Nr. 8

Die Gleichheit

intensiv an allen ihren Arbeiten und Kämpfen beteiligt, daß das Datum jedes Jahr nur unter Berücksichtigung der- all­gemeinen Situation und ihrer Aufgaben für die Genossinnen und Genossen gewählt werden kann. In der Folge wird die äußere internationale Einheitlichkeit der Frauentage leider nicht immer zu erzielen sein. Gerade aber, weil dem so ist, müssen die Genossinnen aller Länder um so ernster bestrebt sein, die innere internationale Einheitlichkeit der Kundgebung festzuhalten. Der Frauentag muß es den Massen ins Be­wußtsein hämmern, daß die sozialistischen   Proletarier aller Länder, ohne Unterschied des Geschlechts, mit den Forde­rungen des Frauentags einer Erkenntnis und eines Willens sind.

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Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Im Wahlkreis Hanau- Bockenheim- Geln­hausen- Orb fanden vor Weihnachten eine größere Anzahl öffent­licher Versammlungen statt, die in erster Linie der Aufklärung und Werbearbeit unter den Frauen dienten. Genossin Bau= mann- Hamburg behandelte in 27 Orten die Teuerung und die Gefahren eines Weltkriegs. Das aktuelle Thema, das von der Referentin in einem gut aufgebauten, belehrenden Vortrag er­örtert wurde, fand in Stadt und Land eine dankbare Zuhörer­schaft. Die Frauen sehen mehr und mehr ein, daß es ihre Sache ist, um die es sich handelt. Die Teuerung drückt die werktätige Bevölkerung in steigendem Maße, und die Frauen sind es, die sich im Haushalt in erster Linie damit abfinden müssen. Der bitteren Lehre dieser Tatsachen können sich auch die Indifferenten auf die Dauer nicht entziehen. Ähnlich liegt es mit den Gefahren des Weltkriegs. Die Greuel eines Krieges, wie sie jüngst der Balkan   gesehen hat, müssen Frauen und Männer in gleicher Weise aufpeitschen, alle proletarischen Kräfte zusammenzufassen, um den Kriegsheßern entgegenzuwirken. Der Aufruf der Internatio­nale muß von Basel   aus seinen Weg in die Hütte der letzten Ar­beiterfamilie finden. In allen Versammlungen, in denen Gc­nossin Baumann mit beredten Worten diese Gesichtspunkte zum Ausdruck brachte, fand die Stellung der Sozialdemokratie zum Kriege jubelnde Zustimmung. Das gleiche gute Ergebnis hatten die zwei Versamlungen, in denen Genossin Ott Bocken­heim wirksam über das nämliche Thema sprach. Der Erfolg der Versammlungen ist von zwei Seiten aus zu bewerten. Er brachte der Organisation rund hundert neue Mitglieder. Diese Zahl dürfte höher sein, doch muß beachtet werden, daß der Kreis seit Jahren systematisch beadert wird, daß in jedem Halbjahr eine längere Agitationstour für die Aufklärung der Frauen stattfindet und daß demzufolge heute nicht mehr wie im Anfang Massenaufnahmen er­folgen können. Doch mit der Entwicklung unserer Organisation soll auch die Vertiefung und Festigung unserer Anschauungen unter den Massen gleichen Schritt halten. Dazu beizutragen, sind die öffentlichen Versammlungen mit be= rufen. Natürlich nicht sie allein. Im Gegenteil. In allen Orten muß eine stete und systematische Bildungsarbeit einsetzen. Die Leseabende für Frauen und Mädchen müssen zu einer dauernden Einrichtung für die Weiterbildung der Prole= tarierinnen werden. Die systematische Bildungsarbeit wird natur­gemäß in einem überwiegend ländlichen Wahlkreis erschwert, wie es der unserige ist. In städtischen Wahlkreisen wohnen die weiblichen Mitglieder mehr oder weniger nahe beisammen, da­gegen verteilen sich z. B. in unserem Bezirk die weiblichen Mitglieder auf 41 Ortschaften. Große Mittel und ein starker Kräfteaufwand find notwendig, um trotz dieser Umstände das Ziel zu erreichen. Doch alle Schwierigkeiten werden zu überwinden sein, wenn die Ge­nossinnen und Genossen in Stadt und Land mit vereinten Kräften wirken. Das zeigt uns die Entwicklung der Gesamtpartei und ebenso das Steigen der Mitgliederzahl im eigenen Kreise. Konnten wir doch am 1. Januar 1909 nur 177 weibliche Mitglieder in fünf Orten des Wahlkreises verzeichnen, so hatten wir am 1. Juli 1910 bereits in 34 Orten 1138, und zurzeit zählen wir rund 1650 or= ganisierte Genossinnen, die sich auf 41 Orte verteilen. Zähe Aus­dauer, einiges Zusammenarbeiten und stete Propaganda für unsere Grundanschauungen und Forderungen werden uns auch in Zukunft den Erfolg verbürgen.

r. d.

