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Die Gleichheit

schaftlichen Gründen Mitglied desselben seien, erhielten sie die Ant wort: Sie wissen ja nun Bescheid, Sie müssen wissen, was Sie als Staatsbeamter zu tun haben.' Am 27. April hat der katholische Kreisschulinspektor in Essen   die Rektoren zu einer Konferenz zusammenberufen und ihnen protokollarisch im Auf­trag der Regierung eröffnet, es sei erwiesen, daß der Konsumverein Eintracht eine sozialdemokratische Einrichtung sei und sozialdemo fratische Propaganda triebe. Es ständen 80 Lehrer auf der Liste, die Mitglieder des Konsumvereins sind. Diesen sei anzuraten, aus dem Konsumverein auszutreten. Im Verfolg der Angelegenheit hat später eine Aussprache zwischen dem Geheimen Regierungsrat Wolf­garten, Schulrat Timm und Lehrer Borchard in Essen   stattgefunden, bei welcher Gelegenheit der Geheime Regierungsrat erklärte: Be­weise dafür, daß der Konsumverein Eintracht sozialdemokratisch ist, fönnen von uns nicht erbracht werden. Da jedoch Lehrer Borchard eine flare Entscheidung wünschte und Beweise für den sozialdemo Fratischen Charakter des Konsumvereins forderte, antwortete dieser, daß er nun den Polizeipräsidenten von Essen um diese Beweise an­gehen werde. Tatsächlich sind die beiden Schulräte auch dieserhalb beim Essener Polizeipräsidenten gewesen, um dort die Beweise für den sozialdemokratischen Charakter des Konsumvereins einzuholen. Was sie dort erfuhren? Die klassische Antwort des Essener Polizei­präsidenten lautete: Tatsache ist, daß der Konsumverein Eintracht der Sozialdemokratie dienstbar sei, bloß beweisen läßt sich's nicht, dazu ist die Gesellschaft viel zu schlau."

Jedes Wort der Kritik an diesem terroristischen Verfahren ist überflüssig, die einzig richtige Antwort, die Arbeiter allüberall dar­auf geben können, ist die: nun erst recht hinein in die Kon= sumvereine! Wenn die Gegner Wind fäen, sollen sie Sturm ernten.

Notizenteil.

Dienstbotenfrage.

H. F.

Schlafräume der Dienstmädchen in Hamburg  . Die Ham­burger Ortsgruppe des Zentralverbandes der Hausan= gestellten hat Material über die Schlafräume ihrer Mitglieder gesammelt. Anlaß dazu hat der Beschluß der Generalfommission und der Zentralvorstände der Gewerkschaften Deutschlands   gegeben, sich an der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden   zu be­teiligen. Man weiß, daß und warum dieser Beschluß nicht zur Ausführung kommen konnte. Die Hamburger Organisation der Hausangestellten schickte am 1. Januar d. J. an ihre Mitglieder Fragebogen, die bis zum 15. Januar zurückgeliefert werden mußten. Von den 863 Mädchen, die am 1. Januar als Mitglieder einge zeichnet waren, verzogen am genannten Tag 105; 296 schliefen nicht im Hause der Herrschaft. Von den verbleibenden 462 lieferten nur 226 die Fragebogen ordnungsgemäß ab, etwa ein Viertel der übrigen war außer Stellung oder bei Tagesarbeit tätig. Der Rest schickte die Fragebogen nicht zurück, einige sogar schon längere Zeit organisierte Mädchen weigerten sich, sie auszufüllen, ein Zeichen dafür, wie unfrei und gedrückt sich noch viele Hausangestellten fühlen. Auf den Fragebogen wurde Auskunft verlangt über die Größe des Schlafzimmers, ob es Fenster hat, verschließbar ist, ob es allein benutzt wird usw. Ein größerer Teil des Bogens war für besondere Bemerkungen frei gelassen worden. Ein Mitglied, das als Kleinmädchen tätig ist, schrieb: Unser Zimmer ist sehr feucht, unter den dünnen Bettdecken werden wir des Nachts nicht warm." Eine andere Hausangestellte berichtete:" Essen   sehr gut, was ich von der Behandlung nicht sagen kann." Ein siebzehn­jähriges Mädchen darf die Tür seines Schlafzimmers nicht zu­schließen. Ein Alleinmädchen schreibt: Meine Dame ist Schneiderin, ich muß im Arbeitszimmer schlafen; vom 15. bis 24. Dezember v. J. wurde darin bis 12 Uhr nachts gearbeitet, ich konnte deshalb nie eher zu Bett gehen, trotzdem meine Arbeit um 10 Uhr abends beendet war." Ein anderes Mitglied bemerkt: Mein Zimmer ist sehr feucht, mein Zeug ist teilweise verspaft( hat Stockflecke) und riecht ganz moderig. Der Fußboden ist so morsch, daß ich schon einmal mit der Bettstelle eingebrochen bin. Das Wasser läuft an den Wänden herunter, aber die Dame behauptet, es sei nicht feucht." Das Mädchen bittet den Verband, die Sache zu untersuchen. Ein achtzehnjähriges Mädchen muß mit einer Kollegin das Bett teilen, außerdem schlafen die drei Kinder der Herrschaft im gleichen Zimmer. Eine Röchin flagt: Der Fußboden besteht aus Zement, die Wand, an der das Bett steht, grenzt an den Kohlenraum und treibt bei Tau- und Regenwetter Nässe." Eine andere berichtet gleichfalls, daß ihr Zimmer feucht sei, auch tanzen des Nachts die Mäuse herum sehr angenehm." Ein 24jähriges Alleinmädchen erhält

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Nr. 22

sehr mangelhaftes Essen, das Schlafzimmer hat kein bißchen Luft. Das Mädchen hofft, durch den Stellennachweis des Verbandes einen besseren Dienst zu erhalten. Ein Mitglied ist aus Gutmütig­feit mit zu den Eltern der Dame gezogen, weil der Herr die Familie nicht ernähren kann. Es mußte im Wohnzimmer auf einer Chaise­longue schlafen; das Bettzeug bestand aus einem dünnen Kissen und einem Unterbett zum Zudecken, das nie bezogen wurde. Das Zimmer eines sechzehnjährigen Mädchens, das in Estebrügge   bei Hamburg  im Dienst ist, liegt zwischen Kälber- und Pferdestall und ist nicht zu lüften. Die Garderobe des Mädchens ist vollständig verstockt. Es könnten noch mehr Beispiele ähnlicher Mißstände angeführt werden. Nur wenige Dienstmädchen haben keine Klagen über die Schlafräume vorzubringen. Damit die Zahl dieser Bessergestellten größer wird, müssen sich mehr und mehr Mädchen dem Berband anschließen, und die Genossinnen und Genossen müssen den Bes schluß des Dresdner   Gewerkschaftskongresses beachten, die Organi­sation der Hausangestellten zu unterstützen. Der Stellennachweis des Hamburger Vereins befindet sich Kurze Mühren 8, 1 rechts und ist von 8 bis 8 Uhr geöffnet, Sonnabends bis 5 Uhr.

Luise Kähler. Wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Belei digung eines Dienstmädchens hatte sich kürzlich der Kaufmann Schm. in Düsseldorf   vor Gericht zu verantworten. Am 23. März d. J. wollte das bei Schms. Mutter beschäftigte Dienstmädchen gegen 8 Uhr abends ausgehen, um sich eine neue Stellung zu suchen. Schm., der zum Abendessen zu spät erschienen war, versuchte das Mädchen zurückzuhalten. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen beiden, in deren Verlauf der Angeklagte das Mädchen beleidigte und miß­handelte. Dieses flüchtete in seiner Angst in die im Keller liegende Waschküche. Plößlich wurden vom Hofe aus zwei Eimer Wasser in die Waschküche gegossen, so daß das Mädchen völlig durchnäßt wurde. Es beschwor vor Gericht, Schm. habe das Wasser in den Keller gegossen, und bekundete weiter, daß fast alle Mädchen von ihm geschlagen worden seien. Der Angeklagte stellte die Behaup tungen der Anklage in Abrede, vor allem die, daß er das Mädchen in den Keller eingeschlossen und so der Freiheit beraubt habe. Die Beweisaufnahme ergab, daß zwei Frauen den Keller betreten hatten, während das Mädchen sich in der Waschküche befand. Es hätte also den Raum verlassen können, tat das aber aus Angst nicht. Das Gericht sprach Schm. von der Anklage der Freiheits beraubung frei, verurteilte ihn aber wegen Körperverlegung und Mißhandlung zu 100 Mt. Geldstrafe. Die Verhandlungen haben wieder einmal bestätigt, wie verbesserungsbedürftig die Lage der Dienenden ist. Viele Herrschaften können sich immer noch nicht gewöhnen, ihre Hausangestellten als Menschen zu achten und zu behandeln. Ihnen gegenüber lassen sie ihrer Laune und Brutalität die Zügel schießen in dem Gefühl: Es ist ja nur ein Dienstmädchen!" Die Organisation ist das Mittel, in dieser Beziehung Wandel zu schaffen. Durch den Zusammenschluß und durch Aufklärung weckt und hebt sie das Bewußtsein der Menschenwürde der einzelnen Mädchen.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

p. w.

wie

Weibliche Lohnsklaverei in der Aachener Zigarrenindustrie. Es ist wohl zur Genüge bekannt, daß der Bezirk Aachen   eine Hoch­burg des Zentrums und der von diesem abhängigen christlichen" Gewerkschaften ist. Man braucht sich daher gar nicht zu wundern, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der unteren Volksschichten nicht die rosigsten sind. Denn Hand in Hand mit Frömmigkeit die Klerikalen sie verstehen geht hier überall die Ausbeutung und Unterdrückung der breiten Voltsmasse. In höchster Blüte steht aber in Aachen   noch die Ausbeutung der weiblichen Arbeitskräfte, wie auch die der Kinder. Es sind in erster Linie die frommen katholischen Bigarrenfabrikanten, welche ausschließlich weibliche Arbeitskräfte beschäftigen. Männliche Zigarrenarbeiter fennt man hier gar nicht. Die Zahl der in der Aachener Zigarrenindustrie beschäftigten Ar­beiterinnen beträgt zirka 2000. Die Herren Fabrikanten wissen ganz genau, daß die Arbeiterinnen nicht allein äußerst billige, sondern auch vor allem besonders willige Arbeitskräfte sind. Aachen   ist eine Großstadt, aber auch eine sehr teure Stadt. Trotzdem werden in der Zigarrenindustrie solche Jammerlöhne gezahlt, daß daneben die bekannten niedrigen Löhne fast als glänzend" erscheinen, die die Bigarrenarbeiterschaft in den entlegensten Dörfern Süddeutschlands  erhält, wo bekanntlich der Lebensunterhalt nicht so teuer ist. Was in Aachen   den armen Arbeiterinnen geboten wird, spottet jeder Kritik. Hier herrscht die für Arbeiter ungünstige Rahmenberechnung mit 205 bis 260 Stück. Nach dieser Berechnung müssen die Zigarrenrollerinnen 25 bis 40 Stück pro 1000 Bigarren mehr