Nr. 6
Die Gleichheit
der Vorschläge in Aussicht. Ein solch harmonisches Hand- in- Handarbeiten, das unsere Genosfinnen überall anregen und die Kreisleitungen durchführen sollten, würde sicher der Gesamtbewegung gute Dienste leisten, vor allem aber das Ergebnis des Wahlkampfes erheblich verbessern. Wir empfehlen deshalb den Genossinnen allerwärts, im örtlichen Vorstand ein ähnliches Vorgehen anzuregen. Gerade bei dieser Wahl findet eine Anspannung aller Kräfte statt. Der Parteivorstand und die Reichstagsfrattion haben in ihrem Wahlaufruf betont, daß die weitestgehende Mitarbeit der Frau notwendig ist. Luise Ziez.
Eine Frauenkonferenz für den Bezirk Oberrhein tagte Mitte Oktober in Köln . Anwesend waren 17 Genossinnen als Delegierte der einzelnen Kreise, 6 Wahlkreisleiter, die Parteisekre täre von Köln und Mülheim , ein Vertreter der Rheinischen Zeitung", die drei Mitglieder des Agitationskomitees und Genossin Zieh als Vertreterin des Parteivorstandes. Der Bezirkssekretär Genosse Hofrichter gab einen überblick über die Arbeit, die bisher im Interesse der Gewinnung von Anhängerinnen und zur Schulung der Genossinnen des Bezirkes geleistet wurde. Seine Darlegungen zeigten, daß die Bezirksleitung der Frauenbewegung die größte Aufmerksamkeit gewidmet und fortgesetzt Anregungen gegeben hat, die jedoch nicht überall von den Kreis beziehungsweise Ortsleitungen befolgt wurden. Genosse Hofrichter bedauerte diese Unterlassungsfünden lebhaft und sprach den Wunsch aus, daß das Ergebnis der Konferenz in allen Kreisen Beachtung und Berücks fichtigung finden möge, damit auch im oberrheinischen Bezirk die proletarischen Frauen in steigender Zahl in unsere politische Dr ganisation eingereiht und ihre Kräfte der sozialdemokratischen Bewegung nutzbar gemacht würden. Die Kreis- und Ortsleitungen dürsten auch nicht immer warten auf die Anregungen der Bezirksleitung oder auf das Drängen und die Anregungen der weiblichen Mitglieder, sondern sie hätten die Pflicht, selbständig auf Grund eigener Initiative Agitation unter dem weiblichen Proletariat zu entfalten. Genossin Ziez betonte, daß die politische Organisierung und Schulung der Frauen nicht allein diesen, sondern der Gesamtbewegung zugute käme. Die Gesamtbewegung könne die Beteiligung der Frauen an ihr absolut nicht mehr entbehren. Bei den sich fort gesetzt zuspißenden Klassenkämpfen werde diese vielmehr in immer höherem Maße eine Lebensnotwendigkeit für das Proletariat. Jede von uns organisatorisch und geistig erfaßte Frau verringert das Heer der Gegner in unseren eigenen Reihen, das Heer der Indifferenten. Damit werde unsere Agitations- und Organisationsarbeit, die Verbreitung unserer Presse erleichtert, unsere Werbefraft erhöht. Jede für uns gewonnene Frau stärkt bas Heer unserer Klassentämpfer. Die wachsende Zahl der ziel flaren Mitstreiterinnen befeuert den Kampfesmut, befestigt das krafts volle Wollen der Organisierten, sichert das Gelingen ihrer Aktionen und hebt damit ihr Selbstgefühl. Das Fortschreiten und Ers starten unserer Jugendbewegung ist um so sicherer, je mehr die Proletarierinnen überzeugte Sozialistinnen sind. Diese kommen alsdann nicht allein zu uns, sondern bringen uns auch ihre Kinder. Genossin Zietz besprach sodann die besten Methoden zur Gewin nung der Frauen: Gut vorbereitete öffentliche Versammlungen ( Frauenversammlungen), in denen möglichst Fragen zu erörtern feien, die das Interesse der Frauen besonders wachrufen und fesseln. Neben den großen Versammlungen, die gleichzeitig Rundgebungen der proletarischen Frauen zu bestimmten Fragen sind, gelte es, bezirtsweise in den größeren Städten Agitations versammlungen zu veranstalten. Immer müsse in diesen Versamm lungen von Tisch zu Tisch, von Person zu Person aufgefordert werden zum Eintritt in die Partei, zum Abonnement auf die Parteipresse. Gute Berichte über diese Versammlungen in unserer Parteipresse verstärken den agitatorischen Erfolg; ebenso könne die Presse durch Artikel und Notizen über die Frauenbewegung unsere Werbearbeit unter den Proletarierinnen erleichtern und erfolgreicher gestalten. Es müsse alles geschehen, um die überzeugung von der Notwendig.eit der Beteiligung der Frauen am Klassenkampf zum Gemeingut des Proletariats zu machen. Eine gut vorbereitete und durchgeführte Hausagitation habe die Werbearbeit in den Ver sammlungen zu ergänzen.
Die praktische Schulung der Genoffinnen geschehe durch ihre Mitarbeit in der Organisation, die ihnen erst so recht das Gefühl der Zugehörigkeit zur Partei gibt.
Bur theoretischen Durchbildung dienen die Leseabende, für die jetzt vom Parteivorstand ein Leitfaden herausgegeben worden ist, und für fortgeschrittene Genossinnen könnten eventuell Kurse eingerichtet werden. Aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen, die Rednerin näher bespricht, seien noch besondere Veranstaltungen zur Gewinnung und Schulung der Frauen notwendig, deren Dr
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ganisierung auch nicht durch zu hohe Beiträge erschwert werden bürfe.
