Internationale noch oft seinen Geburtstag feiern. A. Kollontay, Rußland .
Der verehrungsvolle Jubel, mit dem die deutsche Sozialdemokratie ihren August Bebel am 22. Februar zu grüßen sich anschickt, weckt jenseits der nationalen Grenzen eine lautes Echo in der Seele des internationalen sozialistischen Proletariats.
Dieser Greis mit dem Löwenhaupt erscheint uns allen als der Herold, das lebende Symbol des politischen Aufstiegs des Proletariats selbst. Ein Drechslergeselle, ein Autodidakt, hat er sich, vom Elend und, seit den ersten Erfolgen der Internationalen, vom tollen Entsetzen der Bourgeoisie zugleich verfolgt, zu den höchsten Staffeln der politischen Bedeutung im Parlament und Lande emporgeschwungen.