Im 18., 22. und 23. sächsischen Wahlkreise sprach die Unterzeichnete in einer Reihe von Versammlungen über die Teuerung und die Aufgaben der Frauen". Die Versammlungen fanden in folgenden Drten statt: Ober- Planig, Crimmitschau  , Friedrichsgrün, Reinsdorf  , Lauterbach, Raschau  , Voigtsberg, Mylau  ,

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Plauen  , Rotschau, Haßlau, Großfrießen, Neundorf, Syrau  , Oberlosa, Pausa, Mühltroff, Schöneck  , Adorf  , Marktneukirchen  , Klingenthal  , Kürbis und Treuen  . Der Besuch ließ im allgemeinen zu wünschen übrig. Doch waren die Frauen erfreulicherweise in allen Versammlungen verhältnismäßig stark vertreten, in einigen waren überhaupt nur Frauen anwesend. In manchen Orten herrschte ein sehr guter Geist unter den Prole­tarierinnen, so zum Beispiel in Reinsdorf  , wo bis zu dem ver­lorenen Bergarbeiterstreik die Frauen um ein Drittel stärker in der politischen Organisation vertreten waren als die Männer. Das fleine Dorf Raschau   bei Olsnig hatte eine sehr gute Versamm­lung; 16 Frauen wurden hier für die Partei gewonnen. Ebenso waren in Mylau  , Plauen  , Voigtsberg, Syrau   und Ober­losa recht gute Erfolge zu verzeichnen. In Oberlosa, einem Dorf bei Plauen  , dessen weibliche Einwohnerschaft beinahe ganz in der Spigenindustrie beschäftigt ist, mußte die Versammlung in einemt ungeheizten Saal stattfinden. Trotz der Kälte hielten sämtliche Frauen bis zum Schluß aus, und 27 von ihnen folgten unserer Aufforderung, der Partei beizutreten. In Syrau   fand zum ersten Male eine Frauenversammlung statt. Die Verhöhnungen der Spießer nebenan im Gastzimmer, die rohe Wize rissen, hielten die Prole­tarierinnen nicht ab, sich politische Aufklärung zu holen. Die Ge­bildeten" am Stammtisch machten schließlich einen solchen Lärm, daß wir die Versammlung unterbrechen mußten, um die Herren zur Ruhe zu verweisen. Die Wut der Krämerseelen war begreiflich, waren doch die Genossen in Syrau   daran, eine Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft einzurichten. Es wurden in diesem Ort die ersten 12 Frauen für unsere Sache geworben. Daß die Versamm lungen im allgemeinen nicht besser besucht waren, kann nicht über­raschen. Es handelte sich vorwiegend um Dörfer, deren Frauen und Mädchen in der Textil- und Spigenindustrie der größeren Städte arbeiten. Die meisten von diesen Proletarierinnen haben früh und abends einen langen Weg zurückzulegen. Es ist in diesen Gegenden gar nicht selten, daß Arbeiterinnen, wenn Überstunden gemacht werden müssen, 12 Stumden in der Fabrik fronden und zweimal am Tag einen zweistündigen Weg zurücklegen. Es bleiben ihnen also nur noch 8 Stunden für alle häuslichen Verrichtungen und für die notwendige Ruhe. Daß bei solch abgehetzten Frauen keine große Neigung für Versammlungsbesuch vorhanden ist, kann man ver­stehen. Die ganze Woche können wir uns fein Essen kochen, und wenn wir Sonntags wirklich Gekochtes haben, so schmeckt es nicht, weil der Magen nicht daran gewöhnt ist," so klagten die Proletarierinnen, die mit der Unterzeichneten von Zwickau   nach Planitz   wanderten. Stein Wunder! Diese Stlavinnen des Kapitals müssen werktags früh und abends je 2 Stunden laufen, bis Werdau   und Crimmit­ schau  , wo sie in den Textilfabriken für erbärmliche Löhne schuften. Es bedarf auch im hochindustriellen Sachsen noch vieler Aufklärungs­arbeit, bis alle Proletarierinnen solche Zustände als menschenun­würdig empfinden und gegen sie ankämpfen. In allen Versamm­lungen folgten die Frauen dem Vortrage mit großer Aufmerksamkeit. Besonders lebhaftes Interesse brachten sie den Ausführungen en:- gegen, wie sie sich politisch betätigen und schulen könnten. Hoffent wir, daß sie die gegebenen Anregungen zur Tat werden lassen. Die Partei gewann über 180 neue Mitkämpferinnen, ebenso wurden der Gleichheit Leserinnen zugeführt. M. Reichert.

Agitation in Südbayern. über Wirtschaftsleben und Frauen­frage" sprach die Unterzeichnete Ende November in Rosen= heim, Hammerau bei Bad Reichenhall   und München   int Volks- und Frauenversammlungen und in Ver­sammlungen der Metallarbeiter und der Buch- und Steindruck hilfsarbeiterinnen. Die Versammlungen waren durchgehend gut besucht. In Hammerau   war der Ver­sammlungssaal gedrückt voll, selbst aus Bad Reichenhall  waren Frauen und Mädchen erschienen, die auch in die Dis­fussion eingriffen. In diesem Orte waren die Behörden vor und in der Versammlung bestrebt, den Humor auch im politischen Kampfe zum Nechte kommen zu lassen. Die Abstempelung der Versammlungsplakate verweigerten sie mit der Bemerkung, die Sozi taugen a so nig." Als sie darauf hingewiesen wur­den, daß diese Begründung doch nicht ganz hinlänglich sei, ut die Weigerung zu rechtfertigen, erhielten wir die schriftliche Auf­forderung: Auf Ferlangen des Bezirksamtes sol­Ten Sie die Blakate zum bestätigen bringen." In der Versammlung erschien dann der Herr Bürgermeister in höchst= eigener Person mitsamt dem Gendarmeriewachtmeister in Zivil, um die Sozi" zu überwachen. Er machte fein wenig erstaunte Gesicht, als er hören mußte, daß es Bürgermeister gäbe, die mit cingegriffen hätten, um dem Volke billigere Lebensmittel zu ber­schaffen. Nicht dulden aber konnte der Bürgermeister es, daß die