Nr. 3

Die Gleichheit

für das Gedeihen der Baumwolle; ein ausgedehntes und ge­pflegtes Netz von natürlichen und fünstlichen Wasserwegen; eine wohlorganisierte, intelligente und geschulte Kaufmannschaft; eine lernbegierige Jugend; ein schier unerschöpfliches Reservoir billiger, bedürfnisloser und zäh aushaltender Arbeitskräfte usw.

Die noch schlummernden Produktivkräfte des großen Reiches fönnen aber nicht zu kapitalistischem Leben erweckt werden, ohne daß sie von Anbeginn an deffen Internationalität teilnehmen. Die goldene Internationale des ausbeutenden Kapitals jauchzt bei dem Ausblick auf das sich erschließende neue und gewaltige Erntefeld. Die junge chinesische Industrie wird lange Zeit den Marktbedarf im Vaterland nicht zu decken vermögen. Die aus ländischen Industriellen und Kaufleute können daher ihre Hände in Gold waschen, Kapitalien, die in der Heimat nicht mehr fette Profite abwerfen, werden in China   eine reich zinsende Anlage suchen, Produktionsmittel aller Art dort reißenden Absatz finden und Spefulanten eine Treibhausluft für ihre Gründungen. Die verelendende chinesische Bauernschaft aber fann Unternehmern und Streifbrecheragenten Scharen billiger und williger Arbeits. kräfte stellen.

-

Jedoch dem Jubelfest des kapitalistischen   Triumphs folgt wie die Nacht dem Tag Heulen und Zähneklappern. Es kommt die Zeit kein Bitten und Beten vermag fie in der Zukunft zu bannen, wo auch der Markt in China   nicht mehr die Waren zu schlucken imstande ist, welche das Profitbedürfnis der ausbeuten­den Klassen auf ihn schleudert. Was dann? Die soziale Revolu tion allein kann durch die Aufhebung der kapitalistischen   Pro­duktion und ihrer Voraussetzung: des Privateigentums an den Produktionsmitteln, kann durch die Aufrichtung der sozialistischen  Ordnung die Antwort auf diese schicksalsschwere Frage geben. Denn die aufgezeigte Entwicklung hat sich nicht vollziehen kön nen, ohne daß sie tieffurchende Rückwirkungen auf alle Län der alter kapitalistischer Gütererzeugung ausgeübt hat. Ihre fruchtbarste Folge aber wird die Zuspigung aller wirtschaft­lichen, aller sozialen Gegensätze sein, welche die bürgerliche Ordnung in sich schließt und deren Rebellion diese Ordnung sprengen muß. Vergessen wir nicht, daß Afrika   für die Ent faltung der kapitalistischen   Produktion keine entscheidende Rolle zu spielen vermag, daß China   das letzte große Reich ist, wo diese emporblühen und sich ausleben tann. Mit der Unter­jochung Chinas   muß sie ihren Kreislauf über den Erdball be schließen. Die revolutionären Vorgänge in China   übertreffen daher an Wichtigkeit bei weitem alles, was sich in und um Marokko   und Tripolis   abspielt. Sie sind Wetterzeichen, daß der internationale Kapitalismus   in die letzte sturmbewegte Phase seiner Existenz eingetreten ist. Nicht die Rassenfrage, die soziale Frage ist es, die aus ihnen lösungheischend ihr Haupt erhebt.

35

Blick bemerken. War das ein Hälseverrenken und Augenver drehen! Der Servilismus feierte Orgien. Für viele der zu hörenden Damen war die Tagung nur eine Toilettenschau. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen die Beratungen nur geringe Aufmerksamkeit fanden. Diesen selbst aber fehlte an Kraft und Gehalt, was die Tagung äußerlich an Ehren  " und Glanz aufwies.

Der Allgemeine Deutsche Frauenverein ist die älteste der jetzt in Deutschland   existierenden frauenrechtlerischen Organisa tionen. Seine Gründung erfolgte auf einer deutschen   Frauen­konferenz, die im Jahre 1865 in Leipzig   unter Leitung von Luise Otto- Peters   stattfand. Die Ziele, die damals der Or ganisation gesteckt wurden, waren selbstverständlich keine prole tarisch- revolutionären, auch feine bürgerlich- revolutionären. Sie gipfelten in dem Eintreten für die Berufsarbeit der Frau und damit auch für ihre bessere Ausbildung; sie galten der Gleich­berechtigung des weiblichen Geschlechts, die mehr in allgemeinen Redewendungen als in bestimmten Forderungen vertreten wurde. Immerhin war die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, sein Programm und seine Arbeit für die da malige Zeit eine achtunggebietende, fast eine fühne Tat. Es war pulsierendes, vorwärtsdrängendes, zukunftsfreudiges, demo­kratisches Leben in der Organisation. Heute steht diese auf dem rechten Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung. Zur Forde rung des Frauenstimmrechts hat sie sich nur widerwillig offiziell bekannt, von einem fraftvollen Kampf für dieses Hauptziel jeder bürgerlichen Frauenbewegung ist nicht die Rede.

