Nr. 10

23. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichbett erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Doft vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jabres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart  

5. Februar 1913

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Um das Frauenwahlrecht. Kampf- und Kriegsjahr. II. Von H. B. - Frauen und Kinderarbeit in Sachsen  . I. Von H. F. Das geplante Petroleummonopol. Von J. K. Die Holzindustriellen auf dem Kriegspfade. Von fk. Aus der Bewegung: Von der Agitation.- Aus den Organisationen. Ferienspaziergänge der Arbeiterkinder in Mannheim.  tische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau.

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Poli­

Tegtilarbeiterinnenkonferenz. Von Martha Hoppe. Genossen

schaftliche Rundschau. Von H. F.

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Notizenteil: Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels­und Verkehrswesens. Sozialistische Frauenbewegung im Aus­land. Frauenstimmrecht. Die Frau in öffentlichen Ämtern.

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Frauenbildung.

Um das Frauenwahlrecht.

Wenn dieser Artikel erscheint, so ist im englischen Parla­ment eine große Schlacht um das Frauenwahlrecht geschlagen worden. Oberflächlich betrachtet, müßte der Sieg der Frauen­rechtssache sicher erscheinen, denn eine Mehrheit von Abgeord­neten bekennt sich zum Prinzip der politischen Gleichberech­tigung des weiblichen Geschlechts. Allein in Wirklichkeit liegen die Dinge so verwickelt und verworren, daß trotz dieser Mehrheit der Ausgang des Kampfes sich zur Stunde nicht voraussagen ließ, wo schon die ersten Gefechte stattfanden.

Zuschriften an dte Redaktion der Gleichbeir find zu richten an Frau Klara Zetkin  ( 3undel), Wilhelmsböbe, Post Degerloch bet Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

rechtsbestimmungen beseitigen und ein fast völlig allgemeines Männerwahlrecht schaffen sollte. Von dem Frauenwahlrecht auf dieser breiten demokratischen Basis war aber nicht die Rede. Die Bewegung für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ist indessen in England zu stark und einflußreich, als daß die Regierung fie mit einer nachlässigen Handbewegung beiseitezuschieben vermöchte. Sogar Asquith  , vielleicht der frauenstimmrechtsfeindlichste unter den Mini­stern, mußte sich wohl oder übel zu dem Zugeständnis be­quemen, die Regierung werde an der Wahlrechtsreformvorlage auch dann festhalten, wenn ein Parlamentsbeschluß sie durch Bestimmungen zugunsten des Frauenwahlrechts erweitere.

An Amendements   mit solchen Bestimmungen hat es nicht gefehlt. Und das ist kennzeichnend für den Stand der Dinge: aus dem Schoße der Regierung selbst ist ein Antrag gestellt worden, der das Gefeßestor für die Einführung des Frauen­wahlrechts sprengen soll. Minister Grey hat ein Amendement eingebracht, in der Regierungsvorlage das Wort male", männlich, vor Person zu streichen. Damit würde die Wahl­berechtigung nicht mehr ausschließlich auf männliche Per­sonen beschränkt sein, die Frauen wären nicht mehr grund­säßlich von ihr ausgeschlossen. Man sollte sogar meinen, daß durch die beantragte Streichung des Wortes ,, männlich" die Frauen ohne weiteres nach dem Gesetz als wahlberechtigte Personen betrachtet werden müßten. Aber dieser Auffassung des schlichten Menschenverstandes steht die frühere Entschei­dung eines gelehrten Richters entgegen. Nach ihr darf nur derjenige staatsbürgerliche Rechte ausüben, dem solche aus­drücklich zuerkannt worden sind. Daher kommt dem Amende­ment Grey lediglich die grundsäßliche Bedeutung zu, daß es ein gesetzliches Hindernis gegen das Frauenwahlrecht besei­figt. Drei andere Anträge aus dem Hause fordern diese Re­form ausdrücklich. Sie unterscheiden sich voneinander durch den Umfang, in dem sie Frauen zum Wahlrecht zulassen wollen. Die wirklich demokratische Forderung wird von der Arbeiterpartei erhoben. In übereinstimmung mit den sozia­ listischen   Parteien aller Länder und getreu den Beschlüssen vieler großbritannischer Gewerkschaftskongresse und Gewerk­schaftsorganisationen beantragt sie die Zuerkennung des Wahlrechts an alle Großjährigen ohne Unterschied des Ge­schlechts. Damit würden 11 Millionen Wählerinnen geschaf­fen. Weniger weitgehend, doch immerhin nicht stockreaktionär, nicht ausgesprochen arbeiterfeindlich ist das Amendement des radikalen Liberalen Dickinson. Er verlangt ein Frauenwahl­recht in der Art des norwegischen, denn es würde 5 bis 6 Mil­lionen Frauen über 25 Jahren politisch emanzipieren, die einen eigenen Haushalt haben oder zusammen mit ihrem wahlberechtigten Manne den Vorstand der Familie bilden. Schließlich steht noch als Amendement die Versöhnungsbill im Felde, die weit mehr eine Verhöhnung als eine Erfüllung der Forderung nach politischer Gleichberechtigung des weib­lichen Geschlechts ist. Es wird als wahrscheinlich angenommen, daß das Amendement Grey eine Mehrheit findet; die Zustim­mung der Regierung ist ihm gewiß. Jedoch über das Schicksal

Am 24. Januar ist die parlamentarische Kommission des Unterhauses in die Beratung einer Wahlrechtsvorlage der Regierung eingetreten, die bereits am 12. Juli 1912 in zwei­ter Lesung angenommen wurde und zu der eine Reihe von Anträgen für die Einführung des Frauenwahlrechts vor­liegen. Unsere Leserinnen werden sich erinnern, daß die libe­rale Regierung, an deren Spize als Ministerpräsident As­ quith   steht, den letzten Antrag zur Einführung des politischen Frauenwahlrechts die sogenannte Conciliation- Bill, Ver­söhnungsbill mit der Begründung bekämpft hatte, das darin geheischte Recht sei nicht demokratisch genug. Eine Be­gründung, die Hand und Fuß hatte, denn nach der Ver­söhnungsbill sollte das Parlamentswahlrecht für die Frauen an dieselben Bedingungen geknüpft sein, die für sie bei den Gemeindewahlen gelten. Das aber sind Bedingungen, die in der Hauptsache ein Vorrecht für den Besitz und damit ein so beschränktes Damenwahlrecht schaffen würden, daß nur gegen 12 Millionen Frauen zum Parlament wählen könnten und die Massen der Proletarierinnen nach wie vor rechtlos blieben. Als im Frühjahr 1912 eine Mehrheit von 14 Stim­men die Versöhnungsbill zurückwies, brauchte dem reaktio­nären Wechselbalg niemand eine Träne nachzuweinen, der die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts als eine dringende und bedeutsame Reform leidenschaftlich er­strebt. Jedoch die liberale Regierung, die gegen ein bloßes Damenwahlrecht gut demokratisch gebrüllt hatte, ließ dem Gebrüll nicht die demokratische Tat zur Einführung eines allgemeinen Frauenwahlrechts folgen, nämlich eine Vorlage für das Wahlrecht aller Großjährigen ohne Unterschied des Geschlechts. Wohl bequemte sie sich zu einer Bill, die den jezigen Wirrwarr reaktionärer und widersinniger Wahl­Obligator. Nebenorgan zum Textilarbeiter" für Frauen, die wie ihre Männer Mitglieder des Deutschen   Textilarbeiter u. Arbeit.cinnen- Verb. sind.