378Die GleichheitNr.»liegen. Die Klagen früherer Zeiten, daß die Genossen den Bestrebungen der Frauen nicht genügend entgegenkämen, sind verstummt, und Genossen und Genossinnen arbeiteten im Vorstanddes ö. Kreises einträchtig zusammen. Die unermüdliche Kleinarbeitunserer Genossinnen hat sich auch die volle Anerkennung der Genossen erworben. Nach der statistischen Aufnahme fanden in derMehrzahl der Bezirke regelmäßige Diskussionsabendefür die Frauen statt; in anderen Bezirken sollen solche im neuenTätigkeitsjahre veranstaltet werden, und den übrigen Bezirken istdiese Einrichtung im Interesse der sozialdemokratischen Bewegungdringend zu empfehlen. Im ganzen mögen im Kreise wohl 70 DiS-kussionsabende abgehalten worden sein. Die Besucherzahl schwanktezwischen 28 und 80. Sehr gut hat sich die Aufstellung eines festenProgramms für die Diskussionsabende bewährt. Außer ihnenfanden noch einige UnterhaltungS- sowie Wanderabende statt. An den Mitgliederversammlungennahmen die Genossinnen ein regeres Interesse als bisher. Erfreulich ist ferner, daß sich hier die Frauen lebhaft an der Diskussionzu den Vorträgen zu beteiligen beginnen. In neun von den siebzehn Bezirksverwaltungen sind Genossinnen tätig.Mögen die hier berichteten schönen Fortschritte der proletarischenFrauenbewegung die Genossinnen zu weitcrem rastlosen Arbeitenanspornen. Mit diesem Bericht beschließe ich meine Tätigkeit alsVorstandsmitglied und Vertrauensperson der Genossinnen de»O.Kreises, da ich infolge Wegzugs in einen anderen Kreis übertrete. Ich danke den Genossinnen auch an dieser Stelle für daSVertrauen, das ich seit dem Jahre 1890 bei ihnen genossen habe,wie für ihre freudige Mitarbeit. DaS Wirken für daS gemeinsameZiel wird uns trotz der räumlichen Trennung weiter vereinen. Dertreuen Arbeit der Genossinnen des 6. sächsischen Kreises wird auchin Zukunft der Erfolg nicht fehlen. Marie Wackwitz.Polltische Rundschau.Zur gleichen Stunde, da zu Essen Wilhelm H. durch seineGegenwart bei der Jubiläumsfeier des Kruppwerkes die engeVerbindung zwischen Krone und Kapital bekundete, verbranntenund erstickten durch schlagende Wetter auf der benachbarten Zech«Lothringen über hundert Bergleute. Der Kaiser meinte, sieseien auf dem Felde der Ehre gefallen. In Wahrheit fielen sieaber als Opfer auf dem blutgetränkten Felde der kapitalistischenProfitsucht. Die Zeche Lothringen ist berüchtigt als eine vondenen, auf denen die freigewerkschaftlich organisierten Bergleuteden schwersten Verfolgungen ausgesetzt sind. Auf ihr werden dieGelben gezüchtet, und ein wildes Antreibersystem peitscht die Arbeiter zu überhasteter Arbeit. Daß bei solcher Hetze die Vorsichts-maßregeln leicht mißachtet werden, versteht sich von selbst. Espaßt ganz in dieses System, daß jeder SicherheitSmann, der aufdieser Zeche seine Pflicht tat, geschuhriegelt und in seinem Ver-dienst geschädigt wurde, bis er der Zeche den Rücken kehrte oderstumm wurde. Widergesetzliche Entlassung von SicherheitS-männern mußte sich die Leitung von Lothringen gerichtlichbescheinigen lassen. Fest steht ferner, daß in der Grube mitDynamit, nicht mit Sicherheitssprengstoffen gearbeitet wurde, obgleich nach Aussage der Bergleute schon mehrfach gefährliche Gas-ausbrllche, sogenannte Bläser, aufgetreten waren. Hier hätte einSicherheitsmann, der unabhängig seines Amtes hätte walten dürfen, wohl zu vorbeugenden Maßnahmen mahnen können. Aberes ist ja der Fluch dieses Amtes, daß dem Inhaber Hände undFüße gefesselt sind nach dem jammervollen Gesetz, das der preußische Landtag nach der furchtbaren Katastrophe von Radbodzusammengeschustert hat. Damals, als die Arbeiterschaft des Bergbaus die 33ö Toten als stumme und doch so beredte Fürsprecherihrer Forderung nach Grubenkontrolleuren aus ihrer Mitte emporhielt, damals mutzten unter dem Druck des allgemeinen Entsetzensdie preußische Negierung und der preußische Landtag den Bergleuten ein Zugeständnis machen. Leute ihres Vertrauens, ihrerWahl sollten zum Sicherheitsdienst in den Gruben berufen werden.Jedoch an Stelle der unabhängigen, vom Staat besoldeten Grubenkontrolleure erhielten die Arbeiter die Sicherheitsmänner, einZerrbild dessen, waS sie forderten. Statt eines von den Arbeiternaus ihrer Mitte gewählten Beamten mit umfassenden Befugnissenschuf man ein unglückliches Zwitterding zwischen Arbeiter und Beamten, einen Kontrolleur, der nur einmal im Monat kontrollierendarf und der auch im Falle der Gefahr nichts anzuordnen hat. Vorallem aber beließ man den Sicherheitsmann unter der Fuchtelder Zeche; er ist zugleich Arbeiter des Betriebs, den er kontrollieren soll, allen Schikanen der Beamten und der Zechenleitungausgesetzt. Die Höhe seines Verdienstes ist von ihrem Willen abhängig— der Mißliebige wird an einen schlechten Ort gelegt, wodie Arbeit