Bereits im Jahre 1869 hat der Allgemeine Deutsche Frauen­verein in Braunschweig   getagt. Damals sprach Auguste Schmidt   die verheißungsvollen Worte:

,, Wir haben so selten das Ewig- Weibliche" verwirklicht gesehen, weil die Vorstufe des Edel- Menschlichen" nur selten erreicht wurde. Deshalb sank das Weib unter das Niveau des Menschentums herab und entkleidete sich des Diadems, welches die Natur selbst ihm ge­

geben hat. Lehre zuerst dem Weibe die Würde des Menschen­tums", und sie wird fähig sein, die Würde der Frau" in reinster Form in sich zu entwickeln; laß sie die Aufgabe der Menschheit begreifen und sie wird die Aufgabe der Frau in vollendeter Weise erfüllen können, stelle sie in den Verband der Menschheit, und sie wird in dem vollen Sonnenschein des Daseins unverfümmert ihre Eigenart als Weib bewahren und auch gern in dem stillen fried­lichen Schatten des Hauses wohnen. Wir wollen das Vorurteil und die Gleichgültigkeit vernichten, wir wollen das Bewußtsein verbreiten, daß das Glück der Familie, die Heiligkeit der Ehe, die Erziehung der Jugend und die Würde des Weibes abhängig find von der Stellung der Frau zur Arbeit der Menschheit. Wenn einst der größte Teil der Frauen in der freigewordenen Arbeit weder eine Last noch eine Schande erblickt, sondern sie als den göttlichen Stempel des Menschentums betrachtet, dann wird die Reformation vollendet sein, deren erstes Morgenrot in unsere Seele leuchtet."

Große Taten sind diesen schönen Worten nicht gefolgt, so

Die 26. Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. manches Anerkennenswerte auch der Verein auf verschiedenen

Frauenbildung bebeutet nicht, den Frauen politische Rechte zu erfämpfen, sondern sie mit den sozialen Beitströmungen und mit der Notwendigkeit zur sozialen Mitarbeit vertraut zu machen. Dr. Gertrud Bäumer  .

Zur Ohnmacht verurteilt, das ist das Zeichen, in dem die 26. Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauen vereins stand, die vom 5. bis 7. Oftober in Braunschweig  tagte. Um es gleich vorweg zu sagen: Durch diese Tagung bürgerlicher Frauen wehte ein Zug von Enttäuschung und Bitterkeit. Darüber konnte der äußere Aufputz nicht hinweg täuschen. Und an solchem hat es wahrlich nicht gefehlt. Die Frau Herzogin hatte die Gnade, in Person dem größten Teil der Verhandlungen beizuwohnen, einmal in Begleitung des Staatsministers Hartwieg, eines äußerst geriebenen Reaktionärs, der keiner noch so schwächlichen modernen" Anwandlungen verdächtig ist. Der Oberbürgermeister von Braunschweig   sang zur Begrüßung der Generalversammlung ein Loblied auf die bürgerliche Frauenbewegung. Daß der größte Teil der Zu hörerinnen, vor allem die Backfische, nur der Frau Herzogin halber den Kongreßsaal füllten, fonnte jeder auf den ersten

engeren Gebieten des sozialen Lebens gewirkt hat. Auch seiner heurigen Tagung fehlte der Zug ins Große, der freie Blick ins weite schöne Land der vollen sozialen und menschlichen Befrei ung des gesamten weiblichen Geschlechts. Mit tönenden Worten plätscherten die beratenden Damen an der Oberfläche der zu behandelnden Fragen herum. Verstieg man sich doch einmal zu einer entschiedeneren Forderung, so wurde sie gewiß im gleichen Atemzug mit abschwächenden Flosteln umhüllt. Verirrte man sich ab und zu einmal in das Gestrüpp sozialer, politischer Frauenentrechtung, so wußte man weder aus noch ein. Und geriet man gar einmal aus Versehen in die Tiefen proletari­schen Elends, so schwang man sich rasch wieder auf das glatte bürgerliche Parkett.

Nach den üblichen Begrüßungen und nach der Erstattung des Geschäftsberichtes, der nichts Interessantes bot, sprach Dr. Gertrud Bäumer   über Die staatsbürgerliche Er­ziehung der Mädchen". Die Referentin ging davon aus, daß es für den einzelnen eines gewaltigen sozialen Pflicht­bewußtseins bedarf, damit die ungeheuren wirtschaftlichen Um­gestaltungen der Gesellschaft ohne Krisis überwunden werden.