Eine sehr lebhafte Diskussion der Genossinnen setzte nun ein, und es war eine Freude, ihr zuzuhören. Junge, lebhafte Genossinnen wetteiferten da mit unseren älteren, in der Bewegung erfahrenen Kämpferinnen, ihre Sache geschickt zu führen, Anregungen zu geben, Wünsche zu äußern, ihre Erfahrungen der Bewegung dienstbar zu machen. Aus allen Reden leuchtete der lebhafte Wunsch, mitzuarbeiten, sich zu betätigen, die Bewegung vorwärtszutreiben. Alle Reden waren aber auch ein glänzender Beweis dafür, daß unter unseren oberrheinischen Genofsinnen ein reiches Maß Intelligenz vorhanden ist, die es unserer Bewegung immer nutzbarer zu machen gilt. Im Namen des Agitationsfomitees erklärte Genosse Hofrichter, der das Ergebnis der Aussprache zusammenfaßte, daß vom Komitee aus alles geschehen werde, um auch auf dem schwierigen Gebiet des oberrheinischen Bezirkes die Proletarierinnen mit ſozialistischer überzeugung zu erfüllen, sie der sozialistischen Bewegung zuzuführen. Der erste Schritt dazu ward bereits auf dem ober= rheinischen Parteitag in Kreuznach getan, auf dem Genosse Hofrichter in eindringlicher und begeisternder Weise für die Förde= rung der Frauenbewegung und für die Berücksichtigung der auf der Frauenkonferenz geäußerten Anregungen eintrat. Daß die Arbeit unserer oberrheinischen Genossen und Genossinnen vom besten Erfolg L. Z. begleitet sein möge, ist unser lebhafter Wunsch.
Genoffin Johanna Grünfeld, Freiburg i. Br.+ Nach langer schwerer Krankheit verschied am 5. November in Freiburg i. B. Genosin Johanna Grünfeld. Sie war Mitbegründerin unserer fozialdemokratischen Frauenſektion und wurde durch das Vertrauen der Genossinnen an deren Spitze gestellt. Genoffin Grünfeld ist auf diesem Posten als Rednerin und Agitatorin erfolgreich tätig gewesen, und erst als schwere Krankheit ihr das Wirten unmöglich machte, gab fie ihn auf. Ihr Verlust ist um so schmerzlicher, als wir von ihrer Begabung und ihrer selbstlosen Hingabe an die Bewegung viel fruchtreiche Arbeit im Dienste unserer Jdeen erhofften. Drei Kindern, an denen sie mit tiefer Zärtlichkeit hing, war sie eine fürsorgende Mutter. Das Leben der Verstorbenen ist ein Leben treuer Pflichterfüllung gewesen, das in persönlicher Beziehung wie in Arbeit und Kampf für das sozialistische Ideal vorbildlich war. Die Genossen und Genossinnen werden der Dahingeschiedenen ein bauerndes Andenken bewahren und in ihrem Sinne weiterwirken. Marie Margloff.
Politische Rundschau.
Der Marokkohandel hat den Gegensaz zwischen England und Deutschland verschärft. Das zeigt sich auch darin, daß dieses Abenteuer mit einer Debatte über das Verhältnis dieser beiden Staaten vorläufig abschließt. In der Budgetkommission des deutschen Reichstags hat der Staatssekretär des äußern in einer vertraulichen Sizung den Abgeordneten Aufklärung gegeben, so weit er das für notwendig hielt, über den Gang der Politik in der Marokkosache. In einem Auszug, der das Vertrauliche ausschied, wurde dann die Erklärung des Staatssekretärs der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Am meisten Beachtung fand dabei das, was der Staatssekretär über die Rolle Englands in der Marokkoge= schichte mitteilte. Der englische Minister des äußern, Grey, hat darauf eine Darstellung der Vorgänge vom Standpunkt der eng lischen Regierung aus gegeben. Schon vorher hatte ein englischer Militär, ein Kapitän Faber, aufsehenerregende Enthüllungen gemacht in einer Rede, in der er dem Oberbefehlshaber der Flotte mangelnde Vorbereitung für den Kriegsfall vorwarf. Der Kapitän behauptete, England habe in diesem Sommer zweimal, im Juli und im September, seine Flotte auf Kriegsfuß gegen Deutschland gesetzt und die Entsendung von 150 000 Mann Landtruppen nach Belgien zur Unterstützung des französischen Heeres vorbereitet. Ja, es hätten sogar einmal englische Kriegsschiffe bereits den Befehl erhalten, deutsche Torpedoboote, die sich in schottischen Gewässern aufhielten, aufzusuchen und zu vernichten, doch sei die Weisung hierzu zu spät ergangen. Dieser Rede ist widersprochen worden, insofern der Kapitän das oberste Flottenkommando der mangelnden Bereitschaft beschuldigt hatte. Dagegen ist seinen Mitteilungen über die Kriegsvorbereitungen nicht entgegengetreten worden, sie wurden vielmehr von verschiedenen Seiten bestätigt. Und des Minister Greys Rede im englischen Parlament bestätigt mittelbar gleichfalls, wie nahe der Ausbruch des Krieges war, wie sich denn auch in der Erklärung Kiderlen- Wächters genügend Anhaltspunkte dafür finden. Aus den Reden beider Minister geht hervor, daß der Meinungsaustausch zwischen Berlin und London zeitweise eine sehr schroffe Form angenommen hatte.