Nr. 12

Die Gleichheit

eines der angefehensten Handwerke. Heute sind die alten Tuch machermeister fast spurlos verschwunden. Wenn früher in jeder Stadt Tuchmacherei sich vorfand, ist heute die Tuch- und Buckskin­industrie konzentriert auf wenige Städte. An dem alten schweren und breiten Tuchstuhl arbeiteten fast ausschließlich Männer, hinter dem automatisch tätigen mechanischen Webstuhl der Jetztzeit stehen zu einem großen Teil auch Frauen und Mädchen. Eine weitgehende Arbeitsteilung begünstigte die Verwendung weiblicher Arbeitskräfte in der Tuchfabrik. Noch in den siebziger und achtziger Jahren mußte der Tuchmacher das Scheren der Ketten sowie das Leimen   und Bäumen derselben verstehen und besorgen. Daß er mit dem Ab­Inoten des Tuchstücks und dem Stopfen desselben vertraut ist, war felbstverständlich.

Heute sind für alle diese Manipulationen und noch für viele andere besondere Arbeiter eingestellt; Spulen, Zwirnen, Haspeln wird mit Maschinen besorgt. Wollwäscherei  , Färberei, Krempelei, Spinnerei, Weberei und Appretur ist in einer Fabrik vereinigt. Von der Weberei aus durchwandert das Stück Tuch die verschieden­sten Hände. Der Weber übergibt es der Stückepußerei, daun geht es zur Stopferei, zum Walter, Raufer, Scherer, zur Ableferin, um dann durch weitere Hände zum Versand fertiggestellt zu werden. Trotz alledem ist in der Tuchbranche teilweise noch recht große technische Rückständigkeit zu verzeichnen. In den Spinnereien( Streichgarn) findet man noch immer Handmaschinen. Das sind Maschinen, welche nur die Ausfahrt des Wagens und die Spindeldrehung während der Ausfahrt automatisch bewirken. Das Rückdrehen der Spindeln und Auswickeln des Garnes muß durch Menschenfraft bewerkstelligt werden. Selfaftoren mit 150 Spindeln sind keine Seltenheit. Die neuesten Webstühle machen 100 bis 130 Touren pro Minute. Zahl­reich sind aber noch Webstühle mit 50 Touren und darunter im Betrieb. Auch die Teilarbeit ist vielerorts noch nicht so durchs geführt, wie es die moderne Technik erfordert. Ganz besonders ist bas in den kleineren Tuchstädten Sachsens  , Süddeutschlands   und östlich von Berlin   der Fall. Auch der Kleinbetrieb hat sich hier noch erhalten. Genaue Feststellungen hierüber sind unmöglich, da die Gewerbezählung die Tuchmacherei mit unter Wollenweberei ge rechnet hat. Der Textilarbeiterverband hatte für die Konferenz eine Statistik aufgenommen. An derselben haben sich 33 Orte mit 179 Betrieben und 12828 Webstühlen beteiligt. Hiervon hatten 37 Be­triebe unter 20 Webstühle, 53 über 20 bis 50, 52 über 50 bis 100 und 31 Betriebe über 100 Webstühle. Die beiden größten Be­triebe mit 600 und 546 Webstühlen sind in Sagan i. Schl. Die Statistik ist aber durchaus nicht erschöpfend. Forst allein zählt mehr als 100 Unternehmer, desgleichen Aachen  . Zahlreich sind auch die Unternehmer mit 1, 2 oder 3 Stühlen, welche teils für sich zum Berkauf fabrizieren, teils Lohnarbeit für größere Unternehmer machen.

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Der Lohn der Weberinnen ist nur bei 60 Firmen dem der Männer gleich. Alle anderen Betriebe zahlen weniger, und zwar 2 bis 20 Pf. pro Band, oder 50 bis 100 Pf. pro Stück, oder 1/2 bis 2 Pf. pro 1000 Schuß, je nach der geltenden Art der Lohnberechnung. Teilweise erhalten die Arbeiterinnen auch 80 Prozent des Männer­lohnes. Es wird Aufgabe der organisierten Arbeiterschaft sein müssen, dieser Ausbeutung des Weibes ein Ende zu machen. Gleicher Lohn für gleiche Leistungen! Wie niedrig die Weberlöhne noch sind und wie elend die ganz besonders in Sachsen Weberinnenlöhne, beweist eine gewissenhaft durchgeführte Lohn­statistik aus Kirchberg   i. S. Der Statistik sind die wöchentlich zur Auszahlung gekommenen Lohnbeträge der organisierten Weber und Weberinnen jür eine dreizehnwöchige Periode zugrunde gelegt. Es verdienten im Durchschnitt pro Woche in der Fabrik A.: Weber 14,72 Mt., Weberinnen 8,88 Mt.; B.: Weber 15,63 Mt., Weberinnen 10,84 Wt.; C.: Weber 15,42 Mt., Weberinnen 11,56 Mt.; D.: Weber 16,70 Wif., Weberinnen 10,95 Mt.; E.: Weber 12,30 Mt., Webe­rinnen 10,75 Wt. Aus 5 Fabriken liegen nur Angaben von Webe­rinnen vor. Diese verdienten: 9,53 Mt., 9,23 W., 9,24 Mt., 10,72 wt., 10,18 Wit. Sehr viele Arbeiterinnen werden in den vorbereitenden und nachbessernden Tätigkeiten der Weberei verwandt. Da gibt es Spule­rinnen, Zwirnerinnen, Aufsteckerinnen, Kettenschererinnen, Noppe­rinnen und Stopferinnen. Der Lohn der Spulerinnen schwankt zwischen 7 und 16 Wit. pro Woche. Mehr als die Hälfte der Betriebe, aus denen Angaben vorliegen, nämlich 78, zahlen unter 10 mt., 35 10 bis 12 Mt. und 34 von ihnen 12 bis 16 Wit. Ähnlich find die Lohnverhältnisse der Zwirnerinnen, Nopperinnen, Aussteckerinnen und der anderen Kategorien. Nur die Stopferinnen bekommen etwa 2 Mt. mehr an Lohn pro Woche. Die gleiche Höhe wie der Lohn der Hilfsarbeite rinnen der Weberei hat der Lohn der in der Appretur beschäftigten Arbeiterinnen. Recht niedrig entlohnt für ihre gesundheitsschädliche und oft recht gefährliche Arbeit werden die Kremplerinnen. B5 Be

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triebe zahlen 7 bis 10 mt. pro Woche, 54 Betriebe über 10 bis 12 Mt., die übrigen über 12 bis 14 Mt. Sehr gefährlich ist auch die Arbeit am sogenannten Wolf. Mancher abgerissene Arm zeugt davon. Der Lohn der Arbeiterinnen, die hier beschäftigt find, schwankt zwischen 7 und 13 Mt. Im Gegensatz zur Baumwoll- und Rammgarnspinnerei wo nur erwachsene männliche Arbeiter im Feinspinnprozeß beschäftigt sind, werden an den Selfaktoren der Streichgarnspinnereien neben wenigen männlichen Spinnern Spinner bedient bis zu 10 Maschinen nur jugendliche weibliche

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und männliche Personen oder erwachsene Frauen verwendet. An solchen Arbeitskräften ist vielfach Mangel. Die Löhne sind deshalb in den letzten Jahren etwas schneller gestiegen. Sie betragen in 81 Betrieben über 9 bis 16 Mt. pro Woche. Die übrigen Betriebe zahlen weniger.

Schon diese wenigen Angaben aus einer unvollkommenen Sta tistik beweisen, wie sehr viel die Lohn- und Arbeitsbedingungen der in der Tuch- und Buckskinbranche beschäftigten Arbeiterinnen zu wünschen übrig lassen. Dabei gehören die Tuchfabrikanten zu den sozialpolitisch rückständigsten Unternehmern Deutschlands  . Tuch­fabrikanten waren es, welche den großen Grimmitschauer Kampf provozierten, und Tuchfabrikanten find es, welche jetzt die Arbeite­rinnen um die Wohltaten des zehnstündigen Arbeitstags betrügen. Soweit der Zehnstundentag in der Tuchbranche nicht schon durch. geführt war, hat man jetzt fast allgemein nur die Zwischenpausen verlängert. Die Männer müssen in dieser Zeit weiterarbeiten. So hindern die Herren Tuchkapitalisten die Frau, früher als sonst die Fabrik verlassen zu können. Da gilt es die Reihen zu schließen! Männer und Frauen vereint in der Organisation, durchdrungen vom Willen zum Kampf, werden den Gegner bezwingen. hj.

Die Schauspielerinnen im wirtschaftlichen Kampfe.

Die Bühnengenossenschaft hatte im Bunde mit den Vereinen Frauenvohl und Frauenstimmrecht" für die Nacht vom 1. zum 2. März in Berlin   eine Versammlung nach der Philharmonie ein berufen, um zu den sozialen Problemen im Leben der Schau­spielerinnen Stellung zu nehmen. Aus der Fülle eigener bitterster Erfahrungen heraus schilderten Bühnenkünstler und fünstlerinnen das grenzenlose Elend, die soziale und rechtliche Hörigkeit, all die verrotteten Mißstände, gegen die das Bühnenproletariat sich seit den Dezembertagen des Jahres 1908 endlich aufzulehnen beginnt. Diese Versammlung war die zweite ihrer Art, in der die Schau fpielerinnen die besonderen Ausbeutungspraktiken erörterten, die das Theaterunternehmertum ihnen gegenüber zur Anwendung bringt. Das geltende Theaterrecht verbietet der Schauspielerin, Frau und Mutter zu werden, wenn sie nicht ihr Brot verlieren will. Nicht fünstlerische Gesichtspunkte irgendwelcher Art haben diese rigorosen Bestimmungen diftiert, sondern das nackte Unternehmer­interesse. Der Theaterdirektor will wie der Schauspieler Rickelt unter allseitiger Zustimmung erklärte nicht in die Lage kommen, die Gage für einige Monate zu zahlen, in denen eine schwangere Künstlerin nicht auftreten kann. Im Mittelpunkt der Erörterungen der Versammelten stand die Frage der Theaterprostitution und ihrer Ursachen. Die kontrattliche Verpflichtung zur Beschaffung aller Bühnentoiletten bei geringer Gage ist es bekanntlich, die eme große Zahl von Schauspielerinnen dem schändlichsten aller Nebenerwerbe" in die Arme treibt. In ergreifenden Worten wies Fräulein Rubner vom Neuen Theater auf das ungeheuerliche Mißverhältnis zwischen der Gage und dem Dienstaufwand hin. Die Gagen betragen bei mittleren Theatern 200 bis 250 Mt. für das erste Fach, 100 bis 120 Mt. für das zweite Fach, bei kleinen Bühnen 100 bis 120 Mt. für das erste Fach, 70 bis 80 Mt. für das zweite Fach. Bei einer Spielzeit von 6 bis 7, höchstens 8 Monaten, stellt sich das Jahres­einfommen einer Schauspielerin auf 420 bis 2000 Mt. über 60 Pro­zent der Bühnenkünstlerinnen haben unter 1000 Mt. Einnahmen. Von dem Gehalt gehen ab die Reisekosten, die Prozente an den Agenten, die Kosten für die Borprobetage vor Beginn der Saison. Das Un erträglichste aber ist, wie bereits hervorgehoben wurde, die Beschaffung der Toilette. Gerade an Provinzbühnen mit häufigem Repertoire­wechsel werden von der Künstlerin nicht selten zehn Toiletten in einem Monat verlangt, in dem sie 70 bis 120 Wit. verdient. Was bleibt der Schauspielerin übrig, als Schulden zu machen, oder aber sich zu prostituieren, wenn sie vorwärtskommen will. So manche hat schon den Tod der Schande vorgezogen. Nicht wenige Künstlerinnen müssen Schneiderinnen werden, um Schauspielerin sein zu tönnen. Hungernd, frierend, darbend sizen sie des Nachts an der Nähmaschine