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Die Gleichheit

Ammendorf und Dölau Frauen- und Boltsversammlungen einberufen mit der Tagesordnung: Die Frau als Mutter, Ar­beiterin und Staatsbürgerin im Zeitalter der raffiniertesten Lebens mittelteuerung". Referentin war die Unterzeichnete. Die Versamm lungen waren außerordentlich gut besucht, ein Zeichen, daß die Frauen von unseren heutigen Verhältnissen immer mehr dazu ge­drängt werden, sich mit öffentlichen Angelegenheiten zu befassen. In Böllberg- Wöriniz befanden sich gerade die Mühlenarbeiter und die Arbeiter eines Röhrenwertes wegen einer Lohner­höhung von einigen Pfennigen im Ausstand. Der Andrang zur Versammlung war außerordentlich stark: Versammlungslokal, Saal, Garten, Hof und Straße, alles war gedrängt voll von Menschen. In der Debatte, die sich nach dem Referate entspann, forderte der Leiter der Bewegung der Mühlenarbeiter, Genosse Räpplers Altenburg, in begeisternden Worten die Frauen auf, ihre Männer im Rampfe zu unterstüßen. Seine Worte machten einen tiefen Ein­druck auf die anwesenden Proletarierinnen. Die Versammlung schloß mit den Klängen der Internationale. Den Behörden des Saalekreises schienen die Versammlungen große Besorgnis einzu flößen, denn stets war ein ansehnliches Polizeiaufgebot auf dem Plaze. In Löbejün   wurde sogar die Feuerwehr alarmiert, was auf eine große Nervosität der Behörden schließen läßt.

In Halle a. S. veranstaltete die Zahlstelle des Dienstboten verbandes eine Versammlung, in der die Unterzeichnete über Die Not der Dienstboten" referierte. Die Versammlung war recht gut besucht. Unter den Anwesenden befanden sich einige Damen. Auch zu dieser Veranstaltung hatten sich trotz des neuen Reichs­vereinsgesetzes drei Polizisten eingestellt. Dieses Vorgehen der Be hörden wurde von der Vorsitzenden Genossin Rükle und von der Unterzeichneten scharf gerügt. Vom Verband ist Beschwerde gegen die ungesetzliche Maßregel eingereicht worden. Mögen die Be­hörden mit ihrer Taktik der Nadelstiche fortfahren. Sie tragen da­durch nur zur Aufklärung bei. Marie Wadwig.

Schwerin  . In einer öffentlichen Frauenversammlung sprach Genossin Lungwig- Berlin über die Kaiserrede und die Ar­beiterbewegung. Trotzdem in den letzten Wochen hier mehrere gut besuchte Versammlungen stattgefunden hatten, wies auch diese Ver fammlung eine sehr starte Beteiligung auf. Die Rednerin führte aus, daß die Königsberger Rede des Kaisers durch das Bekenntnis zum Absolutismus die Arbeiterklasse herausfordere. Doch vor allem müßten die Frauen gegen die Rede protestieren. Der Hunger treibe die Frauen in die Politit, aus der sie der Kaiser verweise. Nicht nur als Erwerbstätige im Dienste des Kapitals, sondern auch ge rade als Mutter und Hausfrau, ihre angebliche Hauptaufgabe erfüllend, werde die Frau heute gezwungen, am öffentlichen Leben, am politischen Kampfe teilzunehmen. Bei 18 Millionen Mark Zivilliste brauche sich allerdings die Kaiserin nicht den Kopf zu zer­brechen über die Führung des Haushaltes, aber die Arbeiterin dränge die Not und Sorge um das immer teurer werdende täg liche Brot in die Öffentlichkeit. Und an die Öffentlichkeit muß die Frau mit ihren Forderungen. In der Öffentlichkeit, in Versamm­lungen müssen die Frauen protestieren gegen die das Volt auss wuchernde Wirtschaftspolitik der Regierung. In politischen Or­ganisationen zusammengeschlossen, Schulter an Schulter mit den Männern müssen die Frauen kämpfen um ihre Rechte, die sie nicht als auserwählte Gnade des Himmels ansehen, die sie aber Kraft ihrer Arbeit in Anspruch nehmen. Durch lebhaften Beifall gaben die Zuhörer ihrem Einverständnis mit der Rednerin Ausdruck. Zwanzig weibliche und neun männliche Mitglieder konnten neu aufgenommen werden. Fast 150 weibliche Mitglieder zählt jetzt die politische Organisation. Vorwärts heißt auch hier die Parole, wir müssen noch diesen Winter die Zahl 200 überschreiten.

In Marburg   ist die Zahl der politisch wie der gewerkschaftlich organisierten Frauen leider noch sehr gering. Dies hat vor allem darin seinen Grund, daß Marburg   teine Industriestadt ist, so daß die starken, aufrüttelnden Antriebe fehlen, welche die Proletarie innen zum selbständigen Denken bringen und ihr Interesse für die Allgemeinheit weden. Zwar besteht seit kurzem eine Dienst­botenorganisation, doch gewinnt sie wegen der allgemeinen Indifferenz nur langsam Boden. Es läßt sich nicht leugnen, daß die politische Agitation unter den Frauen in Marburg   keine so günstigen Bedingungen vorfindet wie in vielen anderen Drten. Doch fehlt es, wie im ganzen Deutschen Reiche, auch hier feines wegs an Aninüpfungspunkten für die Propaganda des Sozialismus unter den Frauen. Sind es doch gerade die Frauen, die besonders unter den drückenden Zoll- und Steuerlasten zu leiden haben, die durch die Reichsfinanzreform erheblich schwerer geworden sind. Die Lebenshaltung wird immer kostspieliger, während die Arbeitslöhne nicht im entsprechenden Maße steigen. Die Forderung auf Er

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höhung der Zivilliste hielten die Unternehmer in Anbetracht der herrschenden Teuerung für berechtigt. Beanspruchen die Arbeiter das gleiche Recht, so soll auf einmal von Teuerung nichts mehr zu verspüren sein. Die Lohnsklaven des Kapitals müssen sich jedes Mehr ihres Verdienstes in oft langwierigen Rämpfen ertrogen. Fangen die Frauen erst einmal an, über alle diese Zustände nach­zudenken, so sind sie auf dem besten Wege zum Sozialismus. Sie anzuregen und aufzuklären, ist vor allem Pflicht der Genossen. Leider wird sie noch nicht von allen verstanden und geübt. So kommt es, daß durchaus nicht alle Frauen von Parteigenossen als überzeugte Bekennerinnen des Sozialismus organisiert sind. Der eine entschuldigt sein Versäumnis damit, er könne nicht auch noch für seine Frau den Beitrag bezahlen. Der andere wendet ein, sie könnten nicht beide zugleich von zu Hause abkommen, um die Versammlungen zu besuchen. Der doppelte Beitrag wäre leicht aufzubringen, wenn sich der eifrige Parteigenosse entschließen könnte, im Monat nur zwei Glas Bier weniger zu trinken. Das größere Hindernis, daß Mann und Frau nicht zu gleicher Zeit das Haus verlassen können, wäre durch Veranstaltung von besonderen Frauen­versammlungen zu beseitigen. Bei einigem guten Willen kann so manches andere Hemmnis noch überwunden und der Frau die Möglichkeit zur Beteiligung am politischen und gewerkschaftlichen Leben verschafft werden. Dieser gute Wille muß bei allen geweckt werden, die ein Interesse daran haben, daß die ausgebeuteten Massen des Volkes für ihre Befreiung tämpfen. Das Verständnis und die Mitarbeit der Frauen find für die kämpfenden Proletarier unentbehrlich, daher darf kein Mittel unversucht bleiben, um auch in noch rückständigen Gegenden und Orten die Frauen aufzuklären und den Organisationen zuzuführen. Es ist das Pflicht aller führenden Genossen und Genoffinnen. Helfen alle zufammen, die in dieser Beziehung etwas leisten können, so wird es auch in Marburg   bald mit der proletarischen Frauenbewegung vorwärts gehen. D. Br.

Eine öffentliche Frauenversammlung fand in Magdeburg   am 21. September d. J. im Saale des Sachsenhos" statt. Die Genossin Kähler- Dresden, welche aus Anlaß des sozialdemokratischen Partei­tags hier weilte, sprach über des Kaisers Zivilliste, die Königs­berger Kaiserrede und die Fleischteuerung. Der Erfolg ihrer äußerst wirkungsvollen Rede war, daß sich 24 Frauen in den sozialdemokra tischen Verein aufnehmen ließen. Doch hätte der Besuch der Ver sammlung ein besserer sein können. Berta Briese.

sten sächsischen Wahlkreis fand eine Versammlung der weiblichen Von den Organisationen. Im vierten, fünften und sech Kongreß und der sächsischen Landesversammlung Bericht erstatteten. Parteimitglieder statt, in der die Delegierten vom Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen  . Da die Beratungen in der Genossin Gradnauer referierte über die Internationale Presse eine eingehende Erörterung erfahren haben, ist eine Wieder weiteren den Internationalen Kongreß und beschäftigte sich holung des Berichtes überflüssig. Genossin Gradnauer besprach des eingehend mit allen Verhandlungsgegenständen, die für die Frauen besonderes Interesse besitzen. In der Genossenschaftsfrage vertrat sie die Ansicht, daß, wenn in Sachsen   eine Million Genossen Mit listischen Geist in diese Organisationen zu tragen. Ein Teil der glieder der Konsumvereine sind, wir auch das Recht haben, sozia überschüsse der Vereine sollte für die Bildung der Genossen zurück den. Selbstverständlich hätten die Genossenschaften auch alle ge gestellt und für die Unterstüßung von Arbeitslosen verwendet wer werkschaftlichen Forderungen zu erfüllen. Über die Landes­

versammlung in Leipzig   berichtete Genossin Wack wit. Sie hob hervor, daß das Zentralfomitee nach seinem Bericht zwar von der Entwicklung der Bewegung noch nicht befriedigt sei, daß jedoch trog ber hinter und liegenden Krise ein guter Fortschritt konstatiert werden fönne. Die Rednerin beschäftigte sich sodann eingehend mit der Schulreform. Sie erklärte, daß die jezt kämpfende Generation ihr selbst verweigert worden ist. Die Referentin pflichtete der An­des Proletariats für ihre Kinder an Bildung fordern müsse, was sicht des Genossen Göhre bei, daß jeder aus der Kirche austreten müsse, wer innerlich mit ihr gebrochen habe. Beide Referate wur­geschlossen mit der Aufforderung der Vorsitzenden, das Gehörte zu den mit großem Beifall aufgenommen. Die Versammlung wurde beherzigen. Eine Frauenkonferenz für die Provinz Schleswig- Holstein Marie Wad wit. tationskommission in Neumünster  . Alle Kreise der Provinz mit und das Fürstentum Lübeck   tagte auf Veranlassung der Agi Ausnahme des neunten waren auf der Konferenz vertreten, an der 36 Delegierte teilnahmen, darunter eine aus Lübeck  ( Stadt), vier Zieh als Mitglied des Parteivorstandes. Genossin Zieh hielt nach Mitglieder der Agitationskommission, sechs Gäste und Genofsin Eröffnung der Konferenz durch den Genossen Bartels eine furze