wenig lohnend ist, das Gedinge wird ihm gedrückt, biser klein beigibt, die Dinge laufen läßt oder der Zeche, die ihnwährend der Dauer seines Amtes nicht entlassen darf,.freiwillig"den Rücken kehrt. Solange dieses System weiterbesteht, solang«den Arbeitern der unabhängige Grubenkontrolleur aus ihrer Mitteverweigert wird, so lange hat die bürgerliche Gesellschaft keinRecht, von unabwendbaren Naturereignissen, von Katastrophen zureden, die menschliches Können nicht zu verhindern vermöge. Solange mindestens ist es nicht wahr, daß alle? geschieht, was möglichist, um solche Massenunfälle zu verhüten. Und deshalb können dieWorte des Kaisers vom Felde der Ehre und können alle die Bet-leidsdepeschen und Geldspenden und Kaiserbesuche am Orte desUnglücks bei den Hinterbliebxnen und bei den Bergarbeitern nurbittere Gefühle erwecken. Denn all das steht in einem grellenGegensatz zu der Verweigerung der wesentlichen Sicherheitsmaßregeln, die die Bergleute fordern. Und alles Beileid und alle Geld-und Blumenspenden nach dem Unglück machen das nicht gut, wasvor dem Unglück versäumt wurde. Wird die Katastrophe nun we-,nigstenS der preußischen Regierung die Augen dafür öffnen, daßdaS jammervolle Gesetz über die Sicherheitsmänner durch einGesetz ersetzt werden muß, daS den Bergleuten wirkliche Grubenkontrolleure aus ihrer Mitte gibt? Wird den bürgerlichen Parteiendes preußischen Dreiklassenparlaments nun endlich das Gewisse«schlagen und werden sie die Forderung der Bergarbeiter ohne Ab»zug, ohne Klauseln erfüllen? Wer die Haltung der bürgerliche»Gesetzgeber Preußen? nach der furchtbaren Radbodkatastrophe gesehen hat, ihr Bestreben, anstatt einer wirklichen SicherheitSmaß-ircgcl„weiße Salbe" zu geben, der wird nicht viel Hoffnung haben,daß sich jetzt ihr Sinn wandeln wird. In der kapitalistischen Gesellschaft geht der Profit vor Menschenleben. Die Bergarbeiterschaftwird, wie die Arbeiterschaft überhaupt, die Sicherung ihres Lebenserkämpfen müssen. Und dazu tut ihr vor allem die Einigkeit not,die die gelben und schwarzen Streikbrechervereine bis jetzt zu verhindern wußten.In der blauschwarzen Presse klangen noch die Jubellieder übtttden gewaltigen Überschuß des Etatsjahres 1S11, über daS angeblichglänzende Ergebnis der Rcichssinanzreform nach, da kam die unerfreuliche Kunde, daß die Einnahmen des Reiches im erstenVierteljahr de? EtatsjahreS 1912 20 Millionen Mark weniger ergeben haben, als sie nach dem Voranschlag betragen sollten. Eswäre nun freilich verfrüht, aus diesem Ergebnis eines Vierteljahres ohne weiteres auf das Ergebnis des ganzen JahreS zuschließen. Aber jedenfalls zeigt dieses Zurückbleiben der Einnahmen»m ersten Vierteljahr, wie recht die Sozialdemokratie hatte, als st«davor warnte, aus dem Überschutz von 1911 allgemeine Schlüsse zuziehen und zu glauben, daß nach diesem auf ganz besondere Umstände zurückzuführenden Steigen der Einnahmen kein Rückschlageintreten könnte. DaS Schwanken der Reichseinnahmen beweistaber auch, wie unmöglich eS ist, daß das Reich bei den neuen gewaltigen Rüstungsausgaben ohne neue Steuern auskommt. DerReichskanzler wird sich, so schwer es ihm auch fällt, entscheidenmüssen, ob er es mit den Großgrundbesitzern verderben will, indemer eine Erbschaftssteuer vorlegt, oder mit den Industriellen, Kaufherren und Börsenleuten, indem er irgendeine neue Sondersteuerfür Handel und Industrie vorschlägt.In Aachen ist der Katholikentag zusammengetreten.Von den inneren Gegensätzen im Katholizismus und im Zentrum,von dem Kampf zwischen Kölnern und Berlinern, zwischen christlichen Gewerkschaftern und Fachabteilern wird man in Aachennichts vernehmen. Denn die Katholikentage sind ja nichts als Paraden des Zentrums, geschickt arrangiert, um den Gläubigen undder Öffentlichkeit durch die Masse der Statisten und ihren dröhnenden, einmütigen Beifall zu imponieren. Das Zentrum suchtkeine Klärung durch innere Diskussion— die herrschende Richtungunterdrückt die andere und vertuscht die Gegensätze so lange wiemöglich. Von ihnen wird man also in Aachen nichts bemerken, umso mehr aber vom Kampfe gegen den Umsturz hören. Der Papsthat in einem Antwortschreiben auf eine Huldigung des AachenerKatholikentagSkomiteeS auf die Pflicht der Gläubigen zu solchemKampfe an erster Stelle und sehr eindringlich hingewiesen. DieAngst vor dem Umsturz scheint der katholischen Kirche überhauptAlpdrücken zu verursachen. Auf dem Parteitag der bayerischen Sozialdemokratie zu Landshut wurde ein andie Geistlichkeit der Diözese Regensburg gerichteter bischöflicherErlaß verlesen, der die Pfarrer anweist, die Sozialdemokratie sowohl von der Kanzel auS als auch außerhalb der Kirche energischzu bekämpfen. Die Sozialdemokratie kann mit diesem Befehl de»Bischofs, die Religion zu politischen Zwecken zu mißbrauchen